Frasdorf/Rosenheim – Lockdown: Das heißt keine Gastronomie und Geschäfte, dafür aber Kontaktbeschränkungen. Viele Menschen fühlen sich in dieser Situation einsam. Was stets erlaubt bleibt, ist Bewegung an der frischen Luft. In Gesellschaft macht es einfach mehr Spaß, sodass bei der Gassirunde auffällig mehr junge Hunde auf einen zustürmen. Am anderen Ende der gespannten Leine hängt oft Frauchen oder Herrchen, die ein gehetztes: „Wir müssen noch viel lernen“ herausbringen.
Der Tierschutzverein Rosenheim sowie die Frasdorfer Tierarztpraxis Dr. Weiß und Hundetrainerin Rosi Gartner beobachten diese Entwicklung mit Argwohn. Denn auch Hundeschulen dürfen trotz eventueller Überforderung der Halter nicht arbeiten.
Mehr vierbeinige Patienten
Durch Homeoffice oder gar lange Kurzarbeit haben viele mehr Zeit. Und kommen auf den Hund. Das spürt auch Tierärztin Dr. Elke Sommerer von der Praxis Andreas Weiß aus Frasdorf. „Schon im ersten Lockdown haben uns die Leute die Türen eingerannt“, erinnert sie sich. Viele Leute hätten sich in dieser Zeit Haustiere zugelegt. Nicht nur Hunde, auch Katzen. „Einige Leute sagen, sie hätten schon länger mit dem Gedanken gespielt. Aber es wird auch viele geben, die nicht weitergedacht haben, was nach Corona kommt“, so die Tierärztin.
Ebenfalls auffällig sei, dass viele Tierhalter mit mehr Kleinigkeiten in die Praxis kämen, wie beispielsweise einer Fellverfilzung, einer abgebrochenen Kralle oder wenn sich der Stubentiger einmal übergeben hat. „Man merkt, die Menschen haben mehr Zeit und sind aufmerksamer.“
Aber viele Tierhalter seien auch überfordert – vor allem bei Erziehungsfragen von Welpen. „Auffällig ist, dass sich viele Leute keine Gedanken darüber machen, welche Rasse zu ihnen passen könnte“, erklärt die Veterinärin. So passt ein Hütehund nicht unbedingt zu einer Familie mit kleinen Kindern.
Problematisch wird es dann, wenn der Hund nicht sozialisiert wird oder wenn er gar zubeißt, weiß Hundetrainerin Rosi Gartner. Ihre Hundeschule „Rosis bunte Pfoten“ musste sie von Dezember bis Mitte März schließen. Zwei Wochen hätte sie arbeiten können, bevor die Inzidenz wieder auf über 100 anstieg und sie wieder zusperren musste.
„Ich finde das unverständlich“, sagt sie. Denn der Hundeplatz sei 2000 Quadratmeter groß – und im Freien. Auch Einzelstunden dürfe sie nicht geben. Immer mehr Leute legten sich Hunde zu, stünden dann aber in der Pandemie ohne Unterstützung da.
„Als ein Klient anrief, und berichtete, sein Hund hätte das Kind gebissen, schrieb ich Landratsamt und Politik an. Aussichtslos“, berichtet Gartner. Sie ist der Meinung: „Das Thema wird uns noch einholen.“ Denn die Sozialisierung bei Welpen sei zwischen der 16. und 20. Woche vorzunehmen. „Was der Hund da nicht lernt, ist kaum einzuholen.“
Ebenfalls eine beunruhigende Entwicklung für den Rosenheimer Tierschutzverein sei die deutschlandweite Zunahme an illegalen Welpentransporten aus dem Ausland. „Von Januar bis März haben wir sieben solcher Welpen bei uns aufgenommen“, berichtet Vorsitzende Andrea Thomas. Für das Tierheim sei es eine beachtliche Zahl. „Herausgefischt“ worden seien die Welpen an der Grenze zu Kiefersfelden.
Dem stimmt auch Hundetrainerin Gartner zu: „Der Markt für Welpen ist leer- gefegt.“ Im Umkehrschluss würden mehr Tiere illegal eingeschleust. Andere witterten ein Geschäft: „Die Preise für Rassehunde mit Papieren, aber auch für Mischlinge sind extrem angestiegen“, weiß die Frasdorferin.
Befürchtungen für
Zeit nach Lockdown
Bei der Vermittlung achtet das Tierheim sehr sorgfältig darauf, wo die Vierbeiner hinkommen: „Jemandem, der jetzt im Homeoffice arbeitet, dann aber keine Zeit mehr hat, dem geben wir keinen Hund“, sagt Thomas. Daher gehe sie nicht davon aus, dass die vermittelten Tiere wieder zurückkämen.
Allerdings befürchtet die Vorsitzende eine Zunahme der Abgaben nach der Pandemie: „So wie andere Tierheime auch, glauben wir, dass die Zahl stark ansteigen wird“, sagt Andrea Thomas.