Stephanskirchen – „Meine Großeltern haben richtig Angst um mich. Die wollen gar nicht, dass ich dorthin gehe“, schildert Antina Thiesen die erste Reaktion auf ihr Jahresprojekt 2020. Die 18-jährige Schülerin aus Stephanskirchen wird im August ein Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ) antreten und das nicht irgendwo, sondern im westafrikanischen Togo. „Meine Eltern haben auch erst einmal schwer geschluckt, aber von ihnen kam kein Widerstand. Die haben mich von Anfang an unterstützt, ohne sie wäre alles gar nicht möglich gewesen. Ihre Hilfe bei der Planung war und ist sehr kostbar.“
Auf eigene Faust geht Antina Thiesen natürlich nicht nach Afrika. Die Dachorganisation, mit der sie fährt, nennt sich „weltwärts“ und ist der staatlich geförderte, entwicklungspolitische Freiwilligendienst des Bundesentwicklungsministeriums.
Schutz gegen
Malaria und Tollwut
Doch bevor es soweit ist und sie Mitte August in den Flieger steigen kann, muss die 18-Jährige einiges auf ihrer Vorbereitungsliste abhaken. „Erst einmal habe ich im Sommer 2019 schon online eine Bewerbung ausgefüllt und meine Motivation für ein FSJ, meine Hobbys und meinen Plan für die Zukunft angeben müssen.“ Es folgte ein Auswahlseminar mit Betreuern von „ICJA“, einer Entsendeorganisation von „weltwärts“, die Freiwillige in die ganze Welt ausschickt.
Außerdem standen viele Arztbesuche auf dem Programm. „Ich musste zum Tropenmediziner und mich durchchecken lassen, da der sich in der afrikanischen Region auskennt. Impfungen gegen Gelbfieber und Hepatitis A sind Pflicht, zusätzlich habe ich mich auch noch gegen Tollwut schützen lassen“, so Thiesen. Zudem werde sie noch Prophylaxe gegen Malaria und ein Antibiotikum nach Afrika mitnehmen, um auf alle Eventualitäten vorbereitet zu sein. Zuletzt muss die Schülerin hier von Deutschland aus noch ihr Einreisevisum beantragen.
Bei den Vorbereitungen waren Antina Thiesens Schwestern die besten Ratgeber. Beide haben schon ein FSJ absolviert, die eine in Chile, die andere in Bolivien. „Meine Eltern und ich haben damals eine meiner Schwestern während ihres Jahres in Südamerika besucht. Ich fand das damals schon toll, die hatte ein komplett anderes, neues Leben dort. Meine Geschwister waren schon immer Vorbilder für mich, aber ich wollte nie genau das Gleiche wie sie machen. Darum habe ich mich auch für Afrika entschieden“, sagt Antina Thiesen.
„Mir macht die Arbeit
mit Kindern viel Spaß“
Die Schülerin aus Stephanskirchen wird in einem Projekt in Kpalimé, das im Westen des Landes liegt, arbeiten. Mitte August soll es losgehen. Ein ganzes Jahr wird sie dort bleiben und arbeiten, aber natürlich auch reisen. Antina Thiesen hat sich für drei Kinderprojekte beworben, in einer Schule, in einem Kinderheim und einem Hort. Bis jetzt sei es noch nicht sicher, wo sie tatsächlich stationiert wird, denn das hänge von dem aktuellen Bedürfnis nach Unterstützung vor Ort ab, erklärt sie.
Von Anfang an stand jedoch fest, dass sie mit jungen Menschen arbeiten wolle.
Zu ihren Aufgaben wird in jedem Fall die Betreuung ihrer Schützlinge zählen. „Ich werde Ausflüge begleiten, beim Mittagessen helfen und die Spielaktivitäten beaufsichtigen. Außerdem darf ich Unterrichtsmaterialien vorbereiten und die Lehrer in der Schule unterstützen, da die Klassen dort meist sehr groß sind.“
Die Amtssprache in Togo ist Französisch. Das sei auch ein Aspekt gewesen, der für das Land gesprochen habe. „Ich finde die Sprache einfach so schön. Ich habe Französisch in der Schule gelernt, aber mein Ziel ist, es irgendwann fließend sprechen zu können“, erzählt Antina Thiesen. Dabei sei ‚Ewe‘, eine der Nationalsprachen, die in Togo unter den Leuten gesprochen wird, noch einmal ein bisschen anders als das „normale“ Französisch.
„Daran werde ich mich mit der Zeit aber gewöhnen“, ist sie sich sicher. In Kpalimé wird die Stephanskirchenerin entweder in einer Gastfamilie, in einer WG mit anderen Freiwilligen oder in den Unterkünften des Projektes selbst wohnen.
„In Togo gibt es am Anfang eine Einführungswoche, wo ich von der dortigen Partnerorganisation von
„ICJA“ auf das Leben und die Arbeit im Projekt vorbereitet werde. Da erfahre ich dann auch, wo ich wohnen werde. Die Betreuer vor Ort sprechen die lokale Sprache und betreuen dich. Man ist dort nie allein“, erläutert die Abiturientin.
Ein Jahr in Togo kostet um die 12000 Euro, darin sind Flüge, Miete und Taschengeld enthalten. 70 Prozent davon übernimmt „weltwärts“, den Rest der Kosten muss von der Organisation „ICJA“ und vom Freiwilligen selbst getragen werden. 2000 bis 3000 Euro soll Antina Thiesen bis zu ihrem Abflug aufbringen, jedoch nicht für sich selbst. „Das ist eine Art ‚Generationenvertrag‘. Diejenigen, die jetzt im Ausland sind, haben gesammelt und davon gehen die Freiwilligen 2020 in die Projekte. Ich bringe jetzt quasi Geld für die künftigen Freiwilligen auf. Deshalb ist es wichtig, dass viel zusammenkommt, damit andere auch noch die Chance haben, so etwas zu machen“, bekräftigt sie.
„Raus aus Rosenheim,
aus der heilen Welt“
Um ihr Kontingent zu erfüllen, baut sich die Schülerin gerade einen „Förderkreis“ auf: „Ich frage bei regionalen Unternehmen sowie bei Freunden und Familie an, ob sie mich finanziell unterstützen möchten. Man muss viele Leute ansprechen, nicht nur auf einige wenige setzen.“ Sie sei auf Spenden angewiesen. (Spendenkonto: ICJA Freiwilligenaustausch, „Spende 20-1230“, IBAN: DE07 3506 0190 1011 8120 20)
Doch was bewegt einen jungen Menschen, ein solches Projekt in einem afrikanischen Land anzugehen, während viele Gleichaltrige nach dem Abitur zum Spaß nach Australien oder Neuseeland reisen? Die Erfahrungen, die sie während ihres sozialen Jahres sammeln wird, werden ihr für das spätere Leben unglaublich viel bringen, da ist sie sich sicher.
So groß die Freude auf das bevorstehende Jahr im Ausland auch ist, so schwer werde ihr jedoch auch der Abschied aus der Heimat fallen, meint die Stephanskirchenerin.
Videoanrufe gegen
Anflüge von Heimweh
Deshalb sei ein essentieller Bestandteil ihres Reisekoffers ihr Handy und/oder ein Laptop. „Damit kann ich über Videoanrufe mit meiner Familie in Kontakt bleiben, mit ihnen kommunizieren und sie auch sehen.“ Zudem nehme sie ihre ganzen Ringe und Ketten, die sie sowieso immer trägt, mit. „Die erinnern mich an die Heimat und an Reisen mit meiner Familie.“
Diese wird im Frühjahr 2021 voraussichtlich nach Afrika reisen. Antina Thiesens Eltern kommen, um mit ihr Togo zu besichtigen. Zudem sei eine Rucksackreise mit ihren Schwestern geplant.
„Jetzt wird es langsam konkret. Angst habe ich nicht, denn so richtig habe ich die ganze Sache doch noch nicht realisiert. Auf alle Fälle verspüre ich ganz viel Neugierde und Aufregung.“