Wo sehen Sie die künftigen Herausforderungen für die Landwirtschaft?
Landwirte können und dürfen mit gesundem Stolz auf ihre Arbeit blicken. Schließlich sind es die Bauernfamilien, die helfen, drängende Aufgaben zu bewältigen. Das gilt für die Ernährung mit regionalen Lebensmitteln, die Energiewende sowie den Erhalt unserer einzigartigen Kulturlandschaft. Mein Blick richtet sich deshalb nach vorne und dabei wird deutlich: Landwirtschaft ist eine Zukunftsbranche.
Die neue Düngeverordnung sorgt für Wirbel. Können Sie uns die Änderungen kurz vorstellen?
Die neue Düngeverordnung ist nach jahrelangen Verhandlungen 2017 in Kraft getreten. Der Bauernverband konnte zwar viele Veränderungen erreichen, aber unterm Strich müssen die Bauern bei der Düngung nun trotzdem deutlich strengere Regeln beachten. Es gelten längere Sperrfristen, in denen gar kein Dünger ausgebracht werden darf. Zudem: Der Bedarf und der Nährstoffgehalt des Düngers müssen noch genauer ermittelt werden. Um künftig die Gülle auszubringen, müssen Landwirte für Zehntausende Euro neue Geräte anschaffen. All diese neuen Regeln stellen gerade die vergleichsweise kleinen bayerischen Bauernhöfe vor enorme Probleme.
Wo sehen die Landwirte die Schwierigkeiten?
Durch den Grenzwert von 170 Kilogramm Wirtschaftsdünger pro Hektar und Jahr ist es vielerorts schwer, die natürliche Kreislaufwirtschaft am Laufen zu halten. Ein Problem ist auch, dass die Bauern durch die neuen Vorschriften alles dokumentieren müssen. Statt auf den Feldern oder bei den Tieren verbringen wir deshalb immer mehr Zeit im Büro.
Was kann der Bauernverband tun?
Die Bundesländer sind für die genaue Umsetzung zuständig. In Bayern läuft gerade die Diskussion, welche Gebiete wie eingestuft werden, welche Erleichterungen es in Bereichen mit guter Wasserqualität geben wird und wo zusätzliche Regeln gelten. Der Bauernverband hat über 26000 Unterschriften gesammelt und Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber übergeben. Wir brauchen eine Lösung, mit der unser Wasser geschützt wird und durch die auf den Bauernhöfen vernünftig gearbeitet werden kann.
Immerwährend ist der Konflikt „Bürger und Landwirt“ beim Düngen. Was kann man hier tun?
Eigentlich ist es ja ganz einfach: Pflanzen brauchen Nährstoffe zum Wachsen. Ohne Düngung wird der Boden ausgelaugt und irgendwann verhungern die Pflanzen. Auch Vorwürfe, zu nah an Gewässern zu odeln und dadurch Fische zu gefährden, sind bekannt. Wir Bauern müssen strenge Abstandsregeln einhalten – und dort, wo das Gelände abschüssig ist, halten wir noch einmal zusätzlichen Sicherheitsabstand ein. Die Vorwürfe gibt es trotzdem immer und immer wieder. Aber: Die Landwirtschaft spielt gar nicht mehr die entscheidende Rolle, wenn Seen oder Flüsse umkippen. Ganz neue Messungen zeigen, dass mit Abstand das meiste Phosphor aus Kläranlagen in die Gewässer gelangt.
Wie wäre in diesem Fall die korrekte Vorgehensweise?
Die Werkbank der Bauern liegt nun mal unter freiem Himmel, unsere Arbeit geschieht zum großen Teil in der Öffentlichkeit. Ich kann nicht erwarten, dass sich jeder Spaziergänger genau damit auskennt. Bevor es irgendwelche wilden Spekulationen oder sogar Anzeigen gibt, sollte er dem Landwirt aber immer die Gelegenheit geben, das Wie und Warum zu erklären. Das gehört für mich zur Fairness.
Wie ist es um den Nachwuchs in der Landwirtschaft generell und in der Region bestellt?
Die Zahl der Auszubildenden, der Schüler an den Landwirtschaftsschulen und der Studenten in den Agrarwissenschaften ist in den letzten Jahren stabil. Die ganze grüne Branche in Bayern ist enorm stark: Knapp 900000 Menschen sind in der Land- und Forstwirtschaft oder dem vor- und nachgelagerten Bereich tätig. Damit gehören wir zu den umsatzstärksten Branchen. Erfolgreicher sind nur die Automobil- und Maschinenbauer.
Welche Betriebsformen sind die zukunftsträchtigen?
Die bayerischen Bauernhöfe leben von ihrer Vielfalt. Rund 55 Prozent werden im Nebenerwerb geführt, mehr als zwei Drittel haben zusätzliche Einkommensquellen. Das fängt bei der Erzeugung von erneuerbarer Energie an, geht über Ferienwohnungen und „Urlaub auf dem Bauernhof“ und hört beim Hofladen lange noch nicht auf. Jeder Landwirt und jede Bauernfamilie geht einen ganz eigenen Weg. Wir können regionale Produkte liefern, wir können Qualität aus Bayern liefern, wir können pfiffige Ideen umsetzen und und und… Nur eines ist klar: Die Billigsten können und wollen wir auf dem Weltmarkt nicht sein.
Wie kann eine Koexistenz „Ökologisch/Konventionell“ aussehen?
Seit 2004 hat sich der Bio-Anteil bei den Lebensmitteln mehr als verdreifacht. Es gibt immer mehr Bauern, die ökologisch wirtschaften. Trotzdem müssen in manchen Bereichen immer noch Bioprodukte nach Bayern importiert werden. Diese Nachfrage wollen wir möglichst mit Produkten von bayerischen Höfen decken. Für mich gehören zu bio nämlich auch kurze Wege. Die bayerischen Milchbauern produzieren im Moment bereits mehr Bio-Milch, als die Verbraucher kaufen. Der Bio-Marktführer heißt inzwischen Aldi und für viele zählt im Supermarkt am Ende eben doch nur der Preis. Die Bauern in Bayern arbeiten nach weltweit höchsten Standards. Die Lebensmittel sind heute so sicher und preiswert wie nie zuvor. Die Krux ist: Unsere Arbeit wird immer anspruchsvoller und die Produkte immer besser, doch die Erzeugerpreise bleiben seit 40 Jahren auf gleichem Niveau. Das passt nicht zusammen.
Stichwort Flächenverbrauch: Wie sieht hier der Wünsche- und Forderungskatalog aus?
Der Flächenverbrauch in Bayern ist enorm. Jeden Tag verschwinden mehr als zehn Hektar fruchtbarer Boden unter Teer und Beton.
Durch Ausgleichsflächen, den Hochwasserschutz oder neue Naturschutzgebiete werden den Bauern noch zusätzlich Felder und Wiesen weggenommen. Das kann doch nicht so weitergehen. Der BBV setzt sich deshalb schon seit Jahren für einen konsequenten Schutz der landwirtschaftlichen Flächen ein.
Wo sehen Sie die Region Rosenheim?
Durchschnittlich bewirtschaftet ein Betrieb in der Region zwischen 23 und 24 Hektar. Zwischen 2008 und 2017 sind in den Landkreisen Rosenheim und Miesbach knapp 2000 Hektar landwirtschaftliche Fläche verloren gegangen. Das heißt, dass die Fläche von mehr als 80 Bauernhöfen verschwunden ist.
Mit der ehemaligen Landesbäuerin Annemarie Biechl war das Mangfalltal gut mit seinen Interessen vertreten. Wie sehen Sie den Status der Landwirtschaft bei uns?
Daran hat sich nichts geändert. Der Bauernverband lebt von der Beteiligung der Mitglieder in den Orts- und Kreisverbänden.
Dort bringen die Bäuerinnen und Bauern ihre Anliegen ein, die Kreisbäuerinnen Katharina Kern und Marlene Hupfauer sowie die Kreisobmänner Josef Bodmaier und Hans Hacklinger geben der regionalen Landwirtschaft ein Gesicht und eine starke Stimme. Auch unsere Geschäftsstellen und die Mitarbeiter in Rosenheim und Holzkirchen sind immer für unsere Mitglieder da.
Interview: Silvia Mischi