Flintsbach – Der Donnerstagabend war Hanni Karrer (77) und Anne Mayer (72) immer heilig: Um diese Zeit fanden im Pfarrheim nämlich stets die Kirchenchorproben statt. Und in den vergangenen 60 Jahren haben sie nur selten eine verpasst: „Wenn es irgendwie möglich war, dann bin ich zur Probe gegangen. Das hat mir immer viel Kraft gegeben“, sagt Anne Mayer. Vor einigen Tagen wurden die Flintsbacherinnen nach dem Patroziniums-Gottesdienst in der Pfarrkirche St. Martin für 60-jährige Mitgliedschaft im Kirchenchor mit einer Dankurkunde der Erzdiözese München-Freising ausgezeichnet. Mit den OVB-Heimatzeitungen haben die Jubilarinnen über das Singen gesprochen und darüber wie sehr sie die Proben in Zeiten von Corona vermissen.
Mit 17 Jahren
zum Kirchenchor
dazugestoßen
Singen mochte Hanni Karrer schon immer. Schon als kleines Mädchen hat sie zusammen mit ihrer Mutter Lieder gesungen. Begabt sei ihre Mutter gewesen, aber viel zu bescheiden: „Meine Mama meinte immer, die anderen sängen viel besser als sie. Aber ich war überzeugt, sie hätte auf jeden Fall im Kirchenchor mitwirken können.“ Mit 17 Jahren trat Hanni dann dem Neubeurer Kirchenchor bei, neun Jahre später wechselte sie zum Flintsbacher Kirchenchor: „Ich hab in Flintsbach eingeheiratet und ein Freund meines Mannes meinte, ob ich nicht Lust hätte, dem Flintsbacher Kirchenchor beizutreten.“
Das tat die 77-Jährige – und sie blieb dem Chor bis heute treu: „Das ist eine ganz tolle Gemeinschaft, dadurch war ich in Flintsbach voll integriert“, sagt sie. Durch den Chor hat sie auch viele Freunde gewonnen, darunter Anne Mayer. Etwa dreißig Jahre lang sang sie zusammen mit Mayer und Lydia Huber, einer weiteren Freundin, einen Dreigesang. Auf Maiandachten oder bei Seniorenfeiern traten sie häufig auf. Vor zehn Jahren nahmen sie sogar eine CD auf und verkauften sie, um bei der Finanzierung der neuen Kirchenorgel zu helfen. Hanni Karrer möchte die Zeit im Kirchenchor nicht missen: „Die Freude am Singen ist immer geblieben. Musik berührt einfach die Seele.“
Umso schmerzlicher sei es für sie, dass seit März keine Proben mehr stattfinden dürfen. Sie kenne einige Nachbarsgemeinden, die, als es kurzfristig wieder erlaubt war, Proben auf Abstand abgehalten hätten. Aber der Flintsbacher Kirchenchor hätte sich bewusst dagegen entschieden: „Mit Abstand zu proben ist so eine Sache …“, findet die 77-Jährige. Das Zusammensingen und Zusammenhören sei schwieriger.
Um auch während der Corona-Krise am Ball zu bleiben, singt Anne Mayer zuhause bei Radio-Liedern mit. Und sie besucht sonntags die Kirche: „Die Orgel hören – das hilft mir schon wieder.“ Singen sei immer „ihre Medizin“ gewesen. Und die Chorproben würden ihr „schon richtig“ fehlen. In den vergangenen sechzig Jahren habe sie schon sechs Chorleiter miterlebt, auch habe sie viele Mitglieder kommen und gehen sehen. Und immer sei es eine Gemeinschaft geblieben, zu der sie sich gern dazugesellte.
Ob jetzt nach 60 Jahren Schluss ist? „Ein paar Jahre will ich schon noch bleiben“, sagt die rüstige Seniorin. Auch Hanni Karrer möchte noch eine Zeit lang beim Flintsbacher Kirchenchor mitwirken. Und beide sind sich einig: „Wir freuen uns schon wieder, wenn wir oben auf der Empore stehen dürfen.“ Dass die beiden Flintsbacherinnen langjährige Sängerinnen seien, würde man ihnen ansehen, findet Pfarrer Helmut Kraus: „Sie strahlen so viel Freude und Fröhlichkeit aus.“ Dass der Flintsbacher Kirchenchor so eine lange „Durststrecke“ hinter sich habe, sei bedauerlich.
Aber Pfarrer Kraus ist überzeugt: Gerade dann, wenn einem eine Zeit lang etwas entzogen wird, wird es zusätzlich an Wertigkeit gewinnen. Sobald der Kirchenchor, der in Flintsbach eine „feste Größe“ sei, wieder singen dürfe, werde er von den Menschen mit Sicherheit wieder dankend angenommen werden.