Aschau – Buchstäblich auf vielen Hochzeiten getanzt, hätte dieses Sommersemester Professor Dr. Natascha Mehler, Archäologin mit dem Schwerpunkt Mittelalter- und Neuzeitarchäologie. Die Betonung liegt auf dem Konjunktiv, denn wegen Corona kam alles ganz anders. Die gebürtige Oberpfälzerin, die seit knapp zehn Jahren mit Ehemann Markus und den beiden Kindern Smilla (7) und Sölvi (10) in Aschau wohnt, muss schon allein aufgrund ihrer Lehrtätigkeiten an verschiedenen Universitäten europaweit pendeln.
Engagements
an Universitäten
Natascha Mehlers Hauptarbeitgeber ist das Schifffahrtsmuseum Bremerhaven. Daneben lehrt sie an der Universität Wien und an der Salzburger Paris-Lodron- Universität und erfüllt Lehraufträge als Honorary Reader (Ehrendozentin) am Institute for Northern Studies der University of the Highlands and Islands (UHI) in Schottland. Ab Herbst leitet sie den Lehrstuhl für Archäologie an der Universität Tübingen. Und als wäre das noch nicht genug, engagiert sie sich beim Aschauer Heimat- und Geschichtsverein (HGV) und ist dort seit Ende Januar dieses Jahres neue Vorsitzende.
Wie sie das alles unter einen Hut bekommt? „Zum Glück arbeitet mein Mann als Service-Manager im Homeoffice und ist somit mehr oder weniger immer daheim“, sagt Natascha Mehlers. Viele der Seminare und Vorlesungen, die sie anbietet, sind Blockveranstaltungen. Digitale Veranstaltungen sei sie gewohnt, sagt sie. Denn die UHI ist aufgrund ihres großen Einzugsgebiets eine Lehranstalt, die das meiste online anbietet.
Nichtsdestotrotz vermisst sie den persönlichen Kontakt zu Studenten und Kollegen, ebenso fehlen ihr die archäologischen Ausgrabungen. Normalerweise sei der Sommer für Archäologen die „peak season“ (Hochsaison), aber das falle jetzt alles flach. Keine Ausgrabungen und Lehrgrabungen, keine echten Vorlesungen. Dennoch müssen die Studenten weiter betreut werden und die eigenen Forschungsarbeiten weiter laufen.
Ehrfurcht vor
allen „Heimarbeitern“
„Ich empfinde Ehrfurcht vor allen, die jetzt arbeiten müssen und gleichzeitig ihre Kinder zu Hause betreuen. Sei es, weil die Kindergärten zu oder die Schulen noch nicht offen sind.“ Auch wenn Natascha Mehlers mit ihrem Mann gleich zu Beginn der Krise die Aufgabenverteilung – Hausarbeit, Home Schooling und zwei Homeoffices – abgesprochen hat, so laufen die Pläne nicht immer konform der Absprache. Da Hausaufgabenblätter ausdrucken, da noch Vokabeln abfragen beim Fünftklässler, dort E-Mails beantworten oder Lehrveranstaltungen ausarbeiten und digital stellen. „Derzeit muss ich mein übliches Arbeitspensum noch konsequenter zusammenpressen“, sagt die Dozentin. Und dennoch kann sie der Krise auch viel Positives abgewinnen: „Ich habe mehr Zeit für meine Familie, und da haben wir es in Aschau schon sehr schön.“ Auch beim Aschauer HGV ist der Veranstaltungskalender corona-bedingt geschrumpft. Einerseits bedauerlich, findet sie, denn zum 75. Jahrestag des Endes des Zweiten Weltkriegs war eine Veranstaltung mit Zeitzeugen geplant.
„Das können wir aber noch hoffentlich diesen Herbst durchziehen.“
Aber andererseits sei es auch gut als kreative Pause, denn es warten viele Hausaufgaben auf sie und ihr Team: Beim Projekt Römerregion Chiemsee, bei dem sich Aschau mit dem Höhenberg einbringt, laufen noch die letzten Arbeiten. Auch die Homepage müsse überarbeitet werden.
Sie wolle auch neues, jüngeres Publikum gewinnen. „Da denken wir an eine Kooperation mit Schulen und Eltern.“ Und das Allerbeste an der corona-bedingten „Verbannung“ ins Homeoffice sei der Klimaschutz. Eine besonders stressige Woche sah beispielsweise Dienstreisen und Konferenzen in Salzburg, Kirkwall (Orkney Islands) und Siena, Italien, vor: „Das wäre aber eine Ausnahmewoche gewesen, so viel muss ich sonst nie in einer Woche reisen“.
In der aktuellen Situation hat Natascha Mehlers stattdessen einfach die drei Konferenzen nacheinander an einem Tag online mittels Zoom-Meetings abgehandelt. Und damit sehr viel CO2 gespart.