Nußdorf – Von einem „unsichtbaren Steinbruch“ war einst die Rede, als das Südbayerische Portland Zementwerk 1961 mit den Arbeiten am Heuberg begann. Leere Versprechungen in Uli Kottmanns Augen: „Das Loch ist über all die Jahre immer größer geworden“, betont der Nußdorfer. Um zu verhindern, dass es noch gewaltiger wird, hat sich im Herbst 2020 das Aktionsbündnis „Rettet den Heuberg“ gegründet (wir berichteten). Kottmann, einer der Initiatoren, will mit Georg Binder und Sepp Reisinger die vom Betreiber beantragte Erweiterung des Steinbruchs stoppen. Unterstützung bekommen sie jetzt vom Deutschen Alpenverein (DAV) und vom Verein zum Schutz der Bergwelt. Denn sie alle teilen die Auffassung, dass der vor 40 Jahren verfasste Alpenplan missachtet wird. Große Teile des Steinbruchs sowie die gesamte Fläche der beantragten Erweiterung würden in die Schutzzone C (Alpenplan, siehe Infokasten) fallen. In einer Kundgebung am Samstag, 1. Mai, wollen sie ab 18.30 Uhr beim Schwimmbad in Nußdorf eine Stunde lang auf die prekäre Lage aufmerksam machen.
Bei 758 Metern
Seehöhe Schluss?
Der Steinbruch ist seit Jahren ein Thema: 1961 ist laut Kottmann vereinbart worden, dass dieser so anzulegen ist, dass er „nicht sichtbar“ ist. 1980 bekam der Betreiber, das Südbayerische Portland Zementwerk Gebr. Wiesböck & Co. GmbH in Rohrdorf, eine Erweiterungsgenehmigung für den Steinbruchbetrieb. Und die Initiatoren des Aktionsbündnisses sind überzeugt: Auch da sei schon einiges nicht rund gelaufen, der Alpenplan damals schon nicht eingehalten worden. Eine Zwischenverfügung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshof im Jahr 2018 bestätige, dass schon weitaus mehr abgebaut worden sei, als ursprünglich genehmigt wurde. Deshalb soll nun oberhalb von 758 Metern Seehöhe am Heuberg Schluss sein. Die Betreiber sehen das anders und haben im März 2019 beim Landratsamt Rosenheim erneut einen Erweiterungsantrag gestellt. Damit sollte der Abbau für die nächsten 50 Jahre gesichert werden.
Dagegen wehren sich das Aktionsbündnis und die Naturschützer. Auch Nußdorfs Bürgermeister Sepp Oberauer ist am 1. Mai mit von der Partie. „Der Heuberg ist unser Hausberg, unsere Postkartenansicht. Mit der Kundgebung wollen wir unsere Betroffenheit zeigen.“ Kottmann hofft, dass das Landratsamt den Erweiterungsantrag dadurch ablehnt. „Denn Zement und Kalkstein ist kein knappes Gut.“ Über Steinbrüche selbst stehe im Alpenplan nichts geschrieben, gibt Kottmann zu. Aber weitere Abbauarbeiten wären ein massiver Eingriff, der auf Kosten der Bergwelt gehen würde. „Das Ganze wird zu einem Exzess.“ So sieht das auch Dr. Klaus Lintzmeyer, Schriftführer des Vereins zum Schutz der Bergwelt. In einer Stellungnahme an das Landratsamt habe der Verein auf die gravierenden Auswirkungen auf das Landschaftsbild aufmerksam gemacht. Darüber hinaus geht der Verein davon aus, dass durch weitere Eingriffe Natur und Landschaft „erheblich oder nachhaltig“ beeinträchtigt werden. Auch raumordnungsrechtlich sei vieles nicht in Ordnung. Lintzmeyer bezieht sich dabei auf eine bestehende Zufahrtsstraße am Heuberg, die nicht genehmigt worden sei. Und diese liege genau in der Schutzzone C. „Diese Werkstraße ist deshalb als Forstweg deklariert. Ein Etikettenschwindel ist das.“ Karsten Rehbein, Vorsitzende der DAV Sektion Mühldorf, in dessen Arbeitsgebiet der Heuberg liegt, ergänzt, dass auch nicht genehmigte Abholzungen stattgefunden hätten. „Um die beantragte Erweiterung vorzubereiten“, mutmaßt er. Kritisch betrachtet die Situation auch Ulrich Berkmann, Naturschutzexperte im Resort Naturschutz im Bundesverband DAV. Ihm fehle der Informationsaustausch mit dem Landratsamt. „Warum hat man den Alpenplan bei all den Erweiterungen nicht berücksichtigt?“
„Es liegt kein
Verstoß vor“
Michael Fischer, Sprecher des Landratsamtes Rosenheim, erklärte auf Nachfrage, dass der Alpenplan von dem beantragten Vorhaben „nicht betroffen“ sei. Das Landesentwicklungsprogramm (LEP) sei in der Änderungsgenehmigung nicht Prüfungsgegenstand. „Das wäre nur im Rahmen einer Bauleitplanung nach dem Baugesetzbuch zu berücksichtigen.“ Darüber hinaus wären in den Nummern 2.3.1. bis 2.3.3. LEP nicht Ziele, sondern nur Grundsätze der Raumordnung formuliert. Es läge also kein Verstoß vor. Fischer wies zudem darauf hin, dass im Alpenplan unter den untersagten Verkehrsvorhaben keine Betriebsanlagen und bestehende Wege erfasst seien. „Die Zufahrt zum Steinbruch erfolgt vollständig außerhalb des Geltungsbereichs der Vorschriften für den Alpenplan.“ Auch seien die Zuwege „bestandskräftig genehmigt“.
Der Betreiber habe sich bewusst für ein öffentliches Verfahren entschieden: „Weil wir genau wissen, dass da großes Interesse herrscht“, so Anton Bartinger, technischer Leiter des Rohrdorfer Zementwerks, in einem früheren Gespräch gegenüber unserer Zeitung.