Rosenheim/Kiefersfelden – Die einen reden von Notwehr, die andern von Schikane: An der Frage der Blockabfertigung bei Kufstein scheiden sich die Meinungen von Tirolern und Oberbayern. Nun wird wieder lauter gestritten. Weilheute, Montag, 24. Februar, die nächste Blockabfertigung ansteht. Und weil Tirol kürzlich das Programm fürs zweite Halbjahr 2020 vorgestellt hat: nicht weniger als 15 Termine zwischen 6. Juli und 10. Dezember. 20 Termine sind es allein im ersten Halbjahr.
„Tirol wird seit über 20 Jahren von einer gebrochenen Vereinbarung zur nächsten vertröstet“, klagte am Freitag Tirols Landeshauptmann Günther Platter auf Facebook. EU, Italien und Deutschland sollten das ihre tun, den Brenner-Transit zu verringern. Eine Ansage, die auf bayerischer Seite Grummeln auslöst. Die derzeitige Praxis Tirols sei überzogen und „läuft auf eine systematische Verlagerung von Verkehrsproblemen auf die andere Seite der Grenze hinaus“, antwortet ein Sprecher der bayerischen Verkehrsministerin Kerstin Schreyer (CSU) auf eine Anfrage der OVB-Heimatzeitungen.
Die Grenze von Mensch, Natur und Infrastruktur sei erreicht, sagt indes Ingrid Felipe von den Grünen, die Stellvertreterin von Landeshauptmann Platter. „Wir müssen den Verkehr dosieren, damit er flüssiger vorankommen kann.“ Ampeln, LED-Texttafeln und Videoüberwachung sollen garantieren, dass nur alle zwölf Sekunden ein Lastwagen die Kontrollstelle passiert, maximal 300 pro Stunde.
Eine Drosselung, die erwartungsgemäß auf bayerischer Seite Kritik auslöst. Robert Karaula, Disponent der Alvi Logistik in Kiefersfelden, etwa spricht von „Unmengen an Stunden“, die Lastwagenfahrer im Nadelöhr im Stau verbringen und von ihren Schwierigkeiten, die Zeiten im Cockpit einzuhalten. Zu Blockabfertigungsterminen wurden auf der A 93 schon Rückstaus in einer Länge von 40 Kilometern registriert.
Rund 2,5 Millionen Lastwagen überqueren den Brenner, mehr als dreimal so viele wie auf allen Schweizer Übergängen zusammen. An dieser Belastung ist Österreich nicht unschuldig. So zieht der niedrige Preis für Diesel Lastwagen an. „Das Diesel-Privileg muss weg“, sagt die Grüne Ingrid Felipe. „Bei den Verhandlungen zur Bildung der Bundesregierung haben wir vereinbart, dass diese wettbewerbsverzerrenden Privilegien zu beseitigen sind.“
Es wird also nicht nur gestritten. Nicht nur, dass die Bayerische Staatsregierung Lob von Felipe erhält – „seit Söder gibt es zarte Bewegungen in die richtige Richtung“. Auch Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) mahnt und lockt zugleich. „Der Tiroler Landeshauptmann Platter und ich haben uns im Gespräch darauf geeinigt, den Brenner zur Technologieachse zu machen“, sagt Scheuer gegenüber den OVB-Heimatzeitungen. „Wir brauchen eine Digitalisierungsstrategie für den Brenner und keine Fahrverbote.“
Auf digitale Lösungen setzen auch Kufstein und Kiefersfelden. Für den Bereich um die beiden Gemeinden wurde ein „Mobilitätskorridor“ erstellt. Kiefersfeldens Bürgermeister Hajo Gruber ist begeistert von den technischen Möglichkeiten der Digitalisierung und dem Gedanken an grenzüberschreitende Zusammenarbeit. „Man kann“, sagt er, „das Inntal nur als eine Region begreifen.“
In Kiefersfelden sitzt auch die junge Firma DiMOS, die– wie berichtet – im „Mobilitätskorridor“ bereits neueste Hightech für einen virtuellen Zwilling der Landschaft genutzt hat. Mit diesem digitalen Modell sollen die Bewegungen von Fahrzeugen unterschiedlichster Art koordiniert werden. „Wenn Bund, Bayern und Tirol den Wunsch zu einer grenzüberschreitenden Zusammenarbeit im Bereich digitaler Mobilitätsdaten hegen, unterstützen wir sie gerne“, sagt DiMOS-Gründer Christian Arbinger.