Nicht mit mir!

von Redaktion

„Lassen Sie mich in Ruhe!“ schallt eine Kinderstimme durch die Turnhalle. Das zur Stimme gehörende Mädchen steht mit leicht gespreizten Beinen und herausvorderndem Blick vor Katja Herzog. Die ist zufrieden: Lektion gelernt.

Neubeuern – Zehn Mädchen und sechs Buben der Grundschulklasse 4b an der Hohenauschule Neubeuern absolvierten einen Selbstbehauptungs- und -verteidigungskurs des Vereins Ju-Jutsu Rosenheim unter Leitung von Trainerin Katja Herzog. „Gerade vor dem Übertritt in eine weiterführende Schule ist es aufgrund der wechselnden Umgebung wichtig, dass Kinder ihr Selbstbewusstsein stärken und lernen, entschieden Nein zu sagen“, erklärt Klassenlehrerin und Kursorganisatorin Waltraud Fritsche.

Gefahren erkennen, schnell reagieren

In drei Blöcken mit je drei Stunden Aufklärung und Übungen erfuhren die Schüler Gefahrensituationen frühzeitig zu erkennen und gezielt darauf zu reagieren. Dies betraf die Einleitung zu Missbrauchsdelikten, Kindesentführung auf dem Schulweg und körperlichen Angriffen von Jugendlichen und Erwachsenen.

Verhaltensregeln in nachgestellten Rollenspielen umzusetzen, begleitet vom kräftigen Einsatz der Stimme, vertieften das Bewusstsein, sich gegenüber Fremden in unterschiedlichen Szenarien gezielt zur Wehr setzen zu können.

Dabei gehörte zu den bedeutendsten Signalen, dem Gegenüber zu zeigen, dass er es nicht mit einem schüchtern ergebenen Opfer zu tun hat. „Stopp, lassen Sie mich in Ruhe!“, schrien die Kinder, während sie sich im stabilen Stand der Abwehrtechnik mit Blickkontakt zuwandten. „Den Aufdringling mit Sie anzusprechen ist wichtig, um auch den Passanten mitzuteilen, dass es ernst ist und sich nicht um ein spielerisches Geplänkel im Familienkreis handelt“ vermittelt die Trainerin, und Waltraud Fritsche fügt hinzu: „Wenn Kindern das Schreien im Ernstfall nicht beigebracht wurde, verfallen sie oftmals in eine lautlose Schockstarre“. Auch das Zuschlagen in Notwehr übte Katja Herzog.

Den Täter genau beschreiben lernen

Der Schlag mit Tigerkralle auf die Nase trifft einen sensiblen Körperteil und verursacht tränende Augen, ebenso schmerzhaft ist der Hieb in die Weichteile, gegen Knie und Schienbein und der Tritt auf den Fuß. Das bedingte Innehalten des Angreifers muss zur Flucht in „Rettungsinseln“ genutzt werden. Gemeint sind öffentlich frequentierte Gebäude, wie anliegende Ladengeschäfte, gut besuchte Spielplätze, Gaststätten, oder Ähnliches. Notfalls in die Grillparty der Nachbarn platzen. Geschult wurden die Kinder zudem bezüglich der Täterbeschreibung und damit auf das Achten individueller Körpermerkmale, Sprache und Kleidung, um der Polizei dann entscheidende Hinweise geben zu können.

Auch der spontane Kontakt im Ernstfall zu den Eltern muss gewährleistet sein über die Kenntnis der Telefonnummer. „Mit den Eltern solltet ihr ein Codewort vereinbaren, damit Euch niemand in ein Auto locken kann.

Denn die Vortäuschung falscher Tatsachen, wie ‚Deine Mutter hatte einen Autounfall und ich soll Dich zu ihr ins Krankenhaus bringen‘ ist schwer zu durchschauen“, so beschreibt die Mentorin präventive Vorsichtsmaßnahmen und ergänzt „haltet ausreichend Abstand zu fremden Autos und deren Fahrern und lasst Euch nicht durch Versprechen oder Geschenke zum Einsteigen verführen“.

Kindesmissbrauch im engen Umfeld

Dass Kindesmissbrauch überwiegend im engen Umfeld festzustellen ist, berichtet die Klassenlehrerin und sensibilisiert für Körperkontakte, die unangenehm und ungewollt sind. „Euer Körper ist Euer persönlicher Garten. Nur Ihr bestimmt, wer hineindarf.

Wenn Ihr enge Umarmung nicht mögt oder Ihr nicht auf dem Schoß eines Erwachsenen sitzen wollt, sagt demjenigen oder Euren Eltern Bescheid. Ekel auslösende Körperberührungen sind keine guten Geheimnisse“.

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