Amerang – Gesundheit und einen baldigen Impftermin gegen Corona – die Wünsche von Konrad Linner senior zu seinem 90. Geburtstag sind bescheiden. „Mehr brauche ich nicht, denn ich bin sehr zufrieden mit dem, was ich aus meinem Leben gemacht habe“, stellt der Pfaffinger fest.
Ehefrau Ulla, mit der er vor zwei Jahren die diamantene Hochzeit feiern konnte, die drei Kinder und die sieben Enkelkinder hätten ihm viel Freude geschenkt. Und auch sein Beruf und seine ehrenamtlichen Tätigkeiten hätten ihn zeitlebens bereichert, erzählt Linner, der für die Ausbildung einer ganzen Generation von Landwirten im Landkreis Rosenheim verantwortlich war.
In Zeiten von Corona fehlen dem 90-Jährigen besonders die zwischenmenschlichen Kontakte. Beispielsweise seine wöchentlichen Schafkopfrunden oder die Treffen mit Freunden und Bekannten. Über die vielen Geburtstagsglückwünsche, die per Post oder telefonisch eintrafen, hat sich der rüstige Jubilar riesig gefreut.
Generationen
von Landwirten
ausgebildet
Obwohl – viel Aufhebens um seine Person mag Konrad Linner senior nicht. Dabei hat sich der Pfaffinger als Heimatforscher, Kommunalpolitiker und ehrenamtliche Triebfeder große Verdienste erworben.
Konrad Linner wurde am 28. Januar 1931 in Vordersberg, Gemeinde Soyen, geboren. Mit vier älteren Geschwistern wuchs er auf dem elterlichen Bauernhof auf. Noch vor seinem vierten Geburtstag verlor er seine Mutter. Der Zweite Weltkrieg brachte einen großen Einschnitt.
Da die drei Brüder im Kriegseinsatz waren und einer nicht mehr heimkehrte, musste er als Bub schon sehr früh Arbeiten im Stall und auf dem Feld übernehmen. Nach dem Besuch der Volksschule in Lengmoos arbeitete er bis zur Rückkehr seines Bruders auf dem elterlichen Hof.
Anschließend erreichte er auf einem Sonderweg die Zulassung zum Studium zum Agraringenieur. „Eine harte Zeit“, erinnert sich Linner.
Von Lehrmittelfreiheit habe man damals nur träumen können. Das dreijährige Studium von 1950 bis 1953 und seinen Aufenthalt im Internat musste er sich mit seinem Erbteil vom Hof finanzieren „und dabei jeden Pfennig zweimal umdrehen“. Seine ersten Dienstjahre absolvierte der frischgebackene Agraringenieur in Deggendorf in Niederbayern. 1957 erfolgte die Versetzung als Berater an das Landwirtschaftsamt Wasserburg.
Ein Jahr später heiratete er ins „Weber-Anwesen“ in Pfaffing ein und fand damit in der damaligen Gemeinde Evenhausen eine neue Heimat.
Nach der Landkreisreform von 1973 bis zur Pensionierung 1995 war Linner senior verantwortlich für die Berufsausbildung zum Landwirt im Landkreis Rosenheim. Und auch nach seiner Pensionierung war er ein gefragter Mann. Im Auftrag der EU war er in Warschau maßgeblich daran beteiligt, ein duales Ausbildungskonzept für die Ausbildung in Polen auf den Weg zu bringen.
Hört man sich in der Gemeinde Amerang um, ist viel Wertschätzung für den Träger der Bürgermedaille spürbar. „Der Konrad hat viel für das Zusammenwachsen der Gemeinde getan und sich unschätzbare Verdienste in der Heimatforschung erworben“, bringt es Altbürgermeister Gust Voit auf den Punkt. Bei der Gebietsreform 1971 habe sich der „grundsolide Demokrat“ nach dem Beitritt seiner Heimatgemeinde Evenhausen zu Amerang kommunalpolitisch mit „Haut und Haar“ für das Zusammenwachsen und für die Entwicklung der neuen größeren Gesamtgemeinde Amerang engagiert, betont Voit.
Von 1971 bis 1984 habe Konrad Linner als Mitglied des neuen Gemeinderates und als Dritter Bürgermeister die Entwicklung der neuen Gemeinde Amerang maßgeblich mitgestaltet. Aber auch darüber hinaus war Linner aktiv: 37 Jahre im Pfarrgemeinderat Evenhausen, davon 25 Jahre als Vorsitzender, dazu Dekanatsrat, Mitglied im Kirchenchor und Männergesangverein. Besonders die Geschichte der Heimat liegt ihm am Herzen.
Als Pfarrgemeinderat sei beim Sortieren alter Urkunden 1969 auch das Interesse für die Geschichte der Pfarrei Evenhausen geweckt worden. Das Ergebnis dieser über viele Jahre vollzogenen Heimatforschung: das Buch „Evenhausen 782 – 2002“. Wer Linner kennt, weiß, dass der Ruhestand nicht lange anhielt. „Man muss dem Leben einen Sinn geben und braucht immer neue Aufgaben“, lautet sein Lebensmotto.
Mit dem Buch „Haus- und Hofgeschichte 1366 – 2010 in den Gemeindeteilen Amerang, Kirchensur und Stephanskirchen“ brachte er sein zweites historisches Werk heraus.
Als Experte für
altdeutsche Schrift
sehr gefragt
Die Gemeinde Amerang hat Linner viel zu verdanken, betont auch sein Sohn Konrad, der nun als Bürgermeister die Geschicke lenkt. Mit der Unterstützung und den Büchern des Vaters habe man unter anderem die Haus- und Hofbeschilderung im Rahmen eines Leader Projekts umsetzen können.
Und auch heute noch hat der 90-Jährige wichtige Aufgaben. Als Experte für altdeutsche Schrift übersetzt er alte Übergabeurkunden aus dem 18. Jahrhundert, denn die Schreibweise und auch die alten Ausdrücke sind kaum noch bekannt. Darüber hinaus kümmert sich Linner senior um seine Schafe und Bienenvölker. Langeweile kennt er nicht und „mit Gottes Segen“ hofft er, dass das noch lange so bleiben wird.