Höslwang – „Mir lebm hier scho in oim der schönsten Fleckerl der Welt. Alloa der Blick vom Chiemsee in d’Berg – des is einfach a Traum.“ Wer jetzt glaubt, der Musiker Willi Eitel, der 2015 nach dem Tod seiner Frau Höslwang verlassen hatte, um in Texas ein neues Leben zu beginnen, wäre dabei, seine Rückkehr vorzubereiten, der irrt sich gewaltig. Denn er ist kein Auswanderer, den es reumütig nach Hause zurückzieht, das Lob ist eher so etwas wie das letzte Zugeständnis an die alte Heimat.
Denn ansonsten ist Deutschland dem Willi Eitel, besser bekannt als Sunshine Willi, etwas fremd geworden. Das merkt man, wenn er von den Ausflügen nach München erzählt, die er gerade hinter sich hat. Da verfällt er, weil das Erlebte ihn offenbar immer noch aufregt, bezeichnenderweise unvermittelt ins Englische: „I can’t stand it anymore“ sagt er, verbessert sich dann und sagt: „Ich kanns nicht mehr ab: diese Hektik, diese Enge und diese Unfreundlichkeit!“
Neues Zuhause
in Walburg
Um Sunshine Willis Gefühl der Enge richtig zu verstehen, muss man sich vor Augen halten, dass seine neue Heimat Texas doppelt so groß ist wie Deutschland, dabei aber mit 28 Millionen nur gut ein Drittel der Einwohner hat. Noch dazu lebt Sunshine Willi auf dem Land, in einer Gemeinde mit 80 Einwohnern. Womit wir beim nächsten Punkt sind, dem der Unfreundlichkeit, die Willi Eitel hier so auffällt. Denn kleine Gemeinden sind nicht selten kleine Welten für sich, in die man als Fremder nicht leicht hineinfindet. Nicht so in dem kleinen texanischen Städtchen Walburg. „Dort wurde ich von Anfang an ganz selbstverständlich aufgenommen“, erzählt Willi, „in Höslwang war ich auch nach 30 Jahren immer noch der Münchner, a Zuagroaster“.
Ganz allgemein seien die Menschen jenseits des großen Teiches viel freundlicher als hier.
Dabei ist Willi Eitel keiner, der alles Amerikanische von vornherein verklärt. Er sagt sehr wohl, dass die Freundlichkeit dort oft, aber eben nicht immer aus tiefstem Herzen kommt, sondern vielfach einfach Konvention, die übliche Art des Umgangs ist. Aber was ist falsch daran, fragt er, wenn man auf der Straße freundlich gegrüßt und gefragt wird, ob man einen guten Tag hatte, während man hier mit Glück ein hingemuffeltes „Servas“ bekommt?
Überhaupt wundert sich Willi Eitel darüber, dass sich hier bei jedem Gespräch, bei dem mehrere beieinander sind, mindestens einer oder zwei finden, die kein gutes Haar an Amerika lassen, während Amerikaner nie schlecht über Deutschland reden würden. Zugegeben wissen die Amerikaner nicht viel über Deutschland, für sie, so Willi, besteht das Deutschlandbild nach wie vor oft nur aus Klischees wie Masskrug, Dirndl, Lederhosen und Wadlstrümpfen, aber, so fragt er: „Wissen wir in Deutschland wirklich mehr über Amerika?“
Und natürlich kommt das Gespräch in diesem Zusammenhang auf den amerikanischen Präsidenten Trump, und auf das Unverständnis hierzulande, wie man so einen Mann nur wählen konnte. Für Willi Eitel ist das nicht schwer zu verstehen, es weiß in Deutschland nur keiner, so erklärt er, wie verhasst Trumps Gegenkandidatin Hillary Clinton in vielen Bevölkerungsschichten wirklich war. „Die Menschen dort hatten das Gefühl, im Grunde nur zwischen Pest und Cholera wählen zu können und bei Trump hatten sie noch die Hoffnung, er könnte mit seinem Amt wachsen, vielleicht sogar verborgene Qualitäten entwickeln, während sie Hillary durch und durch zu kennen glaubten und hier keinerlei Optimismus hatten.“ Vor diesem Hintergrund ist er auch sicher, dass Trump nicht wiedergewählt wird, wenn es gelingt, einen auch nur halbwegs überzeugenden Gegenkandidaten aufzustellen. „Natürlich gibt’s einen harten Kern der Trump-Anhänger, die ihm selbst seine Grenzmauer abkaufen, die alle anderen für bullshit halten. Aber die Trump-Leute allein seien nicht wahlentscheidend, glaubt er. „Wenn es zum Beispiel Stacey Abrams zur Kandidatur schaffen würde, dann wäre die Wahl für sie ein Selbstläufer.“ Dass aber die Menschen in Scharen einem Kandidaten zulaufen würden, der nicht nur eine Frau, sondern auch noch eine schwarze Frau ist, widerspricht so ganz dem Klischee, das man vom als konservativ bekannten Texas hat. Manches sei in Wahrheit eben anders, als es von außen aussieht, meint er und bringt als weiteres Beispiel das in Deutschland als eher seltsam empfundene Bild, wenn Amerikaner bei der Nationalhymne aufstehen und die Hand aufs Herz legen. „Man muss das miterlebt haben, nur dann kann man es verstehen“, sagt er. „Das ist weder aufgesetzt, noch ist es übertriebener Patriotismus. Um den geht’s eigentlich gar nicht. Was man da empfindet, ist ein tiefes Gefühl der Zusammengehörigkeit und des Stolzes, dazugehören zu dürfen. Da steckt, gerade in Texas, noch was vom alten Pioniergeist drin.“
Zu Besuch
bei Freunden
Ganz dazugehören wird möglicherweise auch bald Willi Eitel, denn er wird wohl demnächst amerikanischer Staatsbürger werden. Wobei sich damit nur auf dem Papier etwas ändern wird, wie er sagt. Denn als „bayerischer Amerikaner“ anerkannt ist er, der mit einem texanischen Freund in Walburg ein „bayerisches Wirtshaus“ mit großem Biergarten betreibt, schon längst und nicht nur da auch als Musiker bekannt. Mit der Staatsbürgerschaft entfällt die Notwendigkeit, einmal im Jahr nach Deutschland kommen zu müssen, um hier sein Künstlervisum erneuern zu lassen. Was nicht heißt, dass er nicht auch in Zukunft immer wieder mal kommen wird – der Freunde, der Musik und auch der Landschaft wegen. Aber eben nur zu Besuch – und ohne jedes Heimweh.