Vorzeigemodell in Sachen Nachhaltigkeit

von Redaktion

Alles Wirtschaften soll dem Gemeinwohl dienen: Was schon in Artikel 151 der Bayerischen Verfassung steht, macht sich auch die „Region in Aktion“ (GbR) zunutze. In Zeiten von Corona und geschlossenen Grenzen musste das internationale Netzwerk kreativ werden.

Aschau-Sachrang – Seit Jahren ist die Region in Aktion ein Beispiel dafür, wie Nachhaltigkeit und umweltbewusste Nahversorgung funktionieren können. Die offene EU-Grenze zu Österreich waren für das internationale Netzwerk und den Austausch der Schlüssel zum Erfolg des Modells. Doch dann kam Corona – und die Akteure mussten kreativ werden.

Produkte zu Fuß über
die Grenze geschafft

Wer meint, die Region in Aktion ließe sich durch die Grenzschließung aufgrund der Corona-Pandemie ausbremsen, der irrt. Die geschlossene Grenze hat den Lebensmittelstrom zwischen den Produzenten und Kunden der Region in Aktion diesseits und jenseits der Grenze nur wenig gestört. Zu Fuß wurde „geschmuggelt“, besser gesagt die Produkte hin- und hergetragen.

Franz-Josef Mispagel, einer der Initiatoren und Koordinatoren des Netzwerks, erinnert sich im Gespräch mit den OVB-Heimatzeitungen an die Anfänge des Projekts. Barbara Lochbihler (Grüne), Mitglied im Europaparlament, sei bei einer Wanderung der Initiative „Bauernland und Bauersleut“ so begeistert gewesen, dass sie die Verantwortlichen nach Brüssel ins EU-Parlament eingeladen habe.

Dort präsentierten sich 2016 die fünf Initiativen Sachranger Dorfladen, Bauernland und Bauersleut, Prientaler Bergbauernladen, D’Sachranger Bergbauern, die tirolerische Sennerei Hatzenstädt sowie die Gemeinde Aschau. „Wir hatten Schmankerl aus der Region dabei, die allen Parlamentariern gut geschmeckt haben“, sagt Mispagel und schmunzelt bei der Erinnerung an die Tage in Brüssel.

Bei der GbR ist der Sachranger Dorfladen – 2017 aus eigenen Kräften neu gestaltet und an den Grundsätzen der Gemeinwohl-Ökonomie ausgerichtet – die tragende Säule. Laut Mispagel sei er „mehr als ein anonymer Tauschplatz der Waren gegen Geld“. Mit seinem Café sei er gleichzeitig „sozialer Marktplatz“.

Im Januar 2019 erhielt der Sachranger Dorfladen auf der Internationalen Grünen Woche in Berlin die Auszeichnung „Dorfladen des Jahres 2019“.

Aber auch die anderen Initiativen können sich sehen lassen, ergänzt Dieter Johannes Strauch. Seit mehr als zehn Jahren gibt es die Wanderungen durch Flora und Fauna des Kampenwandgebietes mit den Bäuerinnen und Landfrauen von Bauernland und Bauersleut. Der Verein D-Sachranger Bergbauern trägt zur Artenvielfalt und dessen Erhaltung in der Kulturlandschaft im Priental bei, die Genossenschaftssennerei Hatzenstädt am Niederndorferberg ist seit Jahrzehnten eine Kleinsennerei mit Bio-Heumilch-Produkten.

Der Prientaler Bergbauernladen am Aschauer Bahnhof hat im vergangenen Jahr 20-jähriges Bestehen gefeiert.

2019 sei überhaupt ein besonderes Jahr gewesen, sagt Mispagel: Zusammen mit der Schweisfurth-Stiftung, der Stadt München, und dem Institut für angewandtes Stoffstrommanagement (IfaS) der Hochschule Trier am Forschungsprojekt „WERTvoll“ Leipzig und Umland habe man bei einem Workshop in der Alten Schule in Sachrang im November die Akteure – von den Produzenten bis hin zum Vertrieb – analysiert und nach Wert und Wichtigkeit beurteilt. Dabei habe sich der Sachranger Dorfladen als stärkste Säule erwiesen, dicht gefolgt vom Prientaler Bergbauernladen. Drittwichtigster Akteur ist die politische Gemeinde Aschau.

Die grenzüberschreitende Kooperation sei auch global bedeutsam, sagt Mispagel. Da gebe es die Zielsetzungen der UN-Dekade „Biologische Vielfalt 2011 bis 2020“, die Alpenkonvention „Deklaration Bevölkerung und Kultur“, die bayerische Alpenstrategie „Marktplatz der Generationen“ oder dem Gemeindenetzwerk „Allianz in den Alpen.“ Alles Ansatzpunkte, an denen das Netzwerk weiter anknüpfen wollte – bevor Corona alles über den Haufen warf.

Weitere Projekte
liegen noch auf Eis

Weitere Ideen des Netzwerks liegen derzeit auf Eis, bedauert Mispagel. „Unsere Idee, unsere Kooperation lebt ja nicht nur von den Waren, sondern von den Produzenten, den Menschen, die dahinter stehen. Und von den Kunden.“ Also allen, die der Idee einer grenzüberschreitenden, wertschöpfenden Kooperation aufgeschlossen gegenüberstehen und diese als Mitglieder unterstützen wollen. Die Öffnung der innereuropäischen Grenzen und zunehmende Lockerungen kommen da genau richtig.

Was ist „Region in Aktion“?

Die Region in Aktion ist ein Zusammenschluss von fünf Initiativen zwischen dem Priental und Niederndorferberg (Tirol). Das grenzüberschreitende Netzwerk fokussiert sich auf innovativen Formen der Zusammenarbeit zwischen Bauern und Verbrauchern, den Handlungsfeldern Landwirtschaft, Lebensmittelerzeugung und Vermarktung, Umwelt- und Naturschutz, sowie dem Tourismus und der Kommune Aschau. Netzwerk organisiert sich selbstständig und auf demokratischer Basis.

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