Bad Endorf – „Hedwig von Andechs, Herzogin von Schlesien“: Sie war eine bemerkenswerte Frau. Und das nicht nur in ihrem Jahrhundert. Noch heute gilt die 1174 in Andechs geborene und 1243 in Trebnitz (Polen) gestorbene Adlige als „starkes Weib“. So hat sie immerhin Papst Clemens IV. bezeichnet. Heute würde man sie wohl als eigenwillige Powerfrau mit ziemlich spitzen Ecken und Kanten einstufen. Also alles andere als eine angepasste und ziemlich geldige „Influencerin“.
Hinein geboren in den Hochadel, direkt verwandt mit Barbarossa, politisch ambitioniert, lateinisch gebildet im Kloster Kitzingen, früh verheiratet nach Schlesien mit Heinrich I.: ein untypischer Lebenslauf für eine Frau an der Schwelle zum 13. Jahrhundert.
Enttäuschungen
und Erfolge
Und genau diese Frau hat sich Paula Aiblinger für das Chiemgauer Heiligenspiel der Theatergesellschaft Bad Endorf 2019 ausgesucht. „Ich finde sie faszinierend. Noch heute würde sie auffallen“, sagt die Autorin und Spielleiterin des aktuellen Stücks. Hedwig sei eine Sinnsuchende gewesen, sei immer wieder auf Irrwege abgekommen, habe Enttäuschungen und Niederlagen erlitten – aber eben auch strahlende Erfolge erlebt. „In ihrem karitativen Tun fand sie Erfüllung. Sie suchte Gott nicht hinter Klostermauern, sondern als Aktivistin für Arme und Rechtlose sowie als Friedensstifterin zwischen Polen und Deutschland. Darin kann sie uns heute in Europa ein Vorbild sein.“
Doch das alles zu Papier zu bringen und die Widersprüche dieser bemerkenswerten Frau – die Kirche sprach sie früh heilig – herauszuarbeiten, genau diese Aufgabe reizte Paula Aiblinger. Es ist nicht das erste Stück, das die jetzt 62-jährige Bad Endorferin verfasst hat. Bereits im Jahr 2011 hatte sie zusammen mit Andrea Krug die „Hildegard von Bingen“ geschrieben. 2015 hatte sie sich an den Stoff „Teresa von Avila“ gemacht.
Und nun eben „Hedwig von Andechs, Herzogin von Schlesien“, diese selbstbestimmte Frau, eine Macherin, die ihren eigenen Weg suchte, auch den zu Gott.
Paula Aiblinger legt diese Figur dreigeteilt an: als Kind, als junge Frau und als Seniorin. „Ich wollte nah an der Historie bleiben und keine durchgestylte Heiligenlegende schreiben. Es geht nicht um die Darstellung einer Fantasiegestalt, sondern um eine politische Frau aus Fleisch und Blut, die im Laufe ihres Lebens immer neue Wege beschritt und uns heute noch viel sagen kann.“
Wichtig war der Autorin, dass das Stück nah an der „echten“, der „historischen“ Hedwig ist. „Ich habe mich eng an die aktuelle Forschung gehalten.“ Das sei wohl der wesentliche Unterschied zu den Hedwig-Stücken, die im Bad Endorfer Theaterhaus bereits 1975 und 1993, verfasst von Hubert Bomba, aufgeführt wurden.
58 Sprechrollen,
16 Kinderrollen
Doch nicht nur das historisch korrekte Bild der Hedwig mit ihren Brüchen sollte in dem aktuellen Stück zurechtgerückt werden, es ging auch um die Herausforderung an die Spielleiterin Aiblinger. 58 Sprechrollen wollten untergebracht werden, davon 16 Kinderrollen. Als ehemalige Schauspielerin mit vielen wichtigen Rollen im Endorfer Theaterhaus weiß sie um das Hoffen und Bangen auf eine schöne Rolle. „Natürlich musste ich manche enttäuschen. Aber das ist am Theater halt so. Das weiß jeder“, meint die Endorferin, die hauptberuflich am Finanzamt arbeitet.
Und sie macht es ja nicht alleine. Werner Hofmann vom Pfarrverband hat das Stück gegengelesen und kennt wie Aiblinger den historischen Hintergrund der „Hedwig von Andechs“ sehr genau. Übrigens hat sie vor exakt 40 Jahren durch ihren Mann, der eine Institution im Souffleur-Kasten ist, zum Endorfer Theater gefunden. „1979 stand ich erstmals auf der Bühne“, erinnert sie sich.
Gespannt ist sie auf die Herausforderung als Spielleiterin. „Am Freitag nach Aschermittwoch geht es los“, sagt sie. Doch zuvor will sie die große Truppe auf diese Hedwig einstimmen. „Ihre Geschichte ist der Schlüssel zum Verständnis“, betont sie und erzählt:
Von Hedwigs sieben Kindern starben fünf sehr früh. Sohn Heinrich II. starb als junger Mann in der Schlacht von Liegnitz gegen die Mongolen im Jahr 1241 .
Das einzig überlebende Kind, ihre Tochter Gertrud, lebte als Äbtissin im Kloster Trebnitz. Doch Mutter und Tochter konnten nicht miteinander. Obwohl Hedwig von ihrer Tochter aufgefordert war, doch als Seniorin zu ihr ins Kloster zu kommen, weigert sich die Landesfürstin. Am Ende bezieht Hedwig ein Häuschen auf dem Kloster-Anwesen, doch dem Orden der Zisterzienserinnen tritt sie nie bei.
Sie bleibt eigenständig, auch in der Verwaltung ihrer Güter und Einkünfte. Diese hätte sie bei einem Eintritt ins Kloster dem Orden überlassen müssen. Das geht ihr dann doch gegen den Strich, wie die Geschichtsforschung belegt.
Karitatives Engagement
Gleichzeitig hat Hedwig sich für Arme, Kranke, Witwen und Waisen enorm karitativ eingesetzt. Sie öffnet in Absprache mit ihrem Mann Heinrich I. ihre Geldschatulle, baut Hospitäler, gründet Klöster als Versorgungseinrichtungen, bietet Schulausbildung für alle an, belebt die Ausbildung von Mittellosen zu Priestern und steht vor allem für den Ausgleich zwischen ihrer alten Heimat Deutschland und ihrer neuen Heimat Polen. Sie sei, so urteilen Forscher heute, eine „Völkerverbindende Grenzgestalt“.
Doch die rastlose Frau hat auch ihre Kanten: Sie duldet keinen Widerspruch, isst kein Fleisch, hungert und kasteit sich, läuft barfuß rum, lebt früh enthaltsam und getrennt von ihrem geliebten Ehemann – der das übrigens nicht spaßig findet – und hadert immer wieder mit Gott und ihrem Schicksal. Aber am Ende siegt ihr Engagement für den Nächsten und die Aussöhnung zwischen den Kulturen,