Nußdorf – Das Ding ist aus Holz, hat einen spitzen Schnabel aus Metall und ist von Größe als auch vom Aussehen einem Vogel nachempfunden. Es ist wie ein Pendel an einer Kette aufgehängt. Der Schütze steht auf einem Podest und zielt von dort aus auf eine gegenüberliegende Zielscheibe.
Wenn er jetzt alles richtig gemacht hat, dann trifft der Schütze mit der „Taube“ voll ins Schwarze.
Wie die Taube zu ihrem Namen kam
Hat sie deswegen diesen Namen erhalten? „Vermutlich ja“, sagt Christa Grandauer. Sie muss es wissen, denn sie hat vor 30 Jahren das Taubenschießen und damit auch die jährlich stattfindende „Weltmeisterschaft“ im Taubenschießen nach Nußdorf geholt.
Um immer wieder aufkommenden Missverständnissen sofort entgegenzutreten erklärt Evi Oberauer: „Geschossen wird natürlich nicht etwa auf Stadttauben, Ringeltauben oder gar Turteltauben, sondern geschossen wird ‚mit‘ der hölzernen Taube“.
Übrigens eine sehr umweltfreundliche Sportart ohne Rückstände von Pulverdampf oder Geschossen.
Erst kürzlich wurde wieder ein Wettbewerb in dieser seltenen Sportart durchgeführt und so steht nun der neue Weltmeister fest: Es sind die Taubenschützen aus Nußdorf.
Weltmeister in der Einzelwertung wurde der Nußdorfer Rainer Brandl und auch in der Mannschaftswertung setzten sich ebenfalls die Nußdorfer Schützen an die erste Stelle. Den Titel des Vizeweltmeisters durfte die Mannschaft aus Altaussee mit nach Hause ins Salzkammergut nehmen.
Damit endet kurioserweise auch schon die Siegertabelle und mit ihr ebenfalls die Teilnehmerliste. „Es sind uns derzeit nur zwei Vereine bekannt, die diesen Sport betreiben – weltweit“, bemerkt Christa Grandauer. „Daher kann man mit Fug und Recht von einer Weltmeisterschaft sprechen, die jährlich stattfindet. Einmal in Altaussee und einmal in Nußdorf und stets immer beim Schneiderwirt“, sagt sie und kommt gleich auf die nächste Kuriosität und schließlich auf die Geschichte des Sports zu sprechen.
Wie die Taube nach Nußdorf kam
Bei einem Ausflug vor rund 40 Jahren ins Altausseer Land traute die ehemalige Nußdorfer Schneiderwirtin ihren eigenen Augen nicht, als sie vor einer Gastwirtschaft mit dem Namen „Schneiderwirt“ stand. Für sie Grund genug zu einer Einkehr. Dabei machte sie nicht nur Bekanntschaft mit der heimischen Gastronomie, sondern auch mit den Altausseer Taubenschützen.
Beides war ihr wohl angetan und so brachte sie kurzer Hand diese Sportart mit nach Nußdorf, wo man fortan nun auch das Schießen mit der Taube pflegte. Ein Verein wurde gegründet und seither gibt es weltweit derzeit zwei Taubenschützenvereine und die treffen sich regelmäßig, halt eben zu ihrer ureigenen Weltmeisterschaft und stets beim Schneiderwirt.
Ob es diesen Sport im Inntal früher auch schon einmal gab, wissen die Schützen nicht so genau. Nachdem jedoch der ehemalige Vorstand Anton Oberauer vor einigen Jahren auf dem Speicher eines alten Bauernhauses ebenfalls eine hölzerne Taube ähnlicher Bauart entdeckt hatte, deren Alter man auf etwa 150 Jahre schätzt, kann davon ausgegangen werden, dass es vielleicht auch in unserer Region vor grauer Urzeit einst Taubenschützen gab.
Gleich wie, die Schützen haben Spaß an ihrem Sport, der sich in den jeweiligen Orten großer Beliebtheit erfreut, denn sie treten immer mit recht großen Mannschaftsstärken gegeneinander an und pflegen bis heute Freundschaft und Verbundenheit.
Christa Grandauer, die in Nußdorf zu Recht als Initiatorin des Taubenschießens gilt, wurde vom Vorsitzenden der Nußdorfer Taubenschützen, Günter Bendler, mit einer Ehrennadel ausgezeichnet, auch die anderen Taubenschützen der ersten Stunde erhielten ein kleines Geschenk.
Wie die UNESCO
zur Taube steht
Wer die Schützen aktiv sehen will, der sucht sie derzeit übrigens vergebens. Die Jahreszeit für ihren Sport ist das Winterhalbjahr von Kirta-Montag bis Ostern.
Dass dieser Volkssport weltweit eine hohe Anerkennung findet, wurde sogar im Jahr 2016 von der UNESCO bekräftigt, als das Taubenschießen in Altaussee in das österreichische Verzeichnis des immateriellen Kulturerbes aufgenommen wurde.