Mit Sturmgewehren an „grüner Grenze“

von Redaktion

Militärkommando Tirol patrouilliert am Hechtsee bei Kiefersfelden

Kiefersfelden/Tirol – Wer vom Hechtsee spricht, benutzt gerne Adjektive wie malerisch oder paradiesisch zur Beschreibung der dortigen Landschaft. Doch die gewohnte Idylle wird derzeit getrübt. Denn an der sogenannten grünen Grenze am Hechtsee patrouillieren Soldaten des österreichischen Bundesheeres – und kontrollieren dabei auch die Ausweise deutscher Spaziergänger.

Umgeben von Bergen zieht der Hechtsee zahlreiche Besucher wie ein Magnet an. Vor allem Kiefersfeldener besuchen den See im Sommer zum Baden oder wie in der aktuellen Situation zum Spaziergehen und Frische-Luft-Schnappen. Klar, denn der See ist in ein paar Minuten fußläufig von Kiefersfelden aus erreichbar. Allerdings liegt der Bergsee bereits hinter der Grenze im österreichischen Tirol. Aufgrund der Corona-Pandemie und der damit verbundenen Grenzkontrollen können Bürger derzeit nicht wie gewohnt die Grenzen ins Nachbarland überschreiten.

Facebook-Post
sorgt für Kritik

Mit einem Facebook-Post informierte das Militärkommando Tirol die Netz-Community jüngst Spaziergänger und Wanderer aus Deutschland, die am Hechtsee die Grenze überschreiten, anhalten und ihre Daten aufnehmen und dann nach Deutschland zurückschicken. Die Fotos der mit Sturmgewehren bewaffneten Soldaten sorgen für Zündstoff in den Kommentaren.

Der Kiefersfeldener Bürgermeister Hajo Gruber konnte auf Anfrage der OVB-Heimatzeitungen zu den Kontrollen keine genaue Auskunft geben. „Ich weiß, dass es gemacht wird, ich kenne die Bilder.“ Allerdings sei die Gemeinde weder vom österreichischen Bundesheer noch vom angrenzenden Land Tirol über diese Maßnahmen unterrichtet worden. Auch die Diskussion um die Waffen der Soldaten sei Gruber bekannt, gehöre wohl aber zum Prozedere, sagt er.

Menschen, die in Grenzgebieten leben, haben sich in den vergangenen Jahrzehnten an die durch das Schengenabkommen der Europäischen Union offenen Grenzen gewöhnt. „Wir als Grenzgemeinde sind derzeit von Tirol komplett abgeschottet“, sagt der Kiefersfeldener Bürgermeister. Dies findet er sehr schade, aber gerade weil das österreichische Bundesland schon zu Beginn der Pandemie im März als Corona-Hotspot gehandelt wurde, seien alle Maßnahmen zur Eindämmung des Virus notwendig, sagt Gruber.

„Es ist ein schwieriges Thema. Grundsätzlich sollten die Grenzen offenbleiben. In der aktuellen Situation ist das Vorgehen des österreichischen Bundesheeres aber verständlich.“ Gerade als Grenzgemeinde sei in Zeiten von Corona Zusammenhalt und gegenseitiges Verständnis gefordert, „auch wenn viele Kieferer den See gerne zum Baden nutzen“, sagt Gruber.

Auf Anfrage der OVB-Heimatzeitungen bestätigte das Militärkommando Tirol die Kontrollen im Rahmen des sicherheitspolizeilichen Assistenzeinsatzes „Grenzraumüberwachung“. Zusammen mit der Polizei werde die „grüne Grenze“, also naturnahe Wege an der Grenze zu Deutschland, unter anderem im Bereich des Hechtsees, überwacht.

Aber dürfen Soldaten Ausweise kontrollieren? „Die rechtliche Voraussetzung dafür liegt im Artikel 79 der österreichischen Bundesverfassung. Darin kann eine Assistenz des österreichischen Bundesheeres von anderen gesetzmäßigen österreichischen Behörden in Anspruch genommen werden“, sagt Presseoffizier Frank Nalter. An den geöffneten Grenzübergängen unterstütze das Tiroler Militärkommando die Gesundheitsbehörden bei den Gesundheitskontrollen.

Für die Überwachung am Hechtsee werden die Soldaten von der österreichischen Polizei für diese Aufgaben herangezogen. Das Bundesheer sei für diesen speziellen bundesweiten Grenzeinsatz mit den dafür erforderlichen Befugnissen der Polizei ausgestattet, erklärt Nalter. In diesem Zusammenhang sei es den im Einsatz stehenden Soldaten möglich, selbstständig bis zu zehn Kilometer hinter der Grenze Personen aus dem benachbarten Bayern anzuhalten. Vor allem, wenn diese im Begriff seien, die Grenze zu überschreiten oder dies bereits getan hätten. Dabei nehmen die Soldaten die Daten auf und schicken die betreffenden Personen wieder zurück nach Hause. „Sollte eine solche Abweisung an Uneinsichtigkeit oder gar Widerstand scheitern und nicht möglich sein, wird die Polizei verständigt, die dann weitere Schritte veranlasst“, mahnt der Offizier.

Tragen von
Waffen ist Pflicht

In den sozialen Medien hatten viele Nutzer kritisiert, dass die Soldaten schwer bewaffnet mit Sturmgewehren ihre Arbeit verrichten. Viele fragten sich, ob die Bewaffnung wirklich nötig sei. Presseoffizier Frank Nalter begründet den Einsatz der „zugewiesenen Waffen“ mit dem gesetzlichen Behördenauftrag. Dieser verpflichte die Soldaten zum Tragen der Gewehre. Zum Einsatz kamen die schweren Geschütze aber noch nicht. „Die Kontrollen verliefen bis jetzt freundlich und ohne Zwischenfälle. Wir möchten uns an dieser Stelle ausdrücklich auch bei der verständnisvollen und disziplinierten Bevölkerung bedanken“, sagt Nalter.

An welchen Tagen die Soldaten am Hechtsee patrouillieren – ob nur am Wochenende oder jeden Tag – darüber wollte das Militärkommando Tirol keine konkreten Angaben machen. Auch wie lange die Soldaten an dem beliebten Bergsee noch präsent seien, hänge von den weiteren Entwicklungen der Corona-Pandemie, sagt Frank Nalter.

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