Im Schloss wird die Zukunft erprobt

von Redaktion

Digitales Lernen verändert den Schulunterricht – Kongress am Gymnasium Neubeuern

Neubeuern – Die Kinder und Jugendlichen von heute wachsen ganz selbstverständlich in einer zunehmend digitalen Welt auf. Da ist die Schule in vielerlei Hinsicht ein richtiges Kontrastprogramm: Hefteinträge mit dem Füller, Tafelzeichnungen mit Kreide und Folien auf dem Overheadprojektor. Ganz schön oldschool, im wahrsten Sinne des Wortes.

Dass es auch ganz anders geht, beweist das Gymnasium Neubeuern. Bereits seit Anfang der 90er-Jahre konzentriert sich die private Schule stark auf IT-Themen. In diesem Zuge wurde der gesamte Campus glasfaservernetzt, sodass Schüler und Personal im gesamten Schul- und Internatsbereich auf Intra- und Internet zugreifen können. Diverse WLAN-Router sorgen zusätzlich für vollständige Drahtlos-Abdeckung.

Der Weg zum
digitalen Abitur

Seit September 2009 werden alle Schüler ab der neunten Jahrgangsstufe mit Tablet-PCs ausgestattet und zum bislang einzigen digitalen Abitur Deutschlands geführt. Etwa 140 Schüler und 35 Lehrkräfte arbeiten in Neubeuern rein digital. Vor sechs Jahren wurden zusätzlich die Lernenden der Klassen fünf bis acht mit I-Pads ausgestattet, um jederzeit den Unterricht mit digitalen Inhalten anreichern zu können.

Um die Erfahrungen des digitalen Unterrichts weiterzugeben, veranstaltet die Schule am 20. und 21. Februar zum bereits achten Mal den Kongress „Digitale Didaktik“, der sich der fortschreitenden Digitalisierung in Schulen und bildenden Institutionen widmet. „Wir wollen Lehrkräfte, Vertreter der Lehre und Eltern an die schier unendliche Bandbreite technischer Möglichkeiten heranführen“, erläutert Schulleiter Carlo Ribeca.

Soziale Medien
im Unterricht

Der zweitägige Kongress bietet dafür diverse Vorträge und Workshops. Dabei geht es zum Beispiel darum, wie Lehrkräfte soziale Medien für den Unterricht nutzen können oder wie künftig Virtual Reality und Augmented Reality das Lernen verändern werden. In diesem Jahr wird außerdem ein Showroom angeboten, in dem Experten das Learning-Management-System „itslearning“ erklären, welches ein effektives Inverted-Classroom-Prinzip ermöglicht.

Mit dem „umgedrehten Unterricht“ hat man in Neubeuern schon ein paar Jahre Erfahrung gesammelt, berichtet Ribeca. „Beim traditionellen Unterricht findet zunächst eine Schulstunde statt, in der vom Lehrer Wissen vermittelt wird. Dieses wird dann durch Hausaufgaben nachbereitet. Das Prinzip Inverted Classroom geht den umgekehrten Weg: Die Schüler bereiten den Stoff durch digitale Lernmaterialien vor. In der Schulstunde wird das Thema besprochen, es werden Fragen beantwortet und Übungen dazu gemacht“, erläutert der Schulleiter. Es gehe darum, sich Wissen eigenverantwortlich anzueignen und lebendig zu lernen. Bei den Lernarrangements, so der didaktische Fachbegriff, schauen sich die Schüler zu Hause zum Beispiel Erklärvideos an und erledigen dann Arbeitsaufträge. Über deren Ergebnisse wird dann gemeinsam geredet – sei es virtuell in einem Chat oder klassisch im Klassenzimmer.

„Früher ging man davon aus, dass im Zuge der Digitalisierung der PC die Hefte ersetzen würde und Powerpoint den Overheadprojektor. Dabei geht es um so viel mehr“, erklärt Ribeca. Da Wissen immer schneller veralte, müsse man das Lernen selbst beherrschen. „Wir wollen diese aktive Rolle vermitteln.“ Damit die Lehrer diesem Anspruch gerecht werden können, werden sie in einer dreitägigen Schulung auf das digitale Unterrichten vorbereitet. Mit einem Altersdurchschnitt von 36 Jahren ist das Kollegium deutlich jünger als an staatlichen Schulen.

Digitalpakt schafft
neue Perspektiven

Rund 300 Teilnehmer werden bei dem Kongress erwartet. Sie sollen einen Einblick in die Vielfalt des digitalen Lernens und Lehrens bekommen. Dabei ist klar, dass in Neubeuern paradiesische Zustände herrschen, die nicht einfach so übertragbar sind. Das Nobel-Internat kann sich das leisten, wovon viele Schulen nur träumen können. „Mit dem Digitalpakt der Bundesregierung eröffnen sich auch den staatlichen Schulen neue Perspektiven bei der Digitalisierung“, sagt Ribeca.

Auch wenn am Gymnasium Neubeuern vor allem digital gelernt wird, sind Bücher nicht gänzlich aus dem Schloss verschwunden. „Wir haben eine sehr schöne Bibliothek“, so der Schulleiter, „und da lesen die Schüler auch. Bücher zu lesen, gehört zum Erwachsenwerden nach wie vor dazu.“

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