Wasserburg/Amerang – Mit acht Jahren Teppichknüpfer in Pakistan, heute im Alter von 26 Jahren ausgebildete Tief- und Straßenbaufachkraft, dazwischen unter anderem Fliesenleger und Vorhangnäher. Das Leben von Hassan Rezai, der Anfang 2013 im Rahmen der Verteilung von Asylbewerbern in Wasserburg eine neue Heimat fand, gleicht einem großen Abenteuer. Sein neues Ziel: die Meisterprüfung im Tief- und Straßenbau.
„Oma und Opa“
bieten ihm Zuhause
Wenn man den Erzählungen des seit 2016 anerkannten Asylbewerbers mit Bleiberecht lauscht, die er bescheiden, aber eindringlich schildert, wird vor allem der Wunsch, ein normales Leben führen zu dürfen, deutlich.
Heute hat er eine eigene Wohnung in Osendorf bei Amerang bei „Oma und Opa“, wie er liebevoll seine beiden „Paten“, Irene Meissner und Emmeram Spötzl nennt. Die hatten sich 2014 im Rahmen der Aktivitäten des Wasserburger Patenprojektes zunächst seiner und einiger anderer junger Männer aus Afghanistan angenommen.
Hassan selbst wurde in Quetta in der pakistanischen Provinz Belutschistan geboren. Seine Eltern stammen aus Afghanistan und flohen einst wegen des Bürgerkrieges vor den Taliban ins Nachbarland. Aber auch hier war die Familie, die der Volksgruppe der Hazara angehört, nicht sicher, wurde diese doch dort vor allem von den radikal-islamistischen Lashkar-e-Jhangvi verfolgt.
Aus seiner Zeit als jugendlicher Vorhangschneider bleibt die Erinnerung, nie sicher gewesen zu sein, bei Wareneinkauf oder -verkauf in der Stadt am Ende des Tages wieder heil in der eigenen Wohnung anzukommen.
Schließlich sei der Druck zu groß geworden, der 18-Jährige brach zu seiner vier Monate dauernden Flucht auf. Hassan war neben seiner Arbeit auch immer in die Schule gegangen und hatte zusätzlich Englisch gelernt. Neben seinem heimischen Hazari-Dialekt beherrscht er die Sprachen Urdu und Dari. Über den Iran, die Türkei, Griechenland, Mazedonien, Serbien, Ungarn und Österreich gelangte der junge Mann schließlich nach Bayern, wo er zunächst gar nicht bleiben wollte, denn Schweden sei sein eigentliches Ziel gewesen, erzählt er.
Heute sei das allerdings kein Thema mehr, denn Hassan nutzte die Chancen, die ihm in Wasserburg geboten wurden, mit außergewöhnlicher Beharrlichkeit, viel eigenem Einsatz, Fleiß und Zielstrebigkeit sehr konsequent. Sein erster Plan damals, als sich der Wasserburger Helferkreis im Rahmen des Patenprojektes Asyl im evangelischen Gemeindehaus zu formieren begann, war Deutsch zu lernen. Er wusste: „Nur so kann ich mir eine Zukunft schaffen.“
Aber in einen Sprachkurs zu kommen, war damals gar nicht so einfach. Mit Hilfe der Wasserburger VHS, die schnell und entschlossen handelte und damals das Sprachlern-Angebot spontan ausweitete, gelang es Hassan mit seiner Sprachbegabung, innerhalb von fünf Monaten die B1-Prüfung zu schaffen. Auf sein Ergebnis – 156 von möglichen 165 Punkten – ist er heute noch stolz.
Ein Jahr mit weiterer Vorbereitung an der Berufsschule ermöglichte es ihm schließlich, im Juli 2014 eine Ausbildung bei der Schlosser GmbH in Schambach als Straßenbauer zu beginnen.
Hier merkte er, dass vor allem die nötigen Bairisch-Kenntnisse erworben werden mussten, um erfolgreich zu sein. Aber auch das meisterte er. Am 1. Juli 2017, als er mit einem befriedigenden Ergebnis in der Gesellenprüfung schließlich ausgelernt hatte, „da bin ich richtig glücklich gewesen“, strahlt Hassan. „Ich hätte dieses Glück am liebsten rausgeschrien.“
Schließlich seien seine Anstrengungen und sein Kampf gegen alle Widrigkeiten erfolgreich gewesen. Auch den Führerschein hat er seit drei Jahren in der Tasche. Sein nächstes Ziel steht auch schon fest: die Meisterprüfung.
Ein Zurück
gibt es nicht
Viel zum Durchhalten und zum Erfolg Hassans haben jedenfalls „Oma“ Irene Meißner und „Opa“ Emmeram Spötzl beigetragen. Sie haben sich über Jahre hinweg rührend um ihn – aber auch um andere Asylbewerber – gekümmert und allen einen familiären Anschluss angeboten. Bei aller emotionalen Zuwendung stand immer der Wunsch im Mittelpunkt, den Jungs eine neue Heimat zu geben. Ihrem Hassan stellen sie inzwischen im Anbau ihres Hauses sogar eine gemütliche Wohnung zur Verfügung.
Hassans eigene Familie lebt immer noch in Pakistan. Zurück kann er nicht, denn Hassan hat nur afghanische Ausweispapiere, obwohl er in diesem Land noch nie war. Und Pakistan, wo seine Familie lebt, nähme ihn wegen seiner Staatsangehörigkeit gar nicht mehr auf.