Stephanskirchen – Disziplinierung übers Portemonnaie oder Eigenverantwortung der Bürger? Eine Antwort auf diese Frage gibt es in der Gemeinde nicht. Beziehungsweise: keine umfassende Antwort. Denn für den ruhenden Verkehr gibt es jetzt eine Lösung, da kontrolliert bald der kommunale Zweckverband Südostbayern. Gerhard Kaiser von der Gemeindeverwaltung wartet fast täglich auf die Rückmeldung, dass es losgehen kann. Salzburger Straße und Post werden die Schwerpunkte sein. „Hoffentlich noch im März“ beginnen die Kontrollen.
Davon ist die Gemeinde beim fließenden Verkehr noch weit entfernt. 2008 wurde, auf Vorstoß der Verwaltung, „vorläufig für ein Jahr“ der kommunale Zweckverband beauftragt. Im April 2010 entschied der Gemeinderat mit 11:10 Stimmen gegen eine Mitgliedschaft. Ein Jahr später wurde der Beitritt zum Zweckverband nach einem Bürgerantrag mit 11:9 Stimmen erneut abgelehnt. Und 2015 wieder.
„Wir haben zwei Straßen, aus denen immer wieder Klagen kommen: Den Salinweg und die Wasserburger Straße“, sagt Bürgermeister Rainer Auer. Dort gebe es keine Unfallschwerpunkte wegen zu schnellen Fahrens „und es ist auch nicht so, dass dort mit 100 Sachen durchgeschossen wird. Aber für Anlieger mit Kindern ist manchmal auch Tempo 50 schon zu viel.“
Die 50 Kilometer pro Stunde würden zumindest in der nördlichen Wasserburger Straße auch weitestgehend eingehalten, so Kaiser, der in der Gemeindeverwaltung für dieses Thema zuständig ist. Und es gebe, das hätten die letzten Messungen gezeigt, mehr Autofahrer, die dort 25 oder 30 Kilometer pro Stunde fahren, als diejenigen, die mit 65 oder 70 Sachen durch die Siedlung heizen. Egal, ob das Messgerät zu sehen war oder nicht. „Wenn in allen Straßen, in denen 50 erlaubt ist, so gefahren würde, wäre ich sehr zufrieden.“
Er selber sei ein Befürworter der kommunalen Überwachung des fließenden Verkehrs, bestätigt der Bürgermeister. Denn die Alternative wären bauliche Maßnahmen, die einerseits möglicherweise den Verkehrsfluss hemmen und andererseits alle Autofahrer träfen, nicht nur die Raser. Da sei er schon eher für eine Disziplinierung über den Geldbeutel.
Das sieht Margit Sievi, die SPD-Fraktionssprecherin des Gemeinderates, durchaus ähnlich. Es gebe eben immer wieder Ausreißer nach oben, „die es einfach drauf ankommen lassen, denn sie wissen ja, dass nicht geblitzt wird.“ Ein paar Mal bezahlt, merkt man sich eher, wie schnell wo gefahren werden darf, findet sie.
Das Geld lieber in ein Eis investieren will Dr. Rolf-Jürgen Löffler von der CSU: „Sollen wir es nach Töging oder Tölz (Sitze der beiden regionalen Zweckverbände; Anmerkung der Redaktion) schicken, statt es hier auszugeben?“ Eigenverantwortung statt Reglementierung sei seine Devise.
Viele Stephanskirchner sehen das anders: Es gab einen Bürgerantrag, eine Unterschriftenliste mit etwa 1000 Unterzeichnern und in der letzten Bürgerversammlung auch wieder eine große Mehrheit für die Überwachung des fließenden Verkehrs. „Bei den ersten Probemessungen hat es vor allem die Unterzeichner der Liste erwischt“, sagt Löffler und fügt an: „Wir – meine Fraktion und die Bayernpartei – sehen überhaupt keinen Bedarf.“ Die Elf stimmen immer konsequent dagegen. Und haben bei 20 Gemeinderäten plus Bürgermeister damit die Mehrheit.
„Die Bevölkerung ändert sich, ist längst nicht mehr traditionell ländlich strukturiert“, findet Margit Sievi, die gespannt ist, ob und wie sich das bei der Kommunalwahl in gut einem Jahr bemerkbar macht. Ab 1.Mai 2020 hat Stephanskirchen, mittlerweile auf über 10000 Einwohner gewachsen, 24 Gemeinderäte.