Schonstett/Rosenheim – Wie muss ein Wald gepflegt werden, damit er dem Klimawandel trotzen kann? 100 Waldbesitzer haben sich im Wald von Anton Heitmayer bei Schonstett mit dieser Frage beschäftigt – auf Einladung des Geschäftsführers der Waldbesitzervereinigung (WBV) Wasserburg/Haag, Alexander Graßl und von Forstdirektor Marius Benner vom Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (AELF) Rosenheim. „Die Waldbesitzer stehen derzeit deutschlandweit vor einer großen Aufgabe“, waren sich die Förster einig. „Sie müssen ihre Wälder bestmöglich auf die Herausforderungen vorbereiten, die der Klimawandel mit sich bringt.“
Es reiche nicht, bei Aufforstungen eine angemessene Zahl Laubbäume zu pflanzen und danach den Wald einfach wachsen zu lassen. Wichtig sei auch die regelmäßige Pflege junger Wälder. Denn von der Pflanzung bis zur Ernte vergehen je nach Baumart bis zu 100 Jahre und mehr.
Jungbestände
benötigen Pflege
Wenn Bäume erst einmal 20 bis 30 Jahre alt sind, geraten die in der Förstersprache als „Jungbestände“ bezeichneten Wälder jedoch oft aus dem Fokus. Dabei brauchen gerade sie eine rechtzeitige und regelmäßige Pflege, damit ein strukturierter, gemischter und stabiler Wald heranwächst, der seine vielfältigen Funktionen gut erfüllen kann und später den ein oder anderen Ertrag einbringt, hieß es vor Ort.
Doch worauf müssen Waldbesitzer achten, wenn sie eine Pflegemaßnahme planen? Was kostet die Pflege? Gibt es dafür einen staatlichen Zuschuss? Diese und andere Fragen beantworteten die Förster vom AELF Rosenheim und der WBV Wasserburg direkt im Wald. Dazu hatten die Organisatoren einen Rundkurs mit fünf Stationen und unterschiedlichen Schwerpunkten vorbereitet.
Bevor mit der eigentlichen Pflege begonnen werden kann, braucht der Grundeigentümer einen Weg in den Wald. Bei Förster Tobias Büchner konnten sich die Waldbesitzer mit einem Kompass ausgerüstet selbst mit der Anlage einer Rückegasse versuchen. So nennen Forstleute die unbefestigten Wege, die etwa alle 30 Meter von den Hauptwegen in den Wald abzweigen. Sie dienen nicht nur dem schonenden Abtransport des geernteten Holzes, sondern unterteilen große Waldflächen zudem in übersichtliche Arbeitsfelder. Gerade in jungen Waldbeständen erleichtert dies die späteren Arbeitsschritte, da die einzelnen Bäume hier noch sehr eng stehen, betonten die Experten.
Wie eng, davon konnten sich die Teilnehmer bei der Station von Forstmann Ferdinand Weber selbst überzeugen.
Der Förster hatte um die wenigen Eichen in dem jungen Fichtenbestand bereits leuchtend gelbe Bänder gebunden und trotzdem waren sie in dem dichten Gewirr aus Stämmen kaum zu entdecken. „Die Eichen sind eine willkommene Bereicherung,“ erklärte der Forstmann, „damit sie erhalten bleiben, brauchen sie spätestens jetzt mehr Platz zum Wachsen.“
Mehr Platz bedeutet in diesem Fall, dass ein bis zwei Fichten, die direkt daneben wachsen, weichen müssen. Was sich im ersten Moment viel anhört, ist in Wirklichkeit nur ein kleiner Eingriff. Denn in Mischbeständen mit hohem Nadelbaumanteil wird nur alle acht bis zehn Meter ein gesunder, stabiler Baum mit guter Krone ausgewählt, zu dessen Gunsten ein Baum daneben entnommen wird. In seltenen Fällen sind es zwei Bäume, die gefällt werden, berichteten die Referenten. „Das Hauptaugenmerk in jungen Fichtenbeständen liegt darin, die Stabilität der einzelnen Bäume zu erhöhen und Mischbaumarten zu erhalten“, so der Förster.
Wachstumsqualität
im Fokus
In reinen Laubholzbeständen spielt dagegen auch die Qualität eine Rolle, schließlich ist wertvolles Laubholz für Möbel sehr gefragt. „Deshalb achten wir beim Laubholz zusätzlich darauf, dass die Stämme mindestens sechs bis acht Meter astfrei, unbeschädigt und gerade sind“, erläuterte Revierleiter Ulrich Guggenberger. Wann die astfreie Höhe erreicht sei, hänge stark von der Baumart ab. Es gebe Baumarten, die sehr schnell wachsen würden – wie beispielsweise die Schwarzerle. „Bei der Erle muss man deshalb auch dahinter sein und ihr bereits früh ausreichend Platz geben“, so Guggenberger, „sonst wächst sie davon.“
Andere Baumarten wie die Eiche erfordern mehr Zeit und ein sachteres Vorgehen in der Pflege. „Wenn die Eiche zu viel Licht abbekommt, bildet sie Wasserreiser“, mahnte Revierleiter Ludwig Krug. Deshalb müsse man hier darauf achten, dass nicht zu viele Bäume auf einmal entnommen werden. Ideal sei ein sogenannter Nebenbestand, also eine zweite Baumschicht, die nur dazu diene, die Stämme zu beschatten. Dafür eigne sich beispielsweise die Winterlinde hervorragend, so Krug. Unter seiner fachkundigen Anleitung durften die Teilnehmer dann das bisher Gelernte selbst ausprobieren und auswählen, welche Bäume stehen bleiben und welche geerntet werden sollen. „Wir sind überrascht, dass wir uns in der Gruppe so schnell einig waren“, so das Fazit eines Teilnehmers. „Man muss sich nur trauen!“
Finanzielle Zuschüsse
vom Staat
„Pflege kostet Geld, aber sie lohnt sich“, stellte WBV-Geschäftsführer Graßl bei seiner Station fest. Schließlich sind Bäume, die ausreichend Platz zum Wachsen haben, widerstandsfähiger gegenüber Stürmen und anderen Einflüssen, betonte er. Dass dies gerade in Zeiten des Klimawandels von enormer Bedeutung ist, liegt auf der Hand. Daneben erreichen die Bäume in gut gepflegten Wäldern in kürzerer Zeit verkaufsfähige Stärken, weil der gesamte Holzzuwachs auf weniger Individuen verteilt wird. Der erste Pflegeeingriff decke, rein finanziell betrachtet, meist gerade die entstandenen Kosten, da kaum verkaufsfähige Sortimente anfielen, so Graßl. Umso erfreulicher sei es, dass der Staat die Pflegemaßnahmen in Jungbeständen finanziell bezuschusse. Nach einigen Jahren könne der Waldbesitzer ab dem zweiten Eingriff mit ersten, wenn anfänglich auch kleinen, Gewinnen rechnen. Voraussetzung sei jedoch, dass die Waldbestände rechtzeitig und regelmäßig gepflegt wurden.
Das mit der Pflege beauftragte Forstunternehmen Wohlmuth war ebenfalls stark vertreten. Hans und Michael Wohlmuth und ihre Mitarbeiter schlossen sich den Teilnehmergruppen an und freuten sich: „Für uns ist es interessant, zu erfahren, warum der Förster den einen Baum auswählt und den anderen nicht. Man lernt nie aus.“ Nebenbei beantworteten sie den Waldbauern technische Fragen rund um Harvester und Rückezug sowie die Einsatzbereiche der einzelnen Forstmaschinen.