Mit Herz für Mensch und Tier

von Redaktion

Eine Pflegestation für intensivpflegebedürftige Menschen hat im Handwerkerpark in Bad Endorf eröffnet. Künftig werden dort zehn Patienten intensivmedizinisch versorgt. Eigenständiges Leben und Tierliebe stehen bei „Intensiv Menschlich“ im Mittelpunkt.

Bad Endorf – Wenn man den Kreisverkehr an der Wasserburger Straße in Bad Endorf in Richtung Handwerkerpark verlässt, drängt sich einem die Frage auf: Hier soll eine Pflegestation für Intensiv-Patienten sein? Beinahe am Ende der Straße des Gewerbegebiets gelangt man schließlich zu einem blau-gelben Gebäude. Der große angrenzende Garten ist nach hinten ins Grüne ausgerichtet. Eine Schar Gänse, Enten, Hühner und eine Herde Schafe empfängt einen schnatternd, quakend und mit Heu zwischen den Zähnen an der Eingangspforte des Neubaus.

Helfen, statt
Geld verdienen

„Ich will mit diesem Projekt nicht reich werden, sondern helfen“, sagt Sandra Glatzl, die als Pflegedienstleiterin und Geschäftsführerin von „Intensiv Menschlich“, so heißt die neue Pflegeeinrichtung, tätig ist. Die Patienten sollen in der Einrichtung die Möglichkeit bekommen, selbstbestimmt zu leben. Belastende Krankenhausaufenthalte hemmten die Genesung manchmal, sagt Sandra Glatzl. Die Verlegung in eine Pflegeeinrichtung entlaste dabei auch oft die Angehörigen.

Der gleichnamige gemeinnützige Verein „Intensiv Menschlich“ hat sich im Rahmen der Entstehung der Pflegestation gegründet und will die außerklinische intensivmedizinische Einrichtung finanziell fördern. Damit auch Patienten, die sich die Betreuung in einer solchen Einrichtung nicht selbst leisten können, dort in Ruhe und entspannt genesen können.

Denn gerade nach einem schweren Unfall steht die Welt der Betroffenen und deren Familien Kopf. „Sobald jemand klinisch austherapiert ist, werden die Patienten aus den Krankenhäusern entlassen. Da sie beatmet werden müssen, prüfen die Behörden oft, ob der Patient überhaupt zurück nach Hause kommen kann“, erklärt Sandra Glatzl. Oftmals seien die Gegebenheiten jedoch so, dass sich das Zuhause nicht der Erkrankung entsprechend umbauen lasse.

Deswegen müssten Patienten dann in Pflegeeinrichtungen, bis alles geregelt sei. „Häufig müssen junge Menschen auf Seniorenheime ausweichen. Dort gehören sie aber einfach nicht hin. Und genau an diesem Punkt setzen wir an“, sagt Sandra Glatzl. Allerdings sei „Intensiv Menschlich“ auch nur ein Haus, um übergangsweise unterzukommen. „Sobald die Patienten so weit genesen sind, dass sie in ihr gewohntes Umfeld zurückkehren können.“

„Das gesamte Haus ist barrierefrei errichtet worden“, erklärt Klaus Oberfeld, Eigentümer des Neubaus. Eigentlich wollte er eine Tierklinik in dem Gebäude unterbringen. „Ich habe diesen Gendefekt“, scherzt er und meint damit seine Liebe zu Tieren. Da sich jedoch kein Veterinär finden ließ, der auf dem großen Areal einziehen wollte, kam er mit Sandra Glatzl ins Gespräch, die nicht nur ein Herz für Tiere hat, sondern auch für Menschen. Menschen, die nach einem Unfall oder durch einen anderen Schicksalsschlag zum Pflegefall wurden.

„Die Idee von Frau Glatzl hat mir sehr gefallen und so haben wir beschlossen, sie mit der Pflegestation zu unterstützen“, so Oberfeld. Also habe er eine barrierefreie Ausstattung wie überbreite Türstöcke bauen lassen. „Außerdem energieeffizient und aus nachhaltigen Materialien wie Holz.“

Auf rund 700 Quadratmetern und zwei Stockwerken – natürlich mit Aufzug – wohnen zehn Patienten in etwa 30 Quadratmeter großen Zimmern. Die Möbel kann jeder selbst mitbringen, bestehe keine Möglichkeit, springt der Verein ein und stellt das Mobiliar, erklärt Arzu Demirbilek.Sie ist für die Spendenakquise und Kommunikationsarbeit bei „Intensiv Menschlich“ zuständig .

Ein offener Gemeinschaftsbereich und die gemeinschaftliche Küche bieten viel Platz, ebenso wie die großzügigen Gemeinschaftsbäder – alles behindertengerecht ausgestattet. „Und so gestaltet, dass man mit dem Pflegebett überall hinfahren kann“, sagt Sandra Glatzl. Das eigentliche Herzstück der Einrichtung ist jedoch der Garten. Dort tummeln sich Tiere von Klaus Oberfeld: Enten, Hühner, Gänse, Bergschafe und Katzen. „Der Blick aus dem Fenster soll eine therapeutische Wirkung auf die Patienten ausüben“, erklärt Glatzl. Zudem wolle sie ihr Pferd Nick, das sich gerade in Ausbildung zum Therapiepferd befindet, auch bei „Intensiv Menschlich“ einsetzen.

„Durch die breiten Türrahmen können wir die Tiere bis an die Betten unserer Bewohner bringen“, sagt Glatzl. Das Mitbringen von Haustieren sei erlaubt, sogar erwünscht.

Tierliebe und Naturnähe spiegeln sich in der Einrichtung des Hauses wider. Bilder von Bäumen, als würde man durch einen Wald gehen, hängen entlang des langen Ganges im Eingangsbereich. Einen Großteil der Fotos hat Hauseigentümer Klaus Oberfeld gemacht.

Gesund werden
mithilfe von Tieren

Neben tiergestützter Therapie werden in der Pflegeeinrichtung „Intensiv Menschlich“ auch andere ergänzende Behandlungsansätze angeboten. „Die Patienten erhalten bei uns auch Ergotherapie, Logopädie, Aromatherapie und Snoezelen“, sagt Andreas Reihs, neben Sandra Glatzl ebenfalls Geschäftsführer bei „Intensiv Menschlich“ und hauptberuflich Heilerziehungspfleger. Beim Snoezelen handelt es sich um eine Anwendung aus den Niederlanden. Die Patienten liegen oder sitzen bequem in einem warmen Raum, umgeben von leisen Klängen und Melodien sowie Lichteffekten. Das Snoezelen soll Wohlbefinden bei den Patienten erzeugen.

Seit Anfang des Jahres ist die Pflegestation offiziell eröffnet. Weil sich aus Brandschutzgründen der Ausbau etwas länger gezogen hat, sind noch keine Patienten eingezogen. „Wir haben schon die ersten Anfragen erhalten. Aber es gibt noch freie Plätze“, so Sandra Glatzl.

Eröffnung unter besonderen Umständen

Noch sind keine Patienten in die Pflegestation „Intensiv Menschlich“ in Bad Endorf eingezogen, und schon bereitet sich Pflegedienstleiterin Sandra Glatzl auf eine Eröffnung unter besonderen Umständen vor. Noch fehle eine abschließende Genehmigung der Pflegekasse in puncto Brandschutz zur Aufnahme von Patienten, diese sei jedoch in Bearbeitung. „Es kann sich nur noch um Tage handeln“, sagt Sandra Glatzl. Dann können endlich die ersten Intensiv-Patienten einziehen. Glatzl geht davon aus, dass Patienten, die intensiv-medizinisch versorgt werden, aus den Kliniken nach Bad Endorf verlegt werden, damit mehr Kapazitäten für Corona-Patienten in den Krankenhäusern frei werden. „Unsere Einrichtung hat die entsprechenden Kapazitäten, und wir sind gewillt, in dieser besonderen Situation zu helfen“, sagt Glatzl. Dennoch könne sich jeder, der einen Pflegeplatz benötigt, darum bewerben.

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