„Friseure nicht systemrelevant“

von Redaktion

Pendlerregelung durch teilweise Grenzschließung sperrt derzeit Kräfte aus Tirol aus

Kiefersfelden/Oberaudorf – Haariges Problem im deutsch-österreichischen Grenzgebiet bei Kiefersfelden und Oberaudorf. Tiroler Friseurinnen können derzeit ihren Laden in Deutschland nicht öffnen. Die teilweisen Grenzschließungen sowie die Einstufung als „nicht systemrelevant“ machen dem Haareschneiden in Bayern einen Strich durch die Rechnung.

Ferienwohnung
in Bayern gemietet

Seit Montag haben in Bayern Baumärkte, Gärtnereien und Friseure wieder geöffnet – die Kunden stehen Schlange. Für Andrea Zandron, die ein Friseur- und Kosmetikgeschäft unmittelbar an der deutsch-österreichischen Grenze in Kiefersfelden betreibt, ein bitteres Bild.

Denn: Seit der teilweisen Grenzschließung ab 14. Dezember 2020 darf sie, die in Wörgl lebt, aufgrund der Beschränkungen bei der Einreise aus Tirol nach Deutschland nicht mehr zur Ausübung ihres Berufs nach Kiefersfelden pendeln. Friseure sind laut Innenministerium nicht systemrelevant. Verstöße würden mit bis zu 2000 Euro belegt, bestätigt der Pressesprecher des Landratsamts Rosenheim, Michael Fischer, auf Anfrage der OVB-Heimatzeitungen.

Anders sieht es dagegen aus, wenn Personen aus Österreich schon vor dem zweiten Lockdown am 14. Dezember nach Deutschland eingereist wären und sich hier in Quarantäne begeben hätten, „die könnten sich jetzt hier, wären sie ausschließlich in der BRD geblieben, frei bewegen und ihrem Beruf oder Geschäft nachgehen“, führt Fischer weiter aus.

Um ihren Friseursalon am 1. März öffnen zu können, war es für Andrea Zandron unabdingbar, sich schon am 23. Februar mit einem negativen Corona-Test auf den Weg in die Inntalgemeinde zu machen. Die Friseurmeisterin hat sich dort eigens eine Ferienwohnung gemietet, um ihr Geschäft am Montag, 1. März, öffnen zu können – „freiwilliger Corona-Test am frühen Morgen inclusive, um arbeiten zu dürfen“, wie sie betont.

Ähnlich verzwickt ist die Situation bei Claudia Zimmermann, der Inhaberin des Friseurgeschäftes „Kopfsache“ in Oberaudorf. Sie steht „vor einer schweren wirtschaftlichen Krise. „Schon beim ersten Lockdown habe ich mehr oder weniger meine gesamte Altersvorsorge aufgebraucht. Der zweite Stillstand bricht mir möglicherweise das Genick. Meine beiden Mitarbeiterinnen, darunter auch eine Tirolerin, kann ich dann nicht mehr halten.“

Die „hoch angepriesenen Überbrückungshilfen“ werden von ihr heftig kritisiert. „Die müssen zunächst einmal versteuert und dann auch noch zurückgezahlt werden, obwohl mir das Wasser schon bis zum Hals steht.“ Weitere Kosten entstehen, da diese Anträge nur über Steuerberater, Wirtschaftsprüfer oder Rechtsanwalt gestellt werden können, „was natürlich zusätzliches Geld kostet, das ich nicht mehr habe und nicht rückerstattet wird.“ Zimmermann stellt der Bundesregierung kein gutes Zeugnis aus, „denn auch wir haben Verantwortung gegenüber unseren Mitarbeitern und fühlen uns vom Staat absolut im Stich gelassen.“

Stefan Mashold, Obermeister der Friseurinnung im Landkreis Rosenheim – er hat einen Salon in Raubling – kennt die schwierige Situation. „Grenzgänger aus Tirol dürfen nicht in die Arbeit fahren und das trifft viele Kollegen im Inntal. Es ist für manche ein echtes Problem. Ich weiß von Kolleginnen, die in Tirol leben und nicht in ihre eigenen Läden in Kiefersfelden dürfen, wenn sie keinen deutschen Pass haben.“

Eine deutsche Staatsbürgerschaft erlaubt grundsätzlich die Einreise und Berufsausübung nach und in Deutschland jedoch das Pendeln zwischen Bayern und Tirol ist nur in systemrelevanten Berufen unter Erfüllung der erforderlichen Auflagen möglich.

Mit Staatsregierung
nichts zu machen

Mashold weiter: „Ich habe mit dem Landratsamt und auch mit Landrat Otto Lederer telefoniert. Auch er kann dagegen nichts tun. Mit der Staatsregierung sei da nichts zu machen, sagte er mir im Gespräch.“

Ina Krug, Sprecherin des Landratsamtes Rosenheim, führt auf Nachfrage unserer Zeitung aus: „Friseure sind vom Innenministerium nicht als systemrelevant gelistet, deswegen dürfen wir da keine Sondergenehmigungen ausstellen. Uns sind die Hände gebunden, darüber wird im Innenministerium entschieden. Wir würden gerne, dürfen aber nicht. Es tut mir für jeden Einzelnen, den es betrifft, persönlich sehr leid.“

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