Tourismussaison kaum noch zu retten

von Redaktion

Wie Wasserburgs Fremdenverkehr unter dem Lockdown gelitten hat

Wasserburg – Minus 73 Prozent bei den Ankünften, minus 67 Prozent bei den Übernachtungen bis einschließlich März: „Die Zahlen sind erschreckend“, seufzt Andrea Aschauer von der Touristinfo. Doch langsam erholt sich die Stadt vom Lockdown: Die Anfragen ziehen wieder an, seitdem Hotels und Gaststätten sowie Vermieter wieder öffnen dürfen. Wird der Fremdenverkehrsstandort Wasserburg die Corona-Pandemie mit einem blauen Auge überstehen? Aschauer und ihre Kollegin Carolin Meingassner hoffen auf den expandierenden Deutschlandtourismus – und auf gutes Wetter.

Chance für alle, die online präsent sind

Fest steht bereits jetzt: Die Tourismuskrise werden all jene Vermieter überleben, die sich online gut aufgestellt haben, sagt Aschauer. Denn der potenzielle Gast hatte in den vergangenen Wochen des Lockdown viel Zeit für die Recherche im Netz. Wer sich hier jetzt mit einer attraktiven, Mut machenden Homepage präsentiert, kann auf Buchungen hoffen, sagt Aschauer.

In der Touristinfo stehen nicht nur Fragen nach freien Zimmern oder Ausflugsmöglichkeiten in Coronazeiten im Mittelpunkt, sondern auch viele zu den Hygieneregeln im Fremdenverkehr. Aschauer und Meingassner haben sich schon durch fünf Verordnungen mit jeweils zehn bis zwölf Seiten, „geschrieben im feinsten Beamtendeutsch“, geackert. Kurzfristige Änderungen sind an der Tagesordnung, die Webseite des Gesundheitsministeriums ist derzeit am PC in der Touristinfo am Marienplatz immer offen.

Für Verunsicherung sorgen nach Erfahrungen der beiden Tourismusexpertinnen der Stadt die unterschiedlichen Handhabungen in den Bundesländern. Was der Urlauber in Sachsen darf, darf er noch lange nicht in Bayern. Die Lockerungen, so willkommen sie auch waren, kamen nach Meinung von Aschauer außerdem oft sehr kurzfristig. Der Informationsbedarf der Gäste sei groß, „wir müssen immer auf dem neuesten Stand sein“.

Das gilt auch für die Vermieter der 399 Betten in Wasserburg und im Wasserburger Land, die sich dem Buchungssystem der Gäste-Information im Rathaus angeschlossen haben. Hotels und Pensionen können sich aufgrund ihrer personellen Kapazitäten meist besser auf die Herausforderungen einstellen als private Vermieter. Doch Letztere bieten Zimmer oft nur im Nebenerwerb an, sind also finanziell nicht so abhängig.

Doch es geht aufwärts. Vor allem die Radtouristen radeln an. Die Radkarte der Touristinfo geht weg wie warme Semmeln und muss ständig nachgeordert werden, freuen sich die Tourismusexpertinnen der Stadt. Der typische Wasserburg-Gast ist nach ihren Angaben ein „Best Ager“. Er bleibt etwa zwei Nächte. Verunsichert durch die Corona-Krise möchte er in diesen Zeiten kurzfristig buchen und stornieren können. Diese Möglichkeit ist auf den Internet-Buchungsplattformen unter den Top-Fünf der Suchkriterien, berichtet Aschauer. Die Vermieter sollten sich nach ihren Erfahrungen darauf einstellen, dass sie flexibler reagieren müssen, weil es nicht mehr lange im Voraus verbindlich gebucht wird.

Coronabedingt im Trend liege außerdem die Buchung von Ferienwohnungen. Sie bieten einen geschützten Raum, in dem sich viele Urlauber am besten aufgehoben fühlen, so die Erfahrung. Nach wie vor darf pro Wohneinheit mit einem Bad nur ein Haushalt einchecken. Im Hotel dürfen nicht Vertreter von zwei Haushalten an einem Tisch sitzen, berichtet Aschauer. All dies führt dazu, dass sie und ihre Kollegin potenziellen Gästen bei der Buchung auch schon mal eher indiskrete Fragen stellen müssen, erzählen sie schmunzelnd.

Tagestourismus leidet: Busreisende fehlen

Wasserburg lebt außerdem vom Tagestourismus. Die Innstadt ist ein typisches Schlecht-Wetter- und Eintages-Ausflugsziel. Als eine der ersten Kommunen hat die Touristinfo ihre Stadtführungen wieder aufgenommen. Trotzdem steht fest: Die Hauptsaison für Angebote dieser Art – die ersten Monate im Jahr bis Ende Mai – ist coronabedingt ins Wasser gefallen. Die Hauptzielgruppen – Gruppen aus Vereinen, Firmen und Busreisenden – dürfen noch nicht so reisen, wie sie es gewohnt sind. Deshalb ist die Stadtführersaison 2020 vermutlich nicht mehr zu retten. Bis Ende Mai fanden im vergangenen Jahr 159 gebuchte Führungen statt, heuer waren es im gleichen Zeitraum nur 22.

Der typische Tagestourist möchte außerdem gerne shoppen und einkehren. Das ist mittlerweile wieder möglich, doch das Einkaufsvergnügen und die Freude am Wirtshausbesuch sind aufgrund der vielen Auflagen gedämpft, bedauert Aschauer. Die Gastronomie gehört nach ihren Erfahrungen zu den großen Verlierern der Krise: Das Landesamt für Statistik spreche von einem Umsatzminus von 40 Prozent.

Wie es weitergehen wird, ist nach Überzeugung der Expertinnen aus der Touristinfo schwer abschätzbar. „Wir müssen schauen, wie die nächsten Monate laufen. Doch ich denke, wir können nicht wieder ganz aufholen“, bedauert Andrea Aschauer.

„Sehr schleppende Anmeldungen“

Hotel Fletzinger: „Seit dem 1. Juni haben wir für die touristischen Zwecke unser Haus wieder geöffnet, müssen aber ein striktes Hygienekonzept beachten“, sagt Hotelchefin Anna Steinbacher. Der personelle Aufwand sei dadurch enorm gestiegen. Das vormals so beliebte Buffet dürfe aber nicht mehr angeboten werden, jetzt müsse der Gast nach Karte bestellen. Anmeldungen von neuen Gästen verlaufen nach ihren Worten „sehr schleppend“, die Zahl der Übernachtungen habe abgenommen. „Die Leute trauen sich einfach noch nicht.“ Anna Steinbacher setzt auf eine allmähliche Besserung der Lage: „Wir hoffen, dass wir durchkommen werden.“ Aber: „Die Radlfahrer bleiben aus, und wir haben ganz viele Busse und auch Familienfeiern verloren.“

Privatvermieterin: Eine private Vermieterin in der Altstadt, die anonym bleiben möchte und zwei Zimmer und eine Ferienwohnung zur Vermietung hat, sieht schwarz für die Saison. „Ich überlege, ob sich der Aufwand überhaupt für mich lohnt.“ Dazu komme, dass es auch keine Nachfrage gebe: „Es ist nichts mehr los.“ win

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