Nußdorf – Bereits seit einigen Monaten beschäftigt die Bürger der Gemeinde Nußdorf und die Anwohner vom Ortsteil Überfilzen der Steinbruch am Heuberg. Vorausgegangen waren seit 2015 schon viele Auseinandersetzungen um Staub, Lärm, Sicherheit und Abbaurechte, bis schließlich der Bayerische Verwaltungsgerichtshof vor gut einem Jahr entschieden hat, dass im Steinbruch über 758 Meter vorerst keine Abbrucharbeiten mehr durchgeführt werden dürfen (wir berichteten). Das gilt sowohl für den Gesteinsabbau selbst als auch für alle einen Gesteinsabbau vorbereitenden Maßnahmen oberhalb einer Höhe von 758 Metern über dem Meeresspiegel.
Verwaltungsgericht
nimmt Klage an
„Die Betreiberin teilt nach Auffassung der Anwohner diese Rechtsauffassung des Gerichts offenbar nicht. Sie möchte sich vielmehr mit ihrem neuen Antrag weitere Abbaurechte sichern. In der Vergangenheit wurden Tatsachen geschaffen, die das Vertrauen erschüttern“, sagt Georg Binder, Vorsitzender der Ortsgruppe Nußdorf/Neubeuern vom Bund Naturschutz (BUND). „Eine nicht hinnehmbare Situation“, ergänzt Sepp Reisinger von den Parteifreien Nußdorf und gibt bekannt, dass nun eine Klage gegen den Freistaat Bayern vor dem Bayerischen Verwaltungsgericht in München eingereicht und bereits angenommen wurde.
Zusammenfassend wird vom Freistaat Bayern gefordert, dass er dem Betreiber des Steinbruchs Überfilzen, der Südbayerischen Portlandzementwerk Gebrüder Wiesböck & Co. GmbH, untersage, in dieser Anlage die Geröllhalde oberhalb der Abbauterrassen (Bermen) sowie Muschelkalk abzubauen und im Bereich des gesamten Steinbruchs Sprengungen durchzuführen, Schuttablagerungen zur Vorbereitung von Sprengungen zu beseitigen und im freigelegten Fels zu sprengen.
Bereits im Oktober letzten Jahres habe man den Rechtsweg beschritten und einen gleichlautenden Antrag beim Landratsamt Rosenheim eingereicht, aber keine Reaktion erhalten. Infolge der kompletten Negierung über rund vier Monate sei nun eine Untätigkeitsklage zulässig. „Zumindest zum Punkt Verantwortung hätte das Landratsamt Rosenheim Stellung nehmen können“, sagt Reisinger enttäuscht.
„Der Steinbruchbetrieb basiert auf der Genehmigung vom 21. Juli 1980 und beinhaltet unter anderem als Auflage, dass der Abbau grundsätzlich nur der Gewinnung von Wettersteinkalk dienen darf“, erklärt Binder. So sei der Mitabbau von anderem Material nur zulässig, soweit er im Verhältnis zur Gewinnung von Wettersteinkalk notwendig sei, hierzu aber in einem untergeordneten Verhältnis stehen würde. Begründet wurde dies seinerzeit mit dem Schutz der Natur.
Auflagen werden
unterlaufen
Allerdings beobachten die Anwohner seit einiger Zeit etwas anderes. Dazu Reisinger: „Diese Auflage wird seit langer Zeit vom Betreiber unterlaufen und von den Behörden geduldet, wie es auch der Verwaltungsgerichtshof bereits in seinem Beschluss formuliert hat.“ Auch im geologisch-geotechnischen Bericht, der damals den Auslegungsunterlagen des Landratsamtes Rosenheim vom April 2019 beilag, sei zu sehen, dass erst mit einer Neugenehmigung Muschelkalk gewonnen werden könnte.
„Es wird in ungeheurem Ausmaß dominierend abgelagertes Schuttmaterial aus viele Meter dicken Schichten abgetragen und abgefahren. Im Übrigen wurde maßgeblich auch Muschelkalk abgebaut, der einen wesentlichen Anteil aus dem Steinbruchbereich ausgemacht hat“, sagt Binder. Als Beweis legt er fotografische Dokumentationen, Geogutachten und Kartenmaterial aus den geologisch-geotechnischen Berichten des Betreibers vor, die auch dem Landratsamt bekannt sind. Sie sollen zeigen, dass der Wettersteinkalk in einem bloß untergeordneten Verhältnis zu den anderen Materialien im Steinbruchbereich stehen und den illegalen Abbau vom Muschelkalk auch an der Sichtschutzwand belegen würde.
So sollen überschlägig 155000 Kubikmeter Abraum angefallen sein. „Ein derartiger umfangreicher nicht genehmigter Abbau ist in keinem Fall nur untergeordnet zum gesuchten Wettersteinkalk. Damit kommt der Betreiber einer wesentlichen Auflage für den Betrieb der Anlage nicht nach“, stellt Binder fest. Der Betreiber habe bei den Gewinnsprengungen die Schwinggeschwindigkeiten an verschiedenen Messstellen gemessen und die Ergebnisse an einen Fachingenieur zur Erstellung eines Gutachtens übergeben, das den Auslegungsunterlagen zur Steinbruchneugenehmigung vom April 2019 beilag. Auffällig seien dabei Messungen an der Bichleralm gewesen. So wären vor der Bichleralm vom Betreiber annähernd verdoppelte Schwinggeschwindigkeiten nach einem Zeitintervall vom August 2017 bis Juni 2018, bei gleichzeitiger Sprengladungsreduzierung, gemessen worden. „Grund dafür ist vermutlich der im gleichen Zeitintervall erfolgte Abbau und die Beseitigung der Schutthalde zwecks Freilegung des Wettersteinkalks“, so Binder. Wird der Abbau nicht gestoppt, könne es zu einem Einstürzen von Felswänden kommen.
Außerdem seien am Alpenrand Erdbebenzonen zu berücksichtigen. Selbst wenn keine aktuellen Sprengungen im Steinbruch stattfinden würden, könne es zu einer Katastrophe kommen. Das Erdbeben vom 23. Oktober 2019 im Inntal erinnerte an die Erdbebenzone.
Die geologische Situation oberhalb des Steinbruchs würde ein besonderes Risiko darstellen und wäre in den bislang vorgelegten Unterlagen zur geplanten Erweiterung des Steinbruchs ignoriert worden.
„Es ist nicht nachvollziehbar, dass in der Genehmigung hierüber keine Aussagen getroffen sind, obwohl im und über dem Steinbruch Sturzkanten und Sturzablagerungen als Georisiken bestehen. Erst recht nicht, dass in dieser Situation sogar noch über eine Erweiterung in das Risikogebiet hinein entschieden werden könnte“, so Reisinger. „Es fehlt zu allen angesprochenen Punkten eine plausible Beurteilung seitens der Genehmigungsbehörde und des Betreibers.“