Wiesn-Express auf dem Abstellgleis

von Redaktion

Aus und vorbei, der Wiesn-Express ist ausgebremst. 15 Jahre lang fuhr er von Rohrdorf nach Rosenheim. Und vor allem auch zurück. Nun zog das Eisenbahnbundesamt die Notbremse. Seine verschärften Bedingungen sind für die Hobby-Bahner nicht zu erfüllen.

Rohrdorf – Seit 2004 befördert alljährlich der Wiesn-Express seine Fahrgäste sicher und pünktlich von Rohrdorf nach Rosenheim zum Herbstfest und zurück, wurde damit zu einem seiner Botschafter. Mit ihm ließen sich Miss Herbstfest, Ehrengäste und über die Jahre verteilt tausende von Fahrgästen chauffieren. Nun kam das Aus. Grund sind strengere Vorschriften seitens des Eisenbahn-Bundesamtes (EBA).

Letzte Heimfahrt

um 23.45 Uhr

Viele Rohrdorfer nutzten seit rund 15 Jahren die Möglichkeit, mit dem Wiesn-Express das Rosenheimer Herbstfest zu besuchen. Zwei Wochen lang brachte der Express zur Mittags- und Abendzeit seine Fahrgäste nach Rosenheim. Die letzte Rückfahrtmöglichkeit war gegen 23.45 Uhr. Eingesetzt wurden ein Waggon aus dem Jahr 1958 und eine fast ebenso alte Diesellok vom Typ V 60. Eine Kombination, die auch immer wieder Eisenbahnfreunde aus der Region angezogen hatte. Initiator und „gute Seele“ des Wiesn-Expresses ist Helmut Wiesböck, der seit 16 Jahren einen Eisenbahnlogistikbetrieb in Kiefersfelden unterhält.

Das Aus kam per Pressemitteilung

Das Aus: eine Pressemeldung des EBA vom 4.Oktober 2018. Demnach ist keine geschäftsmäßige Weitergabe von Sicherheitsbescheinigungen (SiBe) anderer Unternehmen mehr möglich. Dieser allerdings bediente sich Helmut Wiesböck, wenn es um den Betrieb des Expresses ging. Ein befreundeter Betrieb half ihm damit aus. „Um in den Besitz solch einer SiBe zu gelangen, wären Investitionen von rund 100000 Euro in den Express notwendig. Dieser Betrag steht in keinem Verhältnis zum alljährlichen Wiesnbetrieb, der ja nur wenige Tage im Jahr stattfindet“, erklärt Wiesböck.

Fahrkartenverkauf allein reicht nicht

Im Gegenteil: der Betrieb sei nur mit Unterstützung von Sponsoren möglich. Durch den Erlös aus dem Fahrkartenverkauf allein könne der Wiesn-Express nicht finanziert werden. Dabei liegt es nicht an der Bahnstrecke, auf der täglich schwere Güterzüge das Zementwerk beliefern.

Auch die Wagen und das Personal seien fit für den Wiesn-Einsatz, sagt Wiesböck. „Erst Ende letzten Jahres haben wir rund 80000 Euro in die beiden Fahrzeuge gesteckt und sie mit Erfolg einer Hauptuntersuchung unterzogen. Auch das Lok-Personal ist qualifiziert. Zu ihnen gehört unter anderem ein Lokomotiv-Ausbilder der DB, der in seiner Freizeit gerne einmal einen ‚Oldie‘ fahren möchte.“

Nach Ansicht des EBA darf jedoch keine Umkehr des Dienstleistungsverhältnisses stattfinden: „Dies betrifft die sachrichtige Konstellation von Dienstleistungsverhältnissen beim Eisenbahnverkehrsunternehmen (EVU). Bei EVU des Personen- und Güterverkehrs dürfen keine Vertragsabsprachen mit einem anderen Unternehmen bestehen, die dazu dienen, diesem anderen die Mitbenutzung der Sicherheitsbescheinigung oder Genehmigung zum Zwecke des Erbringens von Verkehrsleistungen ohne eigene Behördenerlaubnisse zu ermöglichen.“

SiBe darf nicht mehr übertragen werden

Vereinfacht ausgedrückt: Unzulässig sind insbesondere Konstellationen, in denen ein EVU mit SiBe ein anderes EVU oder einen Dritten „gegen Geld auf seine SiBe“ am Eisenbahnverkehr teilnehmen lässt. In solchen Konstellationen erbringen diese EVU oder Dritte keine Teilleistungen für das EVU mit SiBe, sondern nehmen für ihren eigenen unternehmerischen Zweck und mit eigener Gewinnerzielungsabsicht unter Umgehung der gesetzlichen Anforderungen weitgehend eigenständig am Eisenbahnverkehr teil“ (Auszug aus der Mitteilung des EBA).

Allerdings wehrt sich Wiesböck gegen die Feststellung einer „Gewinnerzielungsabsicht“: Er begleicht trotz Sponsorengeld fehlende Beträge seit Jahren aus eigener Tasche. „Mir geht es nicht um Gewinn, sondern darum, der Bevölkerung einen sorgenfreien Wiesn-Besuch zu ermöglichen, Verantwortung gegenüber der Gesellschaft zu übernehmen und einfach gesagt, weil es mir selber sehr viel Spaß und Freude bereitet einmal im Jahr so einen Verkehrsbetrieb zu organisieren. Das war es mir immer wert.“

EBA droht

harte Strafen an

Das ist dem EBA egal. Das Bundesamt weist darauf hin, dass für Unternehmen, die diese Praxis weiter fortführen, rechtliche Konsequenzen bis hin zum Entzug der Sicherheitsbescheinigung drohen. Das Erbringen von Eisenbahnverkehrsdiensten ohne entsprechende eigene Genehmigung oder ohne eine SiBe für die jeweiligen Netze ist unzulässig und eine Ordnungswidrigkeit, die mit Bußgeldern von bis zu 50000 Euro pro Verstoß geahndet werden kann. Eine Androhung, der sich niemand aussetzen will.

Treffen wird diese Verordnung auch andere kleinere Eisenbahnverkehre wie Museumseisenbahnen, die von der bisherigen Verfahrensweise profitiert haben.

Entsetzen auch bei den Sponsoren, die sich gerne für den Betrieb verwendet haben. Erst im letzten Jahr wurde der Waggon mit einer neuen Lackierung versehen. Der Hauptsponsor möchte in diesem Jahr den Waggon wenigstens am Rosenheimer Bahnhof präsentieren und dazu nutzen, besondere Veranstaltungen zu organisieren und Gäste begrüßen und bewirten zu können. Er soll auf einem Gleis nahe der Bahnhofshalle abgestellt werden.

Eigens organisierte Busfahrten als Ersatz?

Aufgrund der schlechten Busverbindungen stehen nicht nur die Wiesn-Besucher, sondern auch die Gemeinde nun vor einem Problem. Derzeit werden organisierte Busfahrten als Ersatz geprüft.

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