Gemeinderat Stephanskirchen berät Standortfrage

Weg zum Drogeriemarkt noch nicht frei

von Redaktion

Ein neuer Drogeriemarkt soll in Stephanskirchen angesiedelt werden. Aber wann und wo? Die Gemeinderäte nutzten die jüngste Sitzung zu einem erneuten Schlagabtausch, der manchmal auch unter die Gürtellinie traf: Das Ergebnis: Kragling bleibt als Standort im Gespräch – in Verbindung mit einem neuen Fuß- und Radweg.

Stephanskirchen – Ein Drogeriemarkt soll kommen – darin besteht im Gemeinderat von Stephanskirchener Einigkeit und auch das Nahversorgungsgutachten, das die Gemeinde Stephanskirchen in Auftrag gegeben hatte, machte im März dieses Jahres deutlich: Die Stephanskirchen wünschen sich in großer Mehrheit einen Drogeriemarkt (wir berichteten). Wirtschaftsgeograf Dr. Ralf Popien nannte als potenzielle Standorte Kragling und Haidholzen-Südost, wobei er den Letzteren bevorzugte, weil dort eine bessere Anbindung für Fußgänger und Radfahrer gegeben sei. Seitdem scheiden sich im Gemeinderat die Geister. Die einen pochen auf die gute Radewegeanbindung in Haidholzen, die anderen wollen das Ziel Drogeriemarkt zeitlich möglichst schnell erreichen und können sich deshalb auch Kragling gut vorstellen. Im Mai deutete sich ein Kompromiss an: Mit knapper Mehrheit entschieden sich die Gemeinderäte im Mai dazu, dem Antragsteller zum Bau eines Drogeriemarktes in Kragling, die nötige Bebauungsplanänderung in Aussicht zu stellen, wenn er bereit wäre, die Erschließung des Geländes für Fuß- und Radverkehr aus Richtung Südwesten dauerhaft zu sichern. Als weitere Voraussetzung wurde die Abgabe eines Kostenübernahmevertrags für die Bebauungsplanänderung festgelegt.

In dieser Mai-Sitzung hatten zehn Gemeinderäte (Löffler, Himmelstoß, Juraschek, Hoffmann, Hofmann, Schnell, Glas (alle CSU), Zehetmaier, Beck (beide Bayernpartei) und Scheuerer (Parteifreie Bürger Stephanskirchen)) in einem Antrag befürwortet, die Ansiedlung des Drogeriemarktes auch ohne Rad- und Fußweg voranzutreiben. Sie stellten damals ihren Antrag zurück – wollten die Verhandlungen abwarten. Diese Gespräche fanden inzwischen statt, brachten allerdings nicht den erhofften Erfolg, gab Zweiter Bürgermeister Karl Mair in der jüngsten Gemeinderatssitzung bekannt, die er in Vertretung für Bürgermeister Rainer Auer leitete.

Über 20Wortmeldungen

Damit begann die Diskussion der Gemeinderäte wieder von Neuem. Mehr als zwanzig Wortmeldungen wurden auf der Rednerliste notiert. Turbulent ging es teilweise zu und manchem reichte auch das von den Gemeinderäten selbst auferlegte Zwei-Minuten-Limit für die Redezeit nicht aus, um seine Argumente darzulegen.

Der Druck aus der Bevölkerung sei groß, befanden viele Gemeinderäte, doch wie sie damit umgehen wollen, erklärten sie unterschiedlich. Während Thomas Hoffmann (CSU) rätselte, „warum wir da ewig rumtun, wegen vielleicht zwei Prozent der Einkäufer, die später mal einen Radweg nutzen“, erklärte Anton Forstner (CSU): „Wenn auch 70 bis 80 Prozent der Bürger einen Drogeriemarkt brauchen, dann haben sie es doch bis jetzt auch geschafft, Lippenstift und Windeln zu besorgen – und wir sollten vernünftig planen, also in Haidholzen-Südost.“ Den Befürwortern des Kragling-Standorts warf er „Lobbyarbeit“ vor. Er käme sich vor wie in Las Vegas, wo die nächste Pokerrunde beginnen solle.

Florian Beck warf ein, dass im Zusammenhang mit Rewe oder dem Fressnapf nie die Rede gewesen sei von einer Radverbindung. Dem widersprach Christian Haustätter vom Bauamt sofort. Er erinnerte auch an die Proteste aus der Bevölkerung als der fußläufige Verbindungsweg vom Grundeigentümer gesperrt wurde.

Ludwig Demberger (SPD) mahnte, Radfahrer nicht als „Lästlinge“ anzusehen. Das Rad solle wesentlich mehr genutzt werden im öffentlichen Verkehr und das solle auch gefahrlos möglich sein. Petra Schnell (CSU) stellte klar, dass ihre Entscheidung für den Standort Kragling nichts mit Lobbyismus zu tun habe. Der Radweg sei für sie allerdings ein Beiwerk und sie wolle möglichst schnell einen Drogeriemarkt ermöglichen. Sie hätte sich die Verhandlungen mit dem Grundstückseigentümer anders gewünscht und auch gern einen Sachstandsbericht von Bürgermeister Auer gehört „bevor in YouTube alles herausposaunt wird“.

Robert Zehetmaier (Bayernpartei) warf in die Runde, er habe sich schon überlegt, eine Brücke über die Teile des geplanten Radweges zu bauen, die derzeit stark diskutiert werden. Beim Blick auf den Plan erkannte er aber selbst: „Das wäre wohl doch zu kompliziert.“

Als Dr. Rolf Jürgen Löffler (CSU) sein Rederecht bekam, war er richtig wütend: „Das ist eine Unverschämtheit! Die Vorwürfe, ‚parteipolitisch‘ zu handeln, muss ich entschieden zurückweisen.“ Seiner Meinung nach gebe es genügend gesicherte Radwege, um den Standort Kragling zu erreichen, führte er wortreich aus und schimpfte „Wir beauftragen immer gern Gutachter, aber es passiert dann nichts.“ Als seine zwei Minuten Redezeit zu Ende waren und er ankündigte „Ich halte mich nicht an das Zeitlimit wenn es um so ein wichtiges Thema geht und die Fakten geklärt werden müssen“, brachten ihn die Gemeinderatskollegen der anderen Fraktionen mit einem lauten, lang anhaltenden „Sch“ zum Schweigen.

Margit Sievi (SPD) sprach sich für den Standort in Haidholzen-Südost aus. „Ich muss als Gemeinderätin über den Tellerrand schauen und zukunftsfähig entscheiden.“ Kein Verständnis zeigte sie für den Grundstückseigentümer, der ihrer Meinung nach Vorteile habe, wenn der Bebauungsplan in seinem Sinne geändert würde.

Steffi Panhans (SPD) erklärte, im Mai gegen Kragling gestimmt zu haben. Sie brachte in der jüngsten Sitzung jedoch eine Beschlusserweiterung in den Planungsprozess ein, die lautete: „Sollte innerhalb der nächsten drei Monate keine Einigung bezüglich der Radwegeverbindung zum Standort Kragling erfolgt sein, soll ein alternativer Standort geprüft werden.“

Christine Annies (Bündnis 90/Die Grünen) wunderte sich über ihre Vorredner, die angaben, beauftragte Gutachten würden nicht umgesetzt. „Der Gutachter hat Haidholzen-Südost als besseren Standort vorgeschlagen und wir wollen das jetzt umsetzen. Einziges Manko: Die Zeit. Wir müssen aber vorausschauend planen.“

Ihre Parteikollegin Jana Miller erinnerte an die Strukturanalyse. „Darin hieß es, wir sollten uns Zeit lassen für unsere Überlegungen und gut nachdenken. Nie hieß es, wir sollten möglichst schnell Entschlüsse fassen.“ Außerdem, so betonte sie, gebe es tolle Lastenfahrräder, mit denen sich eine Menge transportieren ließe.

„Handel ist Wandel“ gab Bernhard Himmelstoß (CSU) zu bedenken und weiter: „Die Leute wollen, dass wir endlich in die Puschen kommen. Wir sollten jetzt mal gegenüber der Bevölkerung Zeichen setzen.“

Dr. Löffler meldete sich ein zweites Mal zu Wort und warnte davor, in Haidholzen keinen zweiten Prechtl-Markt wie in Bad Feilnbach zu bauen. „Das ist da eine Katastrophe“, urteilte er.

Petra Hofmann (CSU) betonte, es sei „höchste Eisenbahn“, dass endlich ein Drogeriemarkt gebaut würde. In Kragling solle er jetzt auf die Beine gestellt werden, dann hätte man endlich etwas vorzuweisen, und die Planung für Haidholzen-Südost könne in Ruhe unabhängig von dem Thema weitergeführt werden.

Günther Juraschek (CSU) hat die Suche nach alternativen Standorten satt. Er befürchtete: „Ich glaube, dass Riedering bald eher einen Drogeriemarkt hat als wir.“

Robert Zehetmaier (Bayernpartei) schlug vor, dass künftig bei den Verhandlungen mit dem Grundstückseigentümer in Kragling jeweils ein Vertreter der Fraktionen teilnehmen sollte. Das, gab Mair zu bedenken, sei sicher nicht konstruktiv, da dem einzelnen Eigentümer dann mehrere Gemeinderäte gegenübersitzen würden, und das könnte einschüchternd wirken, befürchtete er. Der Zweite Bürgermeister machte deutlich, dass er sehr wohl einen Fortschritt in den Gesprächen feststellen könne und gab seiner Hoffnung Ausdruck, dass es noch zu einer einvernehmlichen Lösung in Bezug auf den Radweg kommen könne. „Die Wegeanbindung wird immer mehr zu einem wichtigen Kriterium der Ortsplanung, nicht nur in Stephanskirchen“, gab er zu bedenken.

Eindringlich appellierte er an die Gemeinderäte, ihre Entscheidung bei der Beschlussfassung wohlüberlegt zu treffen. „Wenn Sie gegen den Beschluss B stimmen, dann wären wir wieder bei Null“, stellte er klar. Dafür wurde dafür mit dem Zwischenruf „Da ist ja Erpressung“ bedacht, den er wiederum vehement zurückwies.

Der Beschluss A („Dem Antrag von zehn Gemeinderäten, alle Maßnahmen in die Wege zu leiten, um den Bau des Drogeriemarktes in Kragling neben Rewe zeitnah umzusetzen, wird nicht zugestimmt“) wurde mit 9:8 knapp angenommen.

Anschließend fand der Beschluss B mit 11:6 Stimmen eine deutliche Mehrheit. Er lautet: „An der Beschlussfassung des Gemeinderats vom 17. Mai 2018, wonach eine Änderung des Bebauungsplanes Nr. 31 „Kragling“ zur Errichtung eines Drogeriemarktes nur unter den dort genannten Voraussetzungen in Aussicht gestellt wird, wird festgehalten. Sollte innerhalb der nächsten drei Monate keine Einigung bezüglich der Radwegeverbindung zum Standort Kragling erfolgt sein, soll ein alternativer Standort geprüft werden.“

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