Wasserburg – Eine Wanderausstellung zum Thema Patientenmorde in der NS-Zeit ist ab Samstag, 1. Februar, im Wasserburger Heimatmuseum zu sehen. Sie heißt „In Memoriam“, konzipiert von Michael von Cranach, langjähriger Ärztlicher Direktor des Bezirkskrankenhauses Kaufbeuren.
Die Ausstellung wurde bereits am Montag denjenigen gezeigt, die zuvor an der Einweihung des Denkmals für die Opfer des Holocausts teilgenommen hatten. Die Leiterin des Museums, Sonja Fehler, betonte bei der Präsentation vor den einigen Dutzend Besuchern, dass die Wasserburger Stadtgeschichte im Blickpunkt der Ausstellung stehe. Hier habe es schließlich 742 Opfer der NS-„Euthanasie“ gegeben. „Das ist eine sehr große Gruppe.“ Die Ausstellung in Wasserburg gehe auf einen von den Grünen initiierten Besuch in Kaufbeuren im Jahr 2015 zurück, wo sie damals zu sehen war.
Der renommierte Mediziner von Cranach, ein gebürtiger Berliner, hat sich mit der Aufarbeitung der Psychiatrie in der Zeit des Nationalsozialismus einen Namen gemacht. Im Wasserburger Museum berichtete der 78-Jährige von seiner Motivation, eine Ausstellung über die NS-„Euthanasie“ zu entwickeln und lenkte dabei den Blick auf die Nachkriegszeit in Deutschland. „Nicht nur die Justiz leugnete diese Verbrechen, sondern die Gesellschaft auch.“ Diese Verbrechen seien über eine lange Zeit quasi vergessen worden, in der Gesellschaft sei kein Bewusstsein darüber entstanden. „Es wurden zwar keine Menschen mehr ermordet, aber die Täter blieben, die Ärzte, die Schwestern, die Pfleger, die Verwaltungsleute“, so von Cranach. Über viele Jahre sei die von Verachtung geprägte Behandlung von psychisch kranken Menschen unverändert geblieben, erst um 1980 hätten sich die Dinge „langsam und mühsam“ zum Besseren entwickelt.
1999 sei ihm ermöglicht worden, im Rahmen des Weltkongresses für Psychiatrie in Hamburg eine Ausstellung über die Nazi-Verbrechen an psychisch kranken Menschen zu präsentieren. Gezeigt wurde sie mittlerweile an rund 30 Orten – in Griechenland, in Spanien, in Italien und natürlich auch in Deutschland. „Mittlerweile kommt das Thema in der Bevölkerung an“, sagte von Cranach.
„Das Besondere an der Ausstellung ist, dass sie die Geschichte erzählt“, erläuterte der Professor gegenüber unserer Zeitung. „Wie schlimm die Ärzte gehandelt haben, wie grauenvoll das war.“ Die Ausstellung diene auch dazu, Angehörigen in Wasserburg und Umgebung die Möglichkeit zu bieten, in ihrer eigenen Familiengeschichte zu forschen, wenn sie vermuten, dass es in der Verwandtschaft ein NS-Opfer gebe. „Die Vergessenen können so wieder in das Familiengedächtnis zurückgeholt werden“, so der Psychiater.
In der Ausstellung werden anhand von Texten, Schriftstücken, Fotografien und Videointerviews mit Zeitzeugen die verschiedenen Phasen des NS-Vernichtungsprogramms wie die „Aktion T4“, das Hungersterben und Tötungen durch Medikamente dargestellt. Die Dokumente zeigen auch unterschiedliche Opfergruppen – Erwachsene, Kinder und Zwangsarbeiter –, die Reaktion von Angehörigen sowie die Haltung der Ärzte und die Auseinandersetzung mit den Verbrechen in der Nachkriegszeit. Die Überschriften auf den Info-Tafeln lauten „Gabersee während der NS-Zeit“, „Das Schicksal der jüdischen Patienten“, „Menschenversuche“. Eine lokale Ergänzung bildet die Schilderung der historischen Ereignisse in den Einrichtungen Gabersee und Attl.
„Die Dokumente sind sehr eindringlich, zum Beispiel, wenn man die Briefe der Angehörigen liest“, sagte Museumschefin Sonja Fehler.
Der Leiter des Stadtarchivs, Matthias Haupt, wies darauf hin, dass es eine lange Zeit des Verschweigens gegeben habe und dann eine lange Zeit des Aufarbeitens. „Und jetzt gibt es die Vermittlung, und zwar mehrdimensional.“ Dazu diene das Denkmal, die Ausstellung oder auch die Website (www.gedenken.wasserburg.de). „Das alles macht dem Besucher das unmenschliche System der Nazis deutlich.“
Zu sehen ist die Sonderausstellung im Heimatmuseum vom 1. Februar bis 10. Mai.