Traditionstheater in der Warteschleife

von Redaktion

Im 101. Jahr des Bestehens können die Wildenwarter nicht auf die Bühne

Wildenwart – Vor über 100 Jahren wurde in Wildenwart erstmals Theater gespielt. Fünf Jahre später gründete sich die Theatergesellschaft. Bis heute sind die Aufführungen Bestandteil des Trachtenvereins „Die lustigen Wildenwarter“. Wegen Corona wurde diese heuer abgesagt. Ein Blick in die Vereinschronik zeigt, dass das regelmäßige Spielen ab dem Jahr 1919 für wichtige Einnahmen nach dem Ersten Weltkrieg sorgte. Nach zwölf gelungenen Aufführungen fehlte noch eine Organisation, sodass sich die Spieler am 15. Mai 1924 entschlossen, die Theatergesellschaft Wildenwart ins Leben zu rufen. Matthias Hamm aus Mitterreith wurde zum Direktor gewählt, Vorsitzender wurde Sepp Gmeiner aus Prutdorf.

Der gesamte Verein zählte damals 16 Herren und sieben Damen, die Erlöse aus den mehrmals im Jahr gezeigten Aufführungen kamen der Dorfgemeinschaft zugute: unter anderem für den Bau des Kriegerdenkmals in Prutdorf, der 1934 eingeweihten Wildenwarter Pfarrkirche „Christkönig“ oder für Brand geschädigte Nachbarn.

Wichtiger Beitrag
in der Nachkriegszeit

Am 15. September 1934 beschloss die Theatergesellschaft ihre Auflösung – und gliederte sich in den Trachtenverein ein. Bis zum Zweiten Weltkrieg wurde zweimal im Jahr gespielt, kriegsbedingt gab es eine Pause. Zu Weihnachten 1945 wurde mit dem Stück „s´Everl vom Waldhof“ der Theaterbetrieb wieder aufgenommen. In den ersten Nachkriegsjahren gingen die Theatererlöse an das Bayerische Rote Kreuz und das Flüchtlingswerk. 1952 wurde das Stück „Das erste Kreuz am neuen Friedhof“ zugunsten für den neuen Wildenwarter Friedhof aufgeführt. Von da an wurde regelmäßig zu Ostern und zu Weihnachten ein Stück inszeniert.

Einer, der lange Spielleiter war und tragende, oftmals „depperte“ Rollen übernahm, war Robert Gmeiner aus Atzing. Mit den OVB-Heimatzeitungen teilt er seine Erinnerungen an das Wildenwarter Theater.

Der erste Auftritt vor Publikum war für Robert Gmeiner bei einem Seniorennachmittag, die der damalige Pfarrer Johann Strobl eingeführt hatte. Gmeiner war Mitglied bei der Wildenwarter Jugend und mit dabei, als der aus Bad Endorf stammende Hochzeitslader Alois Rheintaler Ansager bei der Veranstaltung war. „Robert, das kannst Du nächstes Jahr auch machen, Du musst nur aufpassen, dass die Witze nicht zu grob werden“, mit diesen Worten habe ihn der Pfarrer überredet, sodass er Ansager wurde.

„Ich war noch keine 16 Jahre alt, da bat mich Spielleiter Stoib, auch beim Wildenwarter Theater mitzumachen“, berichtet er. Zwei Jahre später ging er zum Verein. 1969 übernahm Gmeiner das Amt des Spielleiters – für ganze 20 Jahre. „Die Wilderer-Stücke waren weit über Wildenwart hinaus bekannt, der Klassiker war das Drama um den Wilderer Jennerwein“, erläutert Gmeiner. Als dieses erstmals 1954 gespielt wurde, habe er die Rolle des Gastes aus Berlin übernommen. Hans Stoib, der damals auch im Winter von seiner Aschauer Wohnung nach Wildenwart stundenlang zu Fuß unterwegs war, spielte den Jennerwein und Martin Huber war der rücksichtslose Pföderl, so Gmeiner.

Königliche Hoheit
saß in erster Reihe

Viele Mitspieler aus Wildenwart und den Nachbarorten sorgten unter Gmeiners Regie für Kurzweil bei den Besuchern. Bei den Premieren-Vorstellungen waren als Ehrengäste in der ersten Reihe: Prinzessin Helmtrud von Bayern vom Schloss Wildenwart (sie wurde im Ort als Königliche Hoheit hoch geschätzt), Pfarrer Johann Strobl, Bürgermeister Hans Steindlmüller und die Charakter-Darstellerin Elisabeth Flickenschild aus Hittenkirchen, die die Wildenwarter Theatergemeinschaft mehrfach mit Dankes- und Kritik-Briefen lobte.

Nach der Zeit von Robert Gmeiner übernahmen Evi Prankl, Richard Zettl, Helga Freund und seit nunmehr zehn Jahren Sylvia Riepertinger das Amt der Spielleiter/in.

Heuer hätten die Theaterleute – das Ensemble umfasste heuer elf Mitglieder – das Stück „Der Pfennigfuchser“ aufgeführt, berichtet Sylvia Riepertinger. Ende September würden die Proben sechs Wochen vor der Aufführung für gewöhnlich beginnen. „Wir haben aber im Juli beschlossen, dass wir die Aufführung dieses Jahr absagen werden“, sagt die Spielleiterin.

Ohne Corona spielen die Wildenwarter laut Riepertinger vor rund 180 Gästen. In Corona-Zeiten würden in dem kleinen Saal nur rund 30 Zuschauer Platz finden. „Das macht nur wenig Sinn. Wir sind sehr gespannt, wie es im nächsten Jahr weitergeht.“

Heuer Absage wegen Corona

Seit 1995 wird in Wildenwart an Weihnachten oder im Herbst gespielt, von 2001 bis 2004 fielen die Aufführungen mangels Spielleiter aus. Seither spielten die Wildenwarter stets im ausverkauften Schlosswirtschafts-Saal. Die für heuer geplanten Termine sind wegen der Corona-Krise vom Trachtenverein „Die lustigen Wildenwarter“ abgesagt worden.

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