Rohrdorf – Wer den Ruf hört „Schatz, könntest Du bitte mal wieder staubsaugen?!“, kann sich wahrscheinlich nicht vorstellen, dass diese Tätigkeit einmal Gegenstand größerer Partys war. Und denkt in dem Moment ganz sicher auch nicht an das Bauernhofmuseum in Rohrdorf. Und doch besteht da zwischen allem ein gewisser Zusammenhang. Aber der Reihe nach.
Als die ersten Staubsauger in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts erfunden wurden, waren sie mehr Showgeräte als wirkliche Haushaltshilfsmittel: Es waren voluminöse Apparate, die immer von mindestens zwei Personen bedient werden mussten, egal, auf welche Staubentfernungsmethode man setzte.
Mit Muskelkraft gegen den Staub
Denn da gab es am Anfang zwei unterschiedliche Ansätze. Beim einen erzeugte man simplen Luftdruck, mit dem der Staub dort, wo er störte, weggeblasen wurde. Der andere versuchte bereits, ihn durch aufwendigere Technik und Unterdruck einzufangen. Immer aber waren mindestens zwei Personen notwendig: eine, die mit Muskelkraft den Druck beziehungsweise den Unterdruck erzeugte, und eine andere, die den Schlauch dorthin hielt, wo etwas wegzublasen beziehungsweise aufzusaugen war. Beide Methoden aber waren nicht besonders überzeugend, vor allem die Staubbläser lösten das Problem nur sehr begrenzt. Der Staub war ja nicht wirklich weg – er war jetzt nur woanders.
Das Ganze wurde auch nicht viel besser, als man anfing, die Geräte zu motorisieren, denn das ging zunächst nur über die unlängst erfundenen Benzinmotoren. Die aber waren laut und geruchsintensiv und vor allem: Sie machten die Geräte noch größer, als sie bislang eh schon waren. Viel größer. So groß, dass sie nur mit Pferdefuhrwerken transportiert werden konnten. Ergebnis: Der Staubbläser stand vor dem Haus, daran Schläuche, die man durch die Fenster in die Zimmer führte.
Es soll ein englischer Ingenieur namens Booth gewesen sein, der in den letzten Jahren des 18. Jahrhunderts gleich zwei gute Ideen auf einmal hatte. Erstens setzte er konsequent auf Saugen statt Blasen und zweitens erkannte er, dass der Aufwand, der zu betreiben war, viel weniger störte, wenn man ihn von vornherein gleich zum Event erhob.
Die Angestellten seiner Reinigungsfirma „British Vacuum Cleaner Company“ sollen schicke Uniformen getragen haben und ihre Einsätze sollen mit der Veranstaltung von „Tea-parties“ verbunden gewesen sein. Schließlich war man damals durchaus fortschrittsverliebt und mit dem Ereignis ließ sich den noblen Partygästen zeigen, dass man in Sachen Technik ganz vorne mit dabei war. Dass im Grunde die Aufgabe von einem oder zwei feudelnden Dienstmädchen viel schneller und besser erledigt worden wäre, war dann wohl eher Nebensache. Sein Prinzip aber hielt sich lang, vor allem als er dazu überging, die Saugschläuche in den Häusern fest zu verbauen und den Motor in den Keller zu setzen. Erst die Verbreitung der Elektrizität in der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg machte den Staubsauger effektiv, klein und leicht und verhalf ihm so allmählich zu größerer Verbreitung.
Rätsel beginnt
sich zu lichten
Szenenwechsel nach Rohrdorf ins Bauernhausmuseum. Auch dort steht ein Staubsauger, ein offensichtlich uraltes und handbetriebenes Teil, dessen Funktion man erst auf den dritten Blick erkennt. Und sich dann mit Recht fragt, was es dort zu suchen hat. Schließlich wäre die Antwort jedes Bauern auf die Frage der Bäuerin, ob man sich nicht einen Staubsauger anschaffen könnte, nur ein fassungsloses „Spinnst jetzt?“ gewesen. Vorausgesetzt, er hätte überhaupt gewusst, wovon seine Gattin spricht. Und das wohl durchaus noch in den Fünfzigern und Sechzigern, als die Geräte langsam zum alltäglichen Gebrauchsgegenstand wurden. Aber zunächst eher in den Städten und nicht auf dem Land.
Das Rätsel beginnt sich etwas zu lichten, wenn man weiß, dass Museumsgründer Peter Reisner das Gerät 1985 als landwirtschaftliche Gerätschaft erwarb. Als Vorrichtung, mit der man, so die Erzählung des alten, unverheirateten Bauern, der ihm das Ding überließ, in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg Kartoffelkäfergift verblasen habe. Auf die Erkenntnis, dass es sich dabei eigentlich um ein Gerät zur Staubentfernung handelte, sei er, so Reisner, erst durch eine Fernsehsendung gekommen, in der ein ähnliches Modell zu sehen war. „Leider ist das auch schon etliche Jahre her und ich hatte zu spät eingeschaltet und daher nicht mehr mitbekommen, wann, wo und von wem diese Geräte hergestellt wurden.“
Immerhin kann man davon ausgehen, dass das Gerät ursprünglich als echter Sauger ausgelegt war und erst später zum Bläser umgebaut wurde. Schließlich ist da ja die Auffangvorrichtung, die dem Aussehen nach sicher schon ursprünglich vorhanden war und später dann einfach als Behältnis für das Kartoffelkäfergift diente. Von dem fand sich, als man das Gerät für das Bauernhofmuseum aufbereitete, glücklicherweise nichts mehr, dafür eine ganze Menge an Konfettis: Offenbar gab es in der Lebensgeschichte des Staubsaugers noch eine weitere Karrierestation als Konfettiwurfmaschine bei Faschingsumzügen. Mehr über den Ursprung herauszubekommen, ist aber selbst übers Internet, mit dem man sonst mittlerweile ja fast alles findet, schwierig. Immerhin so viel: Eine annähernd vergleichbare Konstruktion hat das Technikmuseum in Wien und eine Nachfrage dort ergab, dass man auch die Herstellungszeit des Rohrdorfer Geräts wegen des Handbetriebs um die Jahrhundertwende oder kurz davor legen würde.
Angeschafft vermutlich als Statussymbol von irgendeinem großbürgerlichen Haushalt. Wie es von dort letztlich zu dem Bauernhof kam, ist leider nicht mehr herauszubekommen. Eins aber steht zweifelsfrei fest: In Rohrdorf kann man sich auf jeden Fall rühmen, mit Sicherheit das einzige Bauernhausmuseum in ganz Europa zu sein, das einen staubsaugenden Kartoffelkäfergiftbläser hat, der im Bedarfsfall auch noch als Konfettiwurfmaschine dienen könnte.