Bruderschaftsbrief aus 1720 entdeckt

von Redaktion

Schiffleut-Bruderschaft-Verein Neubeuern stolz auf Fund

Neubeuern – Mit der Schiffleutglocke und dem Gruß „Nahui in Gotts Nam“ eröffnete Michael Konrad, Vorsitzender der Schiffleutbruderschaft Neubeuern und seit zehn Jahren Versammlungsleiter, die 397. Jahreshauptversammlung für die 103 erschienen Mitglieder im Saal der Dorfwirtschaft Vornberger.

Neben den Inntaler Abordnungen warfen auch fünf ehemalige Bootsführer des THW-Rosenheim, die auf dem Inn regelmäßig Übungen, Rettungsdienste und Bergungen absolvierten und Vertreter der Flussmeisterstelle des Wasserwirtschaftsamts Rosenheim als neuzeitliche Schiffsleut ihre Anker beim Traditionsverein in Neubeuern.

Schriftführer Sebastian Paul blickte auf das letzte Kalenderjahr zurück, bestückt mit vielen Terminen in und um Neubeuern. Auch der Termin für das kommende Schiffleutfest ist festgesetzt auf den 4. August 2019 am Plättenstadl in Altenmarkt.

Der Kassenbericht von Georg Wachinger landete in einem Plus, begründet durch die Erhebung des Mitgliedsbeitrags von einem Euro, der bei der Jahreshauptversammlung nach altem Brauch in bar eingesäckelt wird.

Auf den Ablass vor genau 300 Jahren, im Jahr 1719, erlassen von Papst Clemens XI., verwies Michael Konrad. Dieser diente als Grundlage für die Satzungsregularien, inkludiert im Bruderschaftsbrief.

Aus dem Jahr 1720 stammt der älteste Bruderschaftsbrief, der in einem Geheimfach einer antiquarischen Schiffstruhe entdeckt und fachgerecht restauriert wurde. Knicke, Flecken, Löcher und Spuren eines Brandes beschädigten das Dokument, seit 1984befindet es sich im Besitz von Rupert Stuffer. Unten rechts steht in dem Relikt, „dass bei Ableben des Mitglieds der Zettel an die Bruderschaft zurückgegeben werden muss, damit für den Verstorbenen eine Messe gelesen werden kann“. Mit dieser Aufforderung waren die Briefe dem Untergang geweiht und tauchten in der Regel nicht mehr auf.

Jetzt wird das einzigartige Fundstück in einer säurefreien Mappe, geglättet und ausgebessert mit Einbettung des originalen Ablasspfennigs, erworben von Chronist Reinhard Käsinger, ins Innschifffahrtsmuseum Neubeuern einziehen. Das wäre vorerst kein Problem, wenn nicht das Innschifffahrtsmuseum und die Galerie im Schwirtlichhaus am Marktplatz aufgrund der Brandschutzbestimmungen letztes Jahr für Besucher geschlossen, nach Umbauarbeiten wieder eröffnet und anschließend wieder geschlossen worden wäre.

Für den Einzug in das heimische Museum wartet auch eine bemalte Schiffstruhe aus dem Jahr 1838, die dem Verein von Resi Mend und deren Witwer Gerhard, Ur-Urenkel des Schiffmeisters, Mühlsteinbruchbesitzers, und Ökonom Johann Evangelist Niedermayer aus Hinterhör, überlassen wurde. „Rechts und links an der Frontseite der Truhe befinden sich die Namen Jesus und Maria, in der Mitte erscheinen die gekreuzten Schiffshaken mit den Initialen J. und N.“, erörtert Joseph Reuder, ehemaliger Pfarrer und Vereinschronist. In der Truhe lagert ein Sterbebild von Joseph Niedermayer (gestorben 1857), fahrender Schiffmeistergeschäftsführer auf dem Inn. Scheinbar diente ihm die Truhe als Begleiter auf der nassen Strass für die Warenein- und -verkäufe. Ebenso könnte die Truhe seinem Bruder Johann Niedermayer V., Großgrundbesitzer mit einer Stärke- und Malzfabrik, Getreidelager und Schweinepalais in Hinterhör, gehört haben. „Die Truhe steht für ein Stück Geschichte, die nicht mehr eindeutig geklärt werden kann“, so Joseph Reuder.

Dass dringender Bedarf an einem zusätzlichen Archivierungsraum besteht – mit dem Anspruch allen sicherheitstechnischen Anforderungen gerecht zu werden – das beweisen die vielen Gaben, welche die ältere Generation bewahrt und dem Verein nun als kulturelles Erbe zur Verfügung stellt.

Deshalb stellte der Verein den Antrag an Bürgermeister und Gemeinderat, das Museum um einen leer stehenden Wohnraum in dem Gebäude zu erweitern. Denn seit Jahrzehnten konnte der Verein wertvolle Schriftstücke, Dokumente, Urkunden, 400 Jahre alte Bücher, Fachliteratur, Fotografien, Votivbilder, Gemälde, Gerätschaften, Gewänder zum Themenkomplex „Neubeuern und die Innnschifffahrt“ durch Schenkung oder Verkauf erwerben. „Diese für den Ort Neubeuern historisch sehr interessanten Archivalien lagern derzeit größtenteils in verschiedenen privaten Haushalten“, bedauert Konrad.

Deshalb sieht der Vorstand auch ein attraktives Ausstellungskonzept erstrebenswert, welches das Museum von einer „reinen Sammlung“ in einen geschichtsträchtigen Begegnungsort wandelt. Dort soll den Besuchern in Wechselausstellungen lebendig erzählt werden, wie Neubeuern zur „Perle des Inntals“ gewachsen ist. Dazu gehört auch das überlieferte Gwand aus Zeiten der Innschifffahrt und eine kosten- und personalbewusste Weiterentwicklung des bestehenden Standorts am Marktplatz.

„Eine wunderbare Idee, das Beurer Gwand mit der Innschifffahrt und dem Trachtenverein vereinen zu wollen“, resümierte schließlich Franz Steinkirchner und Monika Heibl ergänzte dazu: „Museumspädagogisch bieten sich viele Möglichkeiten an, die Geschichte Neubeuerns lebendig zu machen.“

Artikel 1 von 11