Von Mensch zu Mensch

von Redaktion

Sozialwerk Stephanskirchen feiert 50-jähriges Bestehen

Stephanskirchen – Seinen 50-jährigen Geburtstag feierte das Sozialwerk Stephanskirchen am vergangenen Wochenende in einer Festveranstaltung. 50 Jahre: Das sagt sich leicht dahin, und ist doch eine gewaltige Zeitspanne. Die einem vielleicht erst dann bewusst wird, wenn man sich klar macht, dass das Gründungsjahr 69 auch das der Mondlandung war. Oder noch deutlicher: Dass diejenigen, die bei der Gründung so alt waren, dass sie sie bewusst erfassen hätten können, jetzt kurz vor der Rente stehen. Was auch bedeutet, dass es nur noch eine einzige Person gibt, die damals als Gründungsmitglied dabei war und heute davon erzählen kann: Irmela Mayer-Ultsch. Sie, die heute 89 ist, tut das dafür mit geradezu jugendlichem Schwung.

Anlaufstelle für Probleme aller Art

Im Stephanskirchener Ortsteil Haidholzen, so berichtet sie, hatten nach dem Krieg rund 1500 Flüchtlinge Zuflucht gefunden, es war damit ein neuer Ortsteil ohne gewachsene Struktur, also auch ohne das, was man in alten Orten an selbstverständlicher Nachbarschaftshilfe gewohnt war. Sodass es dort, wenn in einzelnen Familien Not am Mann war, wirklich brannte, ein Umstand, für den eine Gruppe von Leuten nach Abhilfe suchte. Es war dies im Wesentlichen der Freundeskreis um das Ehepaar Hannelore und Manfred Warkentin, das damals eine Art Anlaufstelle für Probleme aller Art gewesen sein muss.

Um die Hilfe auf professionellere Füße zu stellen, das war dieser kleinen Gruppe klar, wäre es sinnvoll, eine feste Hilfskraft einzustellen, eine Gemeindeschwester, wie man das damals nannte. Die musste allerdings finanziert werden und die Lösung für dieses Problem war die Gründung eines Vereins. Am 14. Juli 1969 war die erste Versammlung und damit die Geburtsstunde des Sozialwerks, im November 1969 konnte Schwester Hermine Wagner ihre Arbeit aufnehmen. Wobei sich dann, als diese feste Stelle erst mal existierte, schnell herausstellte, wie groß der Bedarf dafür tatsächlich gewesen war. Und dies nicht nur im Bereich der Familienhilfe, wenn etwa eine Mutter krank wurde und damit der Familie bei der damaligen Gesellschaftsstruktur Mittelpunkt und Organisatorin fehlte. Sondern schon früh auch bei der Hilfe für ältere Menschen, denen gerade in Haidholzen, der ehemaligen Flüchtlingssiedlung, das sonst dafür vorhandene größere familiäre Umfeld nicht selten fehlte.

Direkter und individueller Bezug

Man muss diese Vorgeschichte kennen, um zu verstehen, warum sich das Sozialwerk heute noch durch eines besonders auszeichnet. Durch einen wirklich direkten und individuellen Bezug zu demjenigen, den man gerade betreut. Und das ist kein Satz, wie man ihn freundlicherweise halt so sagt, wenn eine Sozialorganisation ein Jubiläum feiert, sondern er ist begründbar: Denn die Geschicke des Sozialwerks als Verein lenkten über die vergangenen 50 Jahre hinweg im Grunde nur zwei Vorsitzende – bis 1990 Manfred Warkentin und seither Dr. Andreas Daxer. Diese Kontinuität ist ein wesentlicher Grund dafür, dass vom Ursprungsgeist, der unmittelbaren Hilfe von Mensch zu Mensch noch viel erhalten ist, auch wenn die Zahl der fest angestellten Mitarbeiter seither auf rund dreißig Personen wuchs.

Wobei es heutzutage nicht einfach ist, das Bemühen individueller und damit menschlicher und fürsorglicher Betreuung hochzuhalten, wie Pflegedienstleiterin Mechthild Unterseher bei der Festveranstaltung einräumte. Denn das kostet Zeit und Zeit ist mittlerweile ein äußerst rares Gut. Weshalb man beim Sozialwerk manche Hilfestellung gewissermaßen einfach „auslagert“.

Beratungsgespräche für die Angehörigen pflegebedürftiger Personen werden gesondert und damit außerhalb der Abrechnung mit den Krankenkassen, also vom Verein finanziert, angeboten. Gerade wenn ältere Menschen in die Demenz abzugleiten beginnen, sind die Angehörigen oftmals überfordert, sie wissen die Veränderungen ihres Familienmitgliedes nicht einzuschätzen, haben keine Vorstellung, wie darauf zu reagieren wäre. Hier, aber auch bei normaler, rein altersbedingter Pflegebedürftigkeit, kann professioneller Rat in einem persönlichen Gespräch viel Klarheit schaffen und damit auch viel von der manchmal aufkommenden Verzweiflung der Angehörigen auflösen.

Ums Auflösen, beziehungsweise „nicht so schnell aufkommen lassen“ geht es auch beim zweiten Standbein des Sozialwerks, dem Seniorenclub. Zahlreiche Veranstaltungen bieten älteren Menschen Abwechslung.

Irmela Maier-Ultzsch, die von 1994 an bis vor einem Jahr das Gedächtnistraining des Seniorenclubs leitete, nachdem sie zuvor 25 Jahre lang die Finanzen des Vereins verwaltet hatte, ist dafür selbst ein hervorragendes Beispiel: Sie war und ist mit ihrer körperlichen Frische und ihrer geistigen Präsenz für „ihr“ Gedächtnistraining gewissermaßen die beste „Reklameläuferin“.

Und damit auch ein Aushängeschild für die zahlreichen anderen ehrenamtlichen Mitarbeiter des Sozialwerks, ohne die der Seniorenclub nicht möglich wäre.

Grund genug für Bürgermeister Rainer Auer, das Sozialwerk bei der Geburtstagsfeier als „die wichtigste Bürgerinitiative in Stephanskirchen“ zu würdigen. Die stellvertretende Landrätin Marianne Loferer wurde noch eindringlicher: „Die Mitarbeiter des Sozialwerks – egal ob ehrenamtlich oder fest angestellt – erweisen sich für ihre Mitmenschen nicht nur als Helfer, sondern nicht selten auch als Freunde und Vertraute, kurz als wahre Engel“.

Vielleicht für die eine oder den anderen sogar ein Anlass, wenn schon nicht zu den ehrenamtlichen Helfern, dann doch zu den rund 900 Vereinsmitgliedern dazuzustoßen.

Denn viel von dem sozialen Engagement des Sozialwerks gerade auch im Bereich des Seniorenclubs ist nur dank der Mitgliedsbeiträge möglich, diese also ein Teil eines wirklich Früchte tragenden Generationenvertrags.

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