von Redaktion

Bürgerentscheid in Riedering: Ungültige Stimmen sorgen für Verwirrung

Ein Wahlhelfer öffnet einen Wahlumschlag eines Briefwählers. In Riedering gibt es nach den Bürgerentscheiden Diskussionen um die ungültigen Stimmen.Foto dpa/Hendrik Schmidt

Beim Auszählen verzettelt?

Riedering – Normalerweise wird nach Wahlen über die abgegebenen Stimmen diskutiert. In Riedering sorgen die nichtabgegebenen Stimmen für Zündstoff. Oder besser gesagt die Stimmen, die für ungültig erklärt worden sind. Oder hat sich die Kommune verzettelt? Eine Frage, bei der das Landratsamt Rosenheim und der Bayerische Gemeindetag uneins sind.

Fakt ist: Die extrem hohe Anzahl an ungültigen Stimmen bei den Bürgerentscheiden 2 und 3 haben in der Gemeinde für große Verwunderung gesorgt. So waren bei der Frage 2 nach einer Supermarkt-Ansiedlung am Ortsausgang Richtung Niedermoosen bei 1244 Ja- und 1160 Nein-Stimmen 1000 Stimmen ungültig. Bei der Frage 3 nach der Ansiedlung am Ortsausgang Richtung Mitterfeld hatten bei 1255 Ja- und 1086 Nein-Stimmen gar 1063 eine gültige Stimme abgegeben. Insgesamt wurden bei allen vier Fragen 2696 Stimmen für ungültig erklärt. „Da bin ich ein bisserl ratlos über die Beweggründe“, sagte Riederings Bürgermeister Josef Häusler am Tag nach dem Votum (wir berichteten).

Beim Bürgerentscheid 1, bei dem es um die Grundsatzfrage zur Ansiedlung eines neuen Supermarktes ging, hatte die Kommune nur 76 ungültige Stimmen zu verzeichnen. Die Vermutung liegt daher nahe, dass Wähler, die sich gegen die Ansiedlung ausgesprochen haben, bei den weiteren Fragen einfach kein Kreuz mehr gemacht haben. Die Krux: Alle Bürgerentscheide wurden als eigenständige Abstimmungen geführt, aber auf einem Stimmzettel abgedruckt. Daher wertete die Wahlleitung den Stimmzettelabschnitt des jeweiligen Bürgerentscheids ohne Kreuz als ungültig.

Eine korrekte Vorgehensweise? „Nein“, sagt Ina Krug, Sprecherin des Landratsamtes Rosenheim, nach Rücksprache mit der zuständigen Abteilung in ihrer Behörde. „Ungültig ist die falsche Begrifflichkeit“, so Krug. Sie verweist darauf, dass – nachdem alle drei Bürgerentscheide für sich als eigene Abstimmung stehen – die Bürgerentscheide ohne Kreuzchen nicht als ungültig gewertet werden dürfen. Diese müssten so behandelt werden, als hätte der Wähler an dieser Abstimmung nicht teilgenommen. Folge: Die Anzahl der ungültigen Stimmen sowie die Wahlbeteiligung bei den Bürgerentscheiden 2, 3 sowie bei der Stichfrage würde deutlich sinken.

„Da bin ich ehrlich gesagt baff“, kommentierte Bürgermeister Häusler im Gespräch mit den OVB-Heimatzeitungen die Einschätzung des Landratsamtes. Er kündigte an, so schnell wie möglich Gespräche mit der Aufsichtsbehörde zu führen und das Endergebnis gegebenenfalls zu korrigieren.

Geht es nach der Einschätzung von Dr. Andreas Gaß, Referent für kommunales Wahlrecht beim Bayerischen Gemeindetag, braucht Häusler den Telefonhörer aber gar nicht in die Hand nehmen. „Die Gemeinde hat alles richtig gemacht“, sagt der Experte. Für diese Aussage hatte er extra nochmals in den Regelwerken nachgeschlagen. „Gibt der Wähler einen Stimmzettel mit mehreren Bürgerentscheiden ab und hat er bei einem Bürgerentscheid kein Kreuz gemacht, so ist seine Stimme nur für diesen Bürgerentscheid ungültig“, so Gaß. Er kann die ganze Aufregung dennoch nicht verstehen: „Letztlich spielt es für den Wahlausgang ja überhaupt keine Rolle.“

Allerdings hätte die Kommune die Möglichkeit gehabt, die Vielzahl der ungültigen Stimmen zu verhindern. „Die Gemeinde hätte die verschiedenen Fragen auf verschiedenfarbige Stimmzettel drucken können“, sagt Gaß. Somit hätte jeder Bürger die Möglichkeit gehabt, den Stimmzettel für den Bürgerentscheid, an dem er nicht teilnehmen wollte, einfach gar nicht abzugeben. Eine Möglichkeit, die Gaß dennoch kritisch sieht. „Zum einen sind verschiedene Stimmzettel eine Kostenfrage“, so der Rechtsexperte, „zum anderen ist es bei verschiedenen Stimmzetteln schwierig, den Zusammenhang zu begreifen, wenn es doch um ein Thema geht.“

Letztlich – da sind sich Landratsamt und Bayerischer Gemeindetag einig – ist das Ergebnis aber unanfechtbar. Denn selbst wenn die ungültigen Stimmen herausgerechnet würden, hätte das Ergebnis Bestand.

Einschätzungen, die den Riederinger Gemeinderat erleichtern dürften. Denn das Gremium hatte sich im Vorfeld deutlich für die Ansiedlung eines Supermarktes ausgesprochen. „Kurz vor der Wahl hatte ich allerdings die Befürchtung, dass alle, die einen Supermarkt wollen, sich bei der Standortentscheidung aufteilen und alle die, die gegen einen Markt waren, bei den Bürgerentscheiden 2 und 3 mit nein stimmen, was ein Nein für Rewe und Edeka bedeutet hätte“, gibt Häusler Einblick in seine Gedankenspiele.

Dass diese Strategieüberlegungen durch eine undurchsichtige Informationspolitik der Gemeinde verhindert worden sein könnten, diesen Vorwurf weist Häusler entschieden zurück. „Für Bürger, die sich mit dem Thema nicht so intensiv beschäftigt haben, war es sicherlich nicht einfach“, gesteht der Rathauschef. Er betont aber, „dass wir auf mehreren Seiten im Gemeindeblatt ausführlich darüber informiert haben, wie die Abstimmung funktioniert.“ Die Fragestellung sei zudem im Vorfeld vom Landratsamt überprüft worden.

Der Bürgermeister will nun aber nach vorne schauen. Mit dem Bauwerber, der Richtung Mitterfeld einen Edeka-Markt errichten will, sollen schnell Verhandlungen geführt werden. Priorität habe, dass der Bürger am Ende das bekommt, wofür er gestimmt habe. Häusler: „Dass ein Edeka-Markt versprochen wird, dann aber ein ganz anderer Anbieter kommt, wie es in einer Nachbargemeinde passiert ist, wird es nicht geben.“

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