Archäologie: Das ist nicht nur Vorgeschichte, die Forschung in Bayern erstreckt sich bis ins 20. Jahrhundert. Hier geht es um Mühlsteinbrüche an der Biber in Brannenburg, die Professor Wolfgang Czysz den Tagungsteilnehmern erläuterte.
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Professor Sebastian Sommer (links) vom Bayerischen Landesamt sieht das Archäologische Jahrbuch mit gemischten Gefühlen. Rechts Professor Bernd Päffgen von der Gesellschaft für Archäologie in Bayern.
Die Archäologie in Bayern lebt vom Engagement des Ehrenamtes. Sebastian Aringer aus Aschau stellt seine Funde in seinem privaten Museum aus. Links Professor Clemens Eibner von der Universität Heidelberg.
Oberaudorf/Flintsbach – Die Jahrestagung der Gesellschaft für Archäologie in Bayern fand jüngst in Oberaudorf statt. Neben 200 Archäologen waren auch zahlreiche engagierte Laien dabei, denn diese sind mindestens mit ebenso viel Engagement beim Suchen und Graben dabei wie ihre Profi-Kollegen. Und es wurde deutlich: Sie sind oft die „letzten Retter von Bodendenkmälern“.
„Dieses Buch ist eigentlich nichts, was man haben möchte“, sagt Professor Sebastian Sommer, stellvertretender Leiter des Bayerischen Landesamtes für Denkmalpflege. Das Buch, das er meinte, ist eine Gemeinschaftspublikation des Landesamtes für Denkmalpflege und der Bayerischen Archäologischen Gesellschaft, erscheint jährlich und zeigt jeweils eine Auswahl der im Moment in Bayern laufenden Ausgrabungen. Durchblättert man den aktuellen Band, erscheint das dem Laien wie eine Erfolgsgeschichte der bayerischen Archäologie: Von Bad Reichenhall im Südosten bis Mainaschaff ganz im Nordwesten finden sich gut 60 Artikel über Grabungen, die den Zeitrahmen vom Neolithikum über Römerzeit und Mittelalter bis zu Relikten des Dritten Reiches überspannen. Dabei behandeln diese Berichte nur die Spitze des Eisberges: Sage und schreibe 730 Grabungen wurden im letzten Jahr in ganz Bayern durchgeführt.
Warum Professor Sommer dennoch mit dem Buch nicht ganz glücklich ist? Weil der Anlass für die meisten Grabungen nicht die wissenschaftliche Neugier ist. Es geht nicht darum, dass man hier zielsicher und in aller Ruhe die Antwort auf konkrete historische Fragen sucht und am Ende steht eben kein kleines Freilichtmuseum, in dem man auch als Laie einen Blick zurück in die bayerische Vergangenheit werfen kann.
Forschungen wie zum Beispiel bei Burg Falkenstein in Flintsbach sind, das lernt man hier zu seiner Überraschung, im archäologischen Alltag eher die Ausnahme. Den Großteil der Untersuchungen machen vielmehr die Notgrabungen aus: Wenn Bauvorhaben – privat oder öffentlich – im Bereich eines Bodendenkmales durchgeführt werden, versucht die Denkmalschutzbehörde, in aller Eile an Fundstücken und Wissen zu retten, was zu retten ist – das Bodendenkmal selbst aber ist unwiederbringlich verloren.
Auch wenn jede Grabung deshalb im Grunde für ein verlorenes Denkmal steht, so steht sie doch wenigstens für einen Zuwachs an Wissen, denkt man als Laie. Doch auch das stimmt nur zum Teil: Der Flächenverbrauch in Bayern ist derzeit gigantisch, bei der entsprechenden Vielzahl der Grabungen kommt man mit der wissenschaftlichen Auswertung nicht nach, vieles kommt einfach in die Archive und Magazine und muss auf spätere Aufarbeitung hoffen. So kommt es, dass sich auch die Bayerische Archäologische Gesellschaft in die Gruppe derer einreiht, die vor dem Flächenverbrauch in Deutschland warnen.
Die Situation wäre noch schlechter, wenn es in Bayern nicht viele archäologisch interessierte Laien gäbe, die sich in der Archäologischen Gesellschaft zusammengeschlossen haben. Als Nicht-Archäologe stellt man sich unter einem solchen Menschen gern einen Sondengänger vor, der halb aus Wissen halb aus Zufall auf den großen Fund stößt, der dann die Wissenschaft revolutioniert. Die Wahrheit ist weit weniger spektakulär – dafür aber mühsamer. Denn ehrenamtliche Archäologen sind nur in den selteneren Fällen Leute, die sich selbst mit einer Sonde auf die Suche machen. Es sind vielmehr Menschen, die sich, obschon keine Berufswissenschaftler, einen fundierten Überblick angeeignet haben über die Geschichte in ihrer Region. Sie wissen, was schon gefunden wurde, können die Funde in einen größeren Rahmen einordnen.
Auch deshalb wächst die Liste der bekannten Bodendenkmäler in Bayern, die derzeit rund 50000 Orte umfasst, ständig: Wenn man das entsprechende Vorwissen und ein geschultes, offenes Auge hat, genügt manchmal schon ein Spaziergang über ein frisch gepflügtes Feld, um Relikte zu finden, die auf ein Bodendenkmal hinweisen.
Wenn eine Gemeinde zum Beispiel an die Ausweisung eines Gewerbegebietes denkt, sind es nicht selten die ehrenamtlichen Archäologen, die noch im Vorfeld, bevor die Planungen konkreter werden, auf das wahrscheinliche Vorhandensein von Bodendenkmälern hinweisen. Das könnte, wenn es nach dem Wunsch der Denkmalschutzbehörde geht, im besten Fall dann dazu führen, dass die Planung sich andere Örtlichkeiten sucht. Zumindest hilft es aber der Gemeinde, sich frühzeitig auf den Zeitverzug und die Kosten einzustellen, die durch die bei einem Bodendenkmal zwingend erforderliche vorherige Grabung verursacht werden.
Bedeutung bekommen die archäologisch engagierten Laien auch dadurch, dass sie eine Art „örtliche Lobby“ für die Bodendenkmäler darstellen – und für die Kosten, die ihre Notbergung verursacht. Denn die frühhistorischen Kenntnisse, mit denen sich im Anschluss jede Gemeinde gern fremdenverkehrswirksam schmückt, werden oft von Privatleuten zusammengetragen und aufbereitet.
Hobbyarchäologen Aringer und Dahlke
Nur zwei Beispiele: Landwirt Sebastian Aringer stellt seine Funde, bronze- und römerzeitliche Grabbeigaben aus der Gegend um Aschau, in einem privat errichteten Museum aus, der ehemalige Chirurg Jürgen Dahlke arbeitet an einer Neuauflage der Heimatgeschichte des Oberen Achentales.
Manchmal bleiben diese Leute auf sich gestellt, in günstigeren Fällen findet sich ein engagierter historischer Verein, der bei Publikationen helfen kann. Wird von diesen Leuten auf Bodendenkmäler hingewiesen, findet das vor Ort eher Beachtung und Zustimmung, als wenn allein die Denkmalschutzbehörde sich hier zu Wort meldet.
Für die Ehrenamtlichen und Hobbyarchäologen ist ein regelmäßiger Austausch wichtig. Die Szene arbeitet ja nicht zuletzt deshalb so effektiv, weil es hier kein „Hochnäsigkeitsgefälle“ zwischen Fachwissenschaftlern und „Laien“ gibt.