Sachrang – Im beschaulichen Sachranger Ortsteil Stein sagen sich nicht nur Fuchs und Hase gute Nacht – sondern jetzt auch der Wolf. Vor allem den Almbauern bereitet das umherstreifende Raubtier große Sorgen (wir berichteten). Seit gut zwei Wochen beobachten sie bei ihren Tieren seltsames Verhalten. Sie berichten von ausgebrochenen Herden und scheuenden Tieren. Auch Irmgard Aigner aus Stein hatte den Wolf am vergangenen Sonntag nur wenige Meter vor ihrem Haus gesehen.
Kater wird
zum Wachhund
„Ich wollte den Kater rauslassen“, berichtet sie. Es sei schon spät am Abend gewesen, als sie die Tür öffnete und Kater Felix plötzlich auf der Türschwelle kehrtmachte und zurück ins Haus lief. Sie habe daraufhin die Tür geschlossen und das Hoflicht angemacht, um zu sehen, was ihren Stubentiger verschreckt hatte. „Da stand der Wolf, keine drei Meter von der Tür.“
Irmgard Aigner blieb ruhig. Schließlich hatten ihr Nachbar Josef Schmid und Schwiegersohn Lorenz Obermüller am Nachmittag die Ziegen und Schafe, auf die sie aufpasst, schon reingeholt. Sie machte das Licht wieder aus, und der Wolf verschwand hinterm Haus. „Mir konnte er ja nichts tun“, sagt sie.
Josef Schmid war schon am Sonntagnachmittag in Alarmbereitschaft. Ein Urlauber hatte den Wolf gesehen, fotografiert und den Anwohnern Bescheid gegeben. Das machte schnell die Runde.
Wenig später sah auch er das Raubtier, das offenbar unterwegs zu Irmgard Aigners Grundstück war. „Ich habe dann sofort meine Ziegen, die auch dort stehen, in den Stall verfrachtet“, erinnert er sich. Auch Aigners Schwiegersohn Lorenz Obermüller, der in Prien wohnt, hatte seine neun Schafe „in einer Hauruckaktion“ am Sonntag verladen und nach Prien in den Stall gebracht.
Die Anspannung bei den Bauern ist groß. Normalerweise grasen die Tiere bis Ende Oktober auf den Weiden. Viele bringen sie aber schon jetzt in Sicherheit. „Meine Ziegen lasse ich nur noch tagsüber raus, nachts kommen sie in den Stall“, erklärt Schmid. Seine Ziegenböcke müsse er allerdings nach Einbruch der Dunkelheit auf der Weide lassen, bis er einen Unterstand für sie gefunden hat – was ihm Unbehagen bereitet.
Bei seinen Tieren stellt Schmid seit Tagen Nervosität fest. Am Dienstagmorgen fand er das Gehege seiner Ziegenböcke leer vor. Der Elektrozaun war intakt, der Strom eingeschalten. Von den Böcken fehlte jede Spur. „Ich vermute, dass sie über den Zaun gesprungen sind“, sagt er. Gut 600 Meter weiter habe er sie dann – zum Glück unverletzt und vollzählig – in einem Holzverschlag gefunden. Auch nachdem Schmid sie auf die Weide zurückgebracht hatte, hätten sie sich seltsam verhalten: „Sie liefen andauernd im Kreis und haben sich nicht entspannt hingelegt, wie sonst.“
Und wie sieht es weiter oben am Berg aus? Wie eine Mitarbeiterin berichtet, habe an der Priener Hütte noch keiner den Wolf gesehen – weder Gäste noch Personal. Dass sich Wölfe so nah an Häuser der Menschen herantrauen, ist laut Bayerischem Landesamt für Umwelt (LfU) nicht ungewöhnlich. „Wölfe meiden zwar den Menschen, jedoch nicht menschliche Infrastrukturen wie Straßen oder Wege“, so ein Sprecher des LfU. In ihrer Raumnutzung passten sich Wölfe an die Aktivität des Menschen an.
Bereiche ihres Streifgebietes, in denen tagsüber viele Menschen anzutreffen seien, würden Wölfe nur in der Nacht nutzen. „Im Schutze der Dunkelheit laufen sie durchaus unmittelbar an bewohnten Häusern vorbei. Ähnliches Verhalten kennt man von Rehen und Füchsen.“
Aschaus Bürgermeister Simon Frank bleibt gelassen. „Bislang sind noch keine Meldungen zum Wolf im Rathaus eingegangen. Mir ist auch noch kein Schadensfall bekannt“, erläutert er. Er verstehe die Sorgen der Landwirte. Die Gemeinde könne aber nichts tun. Dafür sei der „Bayerische Aktionsplan Wolf“ vom Landesamt für Umwelt entwickelt worden.
Die Förderung für den Herdenschutz kann auf dem Gebiet der Gemeinden Samerberg, Frasdorf und Aschau für Zäune und Herdenschutzhunde beantragt werden.
In der Tourist-Info Aschau habe es von Gästen noch keine Fragen oder Bedenken zum Wolf gegeben. „Unsere Telefone laufen nur wegen Corona heiß“, so Herbert Reiter, Chef der Tourist-Info.