Höslwang/Chiemgau – „Wenn ma a Kreiz baun, dann a g‘scheids!“, sollen Schmiedemeister Josef Hell, genannt „Schmied Sepp“, und Schreinermeister Franz Schaffner aus Höslwang damals gesagt haben, als sie beschlossen, ein neues Gipfelkreuz für die Kampenwand zu errichten. An diese Worte erinnert sich Stefan Rieplhuber (92) aus Höslwang bis heute. Er ist einer der Zeitzeugen, die helfend beim Bau 1950 mitgewirkt haben.
Stefan Rieplhuber verbindet viel mit der Kampenwand, dem „Hausberg der Höslwanger“. Von seiner Terrasse aus eröffnet sich ein Panoramablick auf die Chiemgauer Alpen, auch von seinem Wohnzimmer aus kann der Höslwanger Altbürgermeister die Kampenwand sehen.
Ein „g‘scheids“ Kreuz
aus Eisen musste her
Dann schwelgt er in Erinnerungen. „Nachdem der Schaffner Franz 1947 aus der jugoslawischen Kriegsgefangenschaft zurückgekehrt war, ging er ein Jahr später mit seinen Kindern auf die Kampenwand und entdeckte dabei das kaputte Gipfelkreuz aus Holz“, berichtet Rieplhuber. Ein Blitzschlag hatte das Gipfelkreuz zum Gedenken der Gefallenen des Ersten Weltkriegs zerstört. Daheim berichtete er seinem Nachbarn, Josef Hell, davon. Gemeinsam beschlossen sie, ein „gscheid‘s“ Kreuz aus Eisen zu bauen, um damit den Kriegsgefallenen der Chiemgau-Gemeinden ein Denkmal zu setzen.
„Aus alten Sauerstoffflaschen“, erinnert sich Rieplhuber, hat Josef Hell die Kreuzteile aneinandergefügt. Zuvor hatte er die Kunde nach außen getragen, denn das Vorhaben musste durchgesetzt und finanziert werde.
Laut der Festschrift von Wolfgang Bude zum 50. Jubiläum der Einweihung hatte auch der damalige Rosenheimer Landrat Georg Knott schnell davon Wind bekommen und die Gemeinden des Landkreises Rosenheim und Traunstein um finanzielle Unterstützung gebeten, die vor allem aus dem Landkreis Rosenheim kam. Die Medien berichteten lebhaft über das Vorhaben – auch international.
Im Sommer 1949 war Josef Hell mit seinem Eisenkreuz nach rund 2000 Arbeitsstunden fertig. Im September 1949 stimmte der Aschauer Gemeinderat der Kreuzerrichtung zu – unter der Voraussetzung, dass der Bau und die Finanzierung ohne Zutun der Gemeinde Aschau vonstattengehe.
Nachdem der Aschauer Baron Ludwig Benedikt von Cramer-Klett als Grundstücksbesitzer seine Einwilligung erteilt hatte, das Kreuz auf dem Ostgipfel zu errichten, begann die Errichtung – und das Schleppen. Das mächtige Zwölf-Meter-Kreuz musste dafür zunächst nach Prien und anschließend per Eisenbahn nach Niederaschau gebracht werden.
Einige Erinnerungen von Stefan Rieplhuber daran sind zwar verschwommen; wie er als junger Mann mit zahlreichen Helfern aus Höslwang und der Nachbargemeinde Pittenhart das Baumaterial auf den Gipfel schleppte, weiß er aber noch genau. „Das war kompliziert“, sagt er. „Mit dem Radl sind wir jeden Samstag nach Hintergschwendt gefahren.“
Auch der Sockelbau für das Kreuz erforderte Kraft. Zement, Wasser, Sand, Werkzeug – rund 400 Zentner Baumaterial mussten laut Zeitzeugenberichten per Hand zum Gipfel getragen werden. Wie oft Rieplhuber damals den Weg antrat, weiß er nicht mehr. An die Kraxelei trotz Last in den Händen kann er sich erinnern. „Man musste sich ja irgendwie festhalten“, berichtet er. Durch die Kaisersäle ging es um den Felsen herum zum Gipfel. Von Niederaschau bis zur Steinlingalm hatte der Anfang September verstorbene Kink Pauli das 56 Zentner schwere Kreuz mit seinen Mulis gebracht. Um es auf den Gipfel zu hieven, hatten die Höslwanger inzwischen eine motorbetriebene Seilwinde errichtet. Am 24. September 1950 gegen Mittag stand das Kreuz, das am 26. August im darauffolgenden Jahr feierlich eingeweiht wurde. Seit 1951 war Josef Hell Ehrenbürger der Gemeinden Höslwang und Hohenaschau. 1955 wurde ihm das Bundesverdienstkreuz verliehen.
Einmal pro
Woche am Berg
Um die Wartung und Pflege des Gipfelkreuzes kümmert sich nach seinem Vater – nun schon in der dritten Generation – Franz Schaffner junior, Enkel des Schreinermeisters und Miterbauers. „Ich bin etwa einmal pro Woche oben“, sagt er. Streicharbeiten, die Wartung der Absturzsicherung oder Arbeiten an der Beleuchtung – aktuell wird an der Umstellung auf LED-Technik gearbeitet – übernehmen Schaffner und ein kleines Helferteam ehrenamtlich. „Die Wartung, Pflege und die Finanzierung liegen ganz in der Hand der Gemeinde Höslwang“, erklärt Schaffner. Seit 1955 findet jedes Jahr ein Gedenkgottesdienst auf der Kampenwand statt. Heuer musste er wegen Corona abgesagt werden. Stefan Rieplhuber war seit der Einweihung und bis 2016, bis es ihm aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr möglich war, jedes Jahr dabei. Ihm und seiner Familie ist es besonders wichtig, dass die Geschichte der Höslwanger Erbauer weitergegeben und bewahrt wird.