Jessica von Bredow-Werndl
Profi-Dressurreiterin
Kiefersfelden/Oberaudorf – Seit fast zwölf Jahren sind Bianca Berndanner (27) und ihr bester Freund Benny unzertrennlich. Jeden Tag fährt die Kiefersfeldenerin über die Grenze nach Niederndorf. Dorthin, wo ihr „Criollo“ in einem Stall steht, mit den Hufen scharrt, und auf Futter und Bewegung wartet. Aber seit die Grenzen für Pendler zwischen Österreich und Deutschland weitgehend geschlossen sind, gestaltet sich die Tierversorgung laut der 27-Jährigen schwierig. Zunächst habe sie noch Ausnahmegenehmigungen vom Landratsamt Rosenheim zur Wiedereinreise nach Bayern erhalten. Aber seit Sonntag, 21. Februar, sei damit Schluss, berichtet die Pferdebesitzerin.
Versorgung wird
auf Dritte übertragen
Die Begründung: Das Tier stehe in einem gemeinschaftlichen Stall mit Pferden anderer Besitzer. Daher, so berichtet Bianca Berndanner, könnten auch Dritte mit der Versorgung ihres Pferdes beauftragt werden.
Zwar habe die Kiefersfeldenerin einen Bekannten aus Tirol, der sich jetzt um Benny kümmere. Aber eine Dauerlösung sei das nicht: „Jeder hat Familie, jeder hat einen Job. Ein Pferd zu versorgen ist Arbeit. Und mit dem Füttern allein ist es ja nicht getan. Ein Pferd braucht ausreichend Bewegung. Mindestens eine Stunde lang.“ Außerdem treibe sie die Sorge um: Was tun, wenn das Pferd plötzlich krank wird? „Darf ich dann rüber oder nicht?“ Sie habe sogar schon überlegt, Benny kurzzeitig im Inntal unterzubringen. „Aber man sollte die Pferde nicht aus ihrer gewohnten Umgebung reißen“, findet Bianca Berndanner.
Während des ersten Lockdowns im März habe es keinerlei Probleme mit der Ein- und Ausreise gegeben. „Es war immer gewährleistet, dass ich mein Pferd füttern kann.“ Neben einem Schreiben des Kufsteiner Veterinäramtes, das bestätige, dass sie für die Grundversorgung ihres Pferdes selbst zuständig sei, habe Berndanner ein solches Schreiben auch von den Stallbesitzern. So habe die 27-Jährige das auch dem Landratsamt geschildert. Aber die Antwort blieb dieselbe: Solange eine Unmöglichkeit der Tierversorgung nicht vorliege, und diese auf Dritte übertragen werden könne, werde eine Ausnahmegenehmigung nicht erteilt.
„Ziel aller aktuellen Maßnahmen an der Grenze ist es, ein Einschleppen von Virusvarianten möglichst zu verhindern“, erklärt Michael Fischer, Sprecher des Landratsamtes Rosenheim auf Nachfrage. Tierwohl stelle „selbstverständlich ein hohes Gut“ dar. Zur ordnungsgemäßen Versorgung der Tiere müsste der Tierhalter diese mindestens zwei Mal täglich füttern – „also mehrmals am Tag hin und her pendeln oder zumindest jeden Tag einmal pendeln“, so Fischer. Neben eines Nachweises des Tierhalters, wie viele Tiere wo gehalten werden – beispielsweise durch Vorlage des entsprechenden Pacht- oder Mitvertrages –, müsse auch nachgewiesen werden, dass eine Versorgung der Tiere durch andere Personen nicht möglich ist. „Nur nach dem Rechten sehen zu wollen, ist keine Begründung für eine Ausnahmegenehmigung“, macht Fischer deutlich.
Ursula Aufinger aus Oberaudorf, ebenfalls Pferdebesitzerin, beschleiche allmählich das Gefühl, dass diese Genehmigungen mit einer „absoluten Willkür“ verteilt werden. Auch sie und ihre Familie dürften ihre Pferde, die in Kufstein in einem Reitstall untergebracht seien, seit 14. Februar nicht mehr sehen. Aber von anderen Tierhaltern wisse sie, dass sie eine Ausnahmegenehmigung erhalten hätten.
Für die Oberaudorferin ist das unbegreiflich: „Unsere Pferde drehen allmählich am Rad.“ Abgesehen, davon, dass es eine Zumutung sei, jemand anderen damit zu beauftragen, sich von heute auf morgen um fremde Pferde zu kümmern, sei es auch gefährlich. „Die Pferde sind nicht ausgelastet.“ Es fehle die Bewegung. „Die lassen sich von anderen auch überhaupt nicht mehr führen.“
Vierbeiner brauchen
auch viel Bewegung
Dazu käme natürlich auch der emotionale Aspekt. Eine ihrer Töchter hätte gerade erst Leukämie überstanden. Aus Therapiegründen habe sie deshalb vor rund zwei Wochen ein neues Pferd für das Mädchen angeschafft. „Jetzt hat sie sich gerade mal eine Woche lang mit dem Pferd beschäftigt und nun ist Schluss“, echauffiert sich Ursula Aufinger. Das ganze Thema müsse man in ihren Augen schon etwas differenzierter betrachten. Nur, weil es theoretisch möglich wäre, die Tierversorgung auf Dritte zu übertragen, heiße das nicht, dass das auch sinnvoll sei. „Mittlerweile sind wir echt verzweifelt.“