Stephanskirchen – Kompetenzen des Gemeinderates auf die Ausschüsse verlagern und deren Sitzungen auf unverzichtbare und unaufschiebbare Entscheidungen zu beschränken, solange die Corona-Pandemie wütet, befristet bis zum 31. März, stand auf der Tagesordnung des Gemeinderates. Eine bittere Pille, die fast alle zu schlucken bereit waren. Bis auf Christian Helget (Freie Wähler) und Friedrich Kreutz (AfD). Beide sind fraktionslos und damit in den Ausschüssen nicht vertreten.
Noch am Abend nach der Sitzung ging in der Verwaltung ein Schreiben ein, nach dem Helget und Kreutz eine Ausschussgemeinschaft bilden wollen. „Zumindest so lange unter Pandemie-Bedingungen Gemeindepolitik gemacht wird“, so Helget auf Nachfrage der Redaktion. Er sprach von einer „Entmachtung des Gemeinderates“, fügte aber auch an, dass die Ausschussgemeinschaft nicht wolle, dass andere Fraktionen ihretwegen Ausschusssitze verlieren.
Keine Befristung
auf Corona-Zeiten
Bürgermeister Karl Mair (Parteifreie) und Geschäftsleiter Georg Plankl sagten auf Nachfrage, ihnen sei nichts von einer Befristung der Ausschussgemeinschaft bekannt, diese sei auch dem Schreiben von Helget nicht zu entnehmen. Dr.Andreas Gaß, Fachmann für Kommunalverfassung beim bayerischen Gemeindetag, hält diese für bedenklich, so sei das Instrument der Ausschussgemeinschaft nicht gedacht.
Der Bürgermeister hatte, in Absprache mit den Fraktionen und der Verwaltung, vorgeschlagen, die Sitzungen des Gemeinderates vorerst bis Ende März auszusetzen. Er folgte damit einer Empfehlung des bayerischen Innenministeriums vom 10. Dezember, Sitzungen mit Blick auf das Infektionsgeschehen auf unverzichtbare und unaufschiebbare Entscheidungen zu beschränken. So weit wie Rosenheim, wo der 44-köpfige Stadtrat mehrheitlich die Einführung eines Pandemierates mit elf Mitgliedern und weitreichenden Kompetenzen bis hin zur Verabschiedung des Haushaltes beschlossen hat, wollte Mair nicht gehen. Im großen Gremium weitertagen aber auch nicht, zumal es Mitglieder des Gemeinderates gibt, die Angst um die eigene oder die Gesundheit Angehöriger haben, und die seit Herbst nicht mehr an den Sitzungen teilnehmen.
Die nötigen Entscheidungen sollen auf die sachlich zuständigen Ausschüsse verteilt werden, weitreichende Entscheidungen wie Gemeindehaushalt, Erweiterung der Otfried-Preußler-Schule, Zukunft der Feuerwehren und Entwicklung Haidholzen Südost aufgeschoben werden, bis wieder andere Verhältnisse herrschen. Er hoffe, so Mair in der Sitzung, dass es möglicherweise schon Ende März so weit sei, dass wieder alle 24 Räte gemeinsam tagen können; „Ich würde auch lieber ausgiebig in großer Runde diskutieren, zumal das auch der Verwaltung die Arbeit erleichtert, aber das ist im Moment nicht gut.“
Die Reaktionen der Fraktionen reichten von „nicht lustig“ (Parteifreie) bis „bitter“ (SPD). Die Bayernpartei brachte den Antretter-Saal ins Spiel, was aber nicht gehe, „weil der als Gastronomie gilt und damit geschlossen ist, barrierefrei ist er auch nicht“, so Mair.
Friedrich Kreutz (AfD) war absolut gegen die vorübergehende Übertragung der Kompetenzen auf die Ausschüsse. Bundes- und Landtag seien derzeit schon aus dem politischen Geschehen ausgeschlossen, der Gemeinderat nun nicht auch noch. „Das ist der Einstieg in den Ausstieg aus der Demokratie“, so Kreutz.
Christian Helget (FW) fühlte sich als Fraktionsloser „komplett ausgeschlossen.“ Zumal er als Nicht-Mitglied in den Ausschüssen keine Nachfragen stellen könne. Er würde mit Kreutz solange eine Ausschussgemeinschaft bilden, „damit wir auch involviert sind.“
Das gehe so ad hoc gar nicht, so der Bürgermeister, sondern brauche einen gewissen Vorlauf, weil der Gemeinderat bei Personalwechseln oder bei einer Vergrößerung der Ausschüsse zustimmen müsse. Und dafür müsse die Angelegenheit auf der Tagesordnung stehen. Provisorisch könne man Kreutz und Helget auch nicht zu Aussschussmitgliedern machen, das sei rechtlich schwierig, vor allem, wenn dann einer der beiden etwa bei einem umstrittenen Bauantrag mitstimme, zu dem dann geklagt werde.
Vorschlag: Reden ja, abstimmen nein
Mair schlug als Kompromiss vor, dass in jedem der drei in Frage kommenden Ausschüsse jeweils einer der beiden fraktionslosen Gemeinderäte Rederecht habe, aber kein Stimmrecht. Damit waren die Gemeinderäte – bis auf Kreutz und Helget – einverstanden, übertrugen den Ausschüssen bis 31.März weitere Kompetenzen. Ein paar Stunden später kam die E-Mail zur Gründung der Fraktionsgemeinschaft im Rathaus an.