Steckbrief

„Musik ist ein Engelswerk“

von Redaktion

Wiltrud Rothmayer mit 87 Jahren Großkarolinenfelds Sing- und Vorlesefee

Großkarolinenfeld – Die Musik ist ihre größte Leidenschaft, sie ist für sie ein „Engelswerk“. Bücher, die sie ebenfalls sehr gern hat, bezeichnet Wiltrud Rothmayer hingegen scherzhaft als „menschliche Ausscheidungen“. Die gebürtige Kronacherin ist 87 Jahre alt, hat drei Kinder und drei Enkel, und ist aktiver als so manche deutlich Jüngere.

1972 gründete die Lehrerin einen ökumenischen Kindersingkreis in Großkaro. „Wir haben viele Konzerte im fränkischen Kronach gegeben. Das waren wunderbare Aufführungen, die Fahrten waren große Erlebnisse“, erinnert sie sich. Aus dem Kindersingkreis ist mit den Jahren der jetzige Singkreis Großkarolinenfeld entstanden. Jeden Samstag wird geprobt. „Wir tragen Freud und Leid miteinander, nehmen gegenseitig Rücksicht. Meine Damen haben so viel Freude am Singen, das ist wirklich unglaublich!“

„Jeder Mensch
kann singen“

Das sei auch das, worauf es ankommt: die Freude und der Spaß. „Die Seele muss singen!“ Sie sei davon überzeugt, dass jeder Mensch singen könne. Wiltrud Rothmayer kommt aus einer sehr musikalischen Familie, spielt Orgel, Cello und verschiedene Flöten. „Jeden Abend haben wir von 17 bis 20 Uhr musiziert, da gab es ein Streichquartett. Bei jeder Gelegenheit wurde auch das Klavier aufgemacht und dann wurde man aufgefordert, zu singen“, erzählt sie.

Während ihrer Zeit in Großkarolinenfeld und in Kolbermoor hat sie insgesamt fünf Chöre geleitet, darunter 30 Jahre lang den evangelischen Kirchenchor in Karo. „Ich bin zwar katholisch, aber damals war an Weihnachten kein Dirigent für den Chor da. Da bin ich eingesprungen und habe die Leitung fortgeführt. 1972 war das, glaube ich.“

Jetzt sind es ein paar weniger Chöre geworden. Nun übt sie „nur noch“ mit ihrem Singkreis Großkarolinenfeld, ihrem „Quell der Freude“, und mit zwei Seniorenchören in Großkarolinenfeld und in Bad Endorf. Und gibt einigen Kindern Klavier- oder Flötenunterricht – aus Spaß an der Freud‘.

Als wäre das noch nicht genug, ist Wiltrud Rothmayer auch viele Jahre nach ihrer Pensionierung ein fester Bestandteil der Max-Joseph-Mittelschule Großkarolinenfeld. Sie ist dort eine regelrechte Institution. 1976 hat die ehemalige Oberlehrerin die dortige Bücherei gegründet. „Die Bücher lagen damals überall in den Klassenzimmern herum. Da haben wir sie alle eingesammelt und ich habe eine Kartei angelegt.“ Jeden Samstag ist sie für eine Stunde dort und verleiht Bücher.

Ihre Liebe zu Büchern gibt Wiltrud Rothmayer gern weiter, liest elf Klassen in der Schule vor. „Die Kinder sind so glücklich beim Vorlesen, die sind richtig selig, wenn ich komme. Das ist eine regelrechte Vorführung für sie. Und ich mache das ja auch so gern. Ich möchte den Kindern ein Bild von ihrer lieben Welt mitgeben. Ich denke, sie brauchen einen Menschen, der noch an die Güte glaubt.“

Ihren eigenen Angaben zufolge ist sie kein sehr demütiger Mensch, aber ihre Art erweckt einen anderen Eindruck. Wenn sie tolle Sachen gemacht hat, sagt Wiltrud Rothmayer bescheiden, das sei nicht aus ihr gekommen: „Ich empfinde das alles als Gottes Gnade. Die Spannbreite des Lebens bis zum Tod zu füllen, ist unsere wichtigste Aufgabe. Freud und Leid zu ertragen, den richtigen Maßstab finden, ehrlich sein, das ist das, was das Leben ausmacht.“

Viel Aufhebens um ihre Person, das mag sie nicht. Als sie zum 80. Geburtstag die Bürgermedaille verliehen bekam, waren ihr die Aufmerksamkeiten fast ein wenig zu viel. „Das alles wegen mir?“, fragt sie, die so ganz nebenbei auch noch 18 Jahre im Gemeinderat aktiv war, sich.

Leben nehmen,
so wie es kommt

Ob ihr die vielen Aktivitäten nicht manchmal zu viel werden? Nein, befindet sie. „Ich habe ein recht gutes Organisationstalent, ich mache nicht mehrere Sachen auf einmal. Alles schön nacheinander und wenn mich etwas belastet, dann höre ich damit auf.“

Sie nehme das Leben so, wie es kommt und sei ein spontaner Mensch, der nicht viel vorausplant. „Ich richte mir alles so, wie ich es brauche oder lasse es auf mich zukommen“, meint die Chorleiterin. „Ich liebe das Leben, weil ich fromm sein und beten und singen kann.“ Dazu passt auch eines ihrer Lieblingslieder: „Wonderful World“. „Ich glaube an unsere wundervolle Welt, obwohl sie immer mehr zerbröselt. Aber wenn man in diesem Land lebt und sich um wenig Sorgen machen muss, dann kann man auch das bisschen Glück, das man hat, weitergeben. Das ist eine Botschaft, die ich noch weitergeben möchte.“

Und sie hat doch einen Plan, und zwar einen für nach ihrem Tod: „Sollte ich in den Himmel kommen, gründe ich einen Chor.“

Artikel 1 von 11