Bad Endorf – Lautes Gebell erfüllt den Wohnzimmerraum der Familie Kriechbaumer. Drei Australian Sheperds springen erwartungsvoll auf und ab. Die Hunde wissen: Jetzt geht es noch einmal raus an die frische Luft. Genauer gesagt: zum Rettungshunde-Training.
Die 20-Jährige Alexandra Kriechbaumer aus Bad Endorf hat ein besonderes Hobby. Seit rund eineinhalb Jahren hat sie mit ihrem Hund Toby trainiert, um Menschen in Notlagen zu finden. Seit sie ihre Prüfung in Göppingen abgelegt hat, darf sie sich als jüngste Rettungshundeführerin der Johanniter in Bayern betiteln. Auch ihre Eltern sind Mitglieder des Vereins.
Heutiger Übungsort: eine Kiesgrube in Stefanskirchen. Trainiert wird zweimal die Woche. Einmal tagsüber und einmal abends – und das bei jeder Witterung. Da heißt es Zähne zusammenbeißen, erklärt Alexandras Mutter Sabine.
Mit Taschenlampe und
Babypuder bewaffnet
In der Kiesgruppe warten schon weitere Teammitglieder mit ihren Vierbeinern auf den Startschuss für die Einsatzübung.. Als „Versteckpersonen“ haben sich Sonja und Susanne, ebenfalls Mitglieder der Johanniter, bereit erklärt.
Alexandra Kriechbaumer ist gleich zu Beginn an der Reihe: Mit Taschenlampe und Babypuder bewaffnet schreitet sie in die Dunkelheit. Was es mit dem Puder auf sich hat? „Das wird in den Wind gestreut“ erklärt die Bad Endorferin. Dadurch kann sie feststellen, wie der Wind weht und wie sie ihren Hund leiten muss. „Die Hunde gehen in den Hochwind.“
Das bedeutet: Die Vierbeiner schnüffeln nicht am Boden, sondern gehen mit ihrer Nase in die Luft und suchen nach einem menschlichen Geruch. Deshalb sei es extrem wichtig, dass der Hundeführer die Richtung vorgibt, und die bereits abgesuchten Bereiche abgrenzt.
Toby ist indes schon am Schnüffeln. Lauscht, blickt um sich, und beginnt zu suchen. Immer schneller läuft der Australian Shepherd durch die Dunkelheit. Einige Zeit sieht man ihn gar nicht mehr. Stille. Und dann: Gebell. Die Truppe folgt der Meldung. Die Suche war erfolgreich. In einem Karren hat Tobi die verletzte Person alias Susanne entdeckt. Jetzt warten Streicheleinheiten und Leckerlis als Belohnung auf den Vierbeiner.
Die Johanniter-Rettungshundestaffeln sind an 365 Tagen im Jahr rund um die Uhr im Einsatz. In Zusammenarbeit mit der Polizei und den Feuerwehren betreiben sie mit geprüften Rettungshundeteams die Personensuche nach Vermissten. Und all das machen die Mitglieder ehrenamtlich in ihrer Freizeit. Von ihrer Prüfung als Rettungshundeführerin berichtet Alexandra Kriechbaumer ganz detailliert. „Richtig nervös“ ist sie gewesen, denn: Bei der Prüfung fallen jedes Mal etwa 60 Prozent durch. Was erwartet Hund und Hundeführer bei einer Rettungsprüfung? Zuerst musste sie einen schriftlichen Teil ablegen, erklärt die 20-Jährige. Dann erfolgte die sogenannte Kompassarbeit. Dabei müsse man lernen, wie man sich im Wald mit einem Kompass zurechtfindet, ergänzt sie. Danach wurde die Zusammenarbeit mit dem Hund geprüft.
Vierbeiner müssen
Abstand halten
Bei den Rettungshunden unterscheide man zwischen einem Verbeller und einem Verweiser, erklärt Alexandra. Ihr Hund Toby sei ein Verbeller. Konkret bedeutet das, dass er loslaufe und zu bellen anfange, sobald er eine verletzte Person gefunden habe. Dabei sei wichtig, dass der Hund einen gewissen Abstand zur gefundenen Person einhält: „Der Hund darf den Menschen nicht berühren“, sagt Alexandra.
Beim Gehorsamkeitstest wiederum wurde geprüft, wie gut Hund und Hundeführer zusammen arbeiten. Der Hund muss auf Kommandos reagieren und auch ohne Leine folgen. Dann hieß es ran an die Suche: Lediglich 20 Minuten hatten die Teams Zeit, zwei Vermisste zu finden. Sobald der Vierbeiner die Person gefunden hatte, musste der Hundeführer Erstversorgung leisten.
Die Eltern von Alexandra sind stolz auf ihre Tochter. „Alexandra hat zu 100 Prozent zielstrebig durchgearbeitet“, sagt Mama Sabine. Die Ausbildung selbst umfasste eine Sanitär- und eine Katastrophenschutz-Grundausbildung. Auch Einsatztaktiken, Erste Hilfe am Hund und eine GPS- und Funkausbildung waren Voraussetzung für die Prüfung.
Tiere bestimmen
ihr gesamtes Leben
Aber wie kommt eine 20-Jährige dazu, so einem außergewöhnlichen Hobby nachzugehen? „Meine Eltern sind beide ebenfalls in der Johanniter-Rettungshundestaffel aktiv und so bin ich in dieses Ehrenamt reingewachsen“, erklärt Alexandra.
Sowohl privat als auch beruflich ist sie von Tieren umgeben: Sie arbeitet als tiermedizinische Fachangestellte in einer Praxis. Zeit für andere Hobbys bliebe da wenig, wie die Bad Endorferin zugibt.
Aber die Arbeit bei den Johannitern mache „total Spaß“, das Team sei wie eine große Familie. Ihr Ehrenamt hinzuschmeißen, auf die Idee würde sie gar nicht erst kommen: „Das könnte ich auch meinem Hund nie antun, weil er das so gerne macht.“
Dass das kein Hobby für nebenbei ist, bestätigt auch Mutter, Sabine: „Das muss man leben.“ Ihre Hündin Amy wurde bereits zum zweiten Mal als Rettungshund geprüft. Trainiert hatte sie anfangs auch mit Toby. Doch als Tochter Alexandra in ihre Fußstapfen treten wollte, trat sie den Vierbeiner bereitwillig an sie ab. Der dritte Hund Peppels sei im Gegensatz zu den anderen beiden ein Therapiehund in Vogtareuth.
Sabine Kriechbaumer war es wichtig, dass ihre Vierbeiner etwas zur Gesellschaft beitragen. Alle 24 Monate müssen die Hunde die Prüfung wiederholen.
Die Ausbildung zum Rettungshund dauere etwa zwei bis drei Jahre. Für Alexandra und Toby kein Grund zur Sorge: Denn ein eingespieltes Team bleibt ein eingespieltes Team.