„Danco-Kapelle“ hat neuen Besitzer

von Redaktion

Mit einer Maiandacht wird die Öffnung der Kapelle gefeiert

Neubeuern – Die Marienskulptur steht auf einem provisorischen Altar vor der kleinen gelben Hanns-Paul-Kapelle, drum herum steht die Schiffleutbruderschaft Neubeuern in festlicher Tracht – der Anlass für die Zusammenkunft ist die Besitzübernahme dieses idyllisch gelegenen Kleinods nahe dem Inn durch den Gemeindebürger Konrad Stuffer. Rund 60 Bürger folgten dem, von der Neubeurer Klarinettenmusik begleiteten, Wortgottesdienst zu Ehren der Schutzmantelmadonna.

„Die Kaufentscheidung und Übertragung vollzogen sich schnell und war nicht vorausgeplant“, offenbarte Stuffer den OVB-Heimatzeitungen, „durch den Tod des Erbauers Walter Danco im Jahr 1997, ging die Wegkapelle an seinen Bruder Fritz, bekannter Sportreporter des SWR, und dessen Ehefrau über. Nun sollte die Wegkapelle unter den Hammer kommen“. Skeptisch verfolgte Stuffer die Absicht, ein Stück Ortsgeschichte und ländliches Kulturgut der Gemeinde in fremde Hände übergeben zu lassen. Je mehr er sich die daraus resultierenden Konsequenzen bewusst machte, ließ er sich zu der spontanen Aussage hinreißen „dann kaufe ich sie eben“.

Kapelle ist
für jeden offen

Große Zugeständnisse seitens des Verkäufers machten es möglich, dass der Kaufpreis im Laufe der Gespräche auf eine knappe fünfstellige Summe reduziert wurde. „Eigentlich kaufe ich mir nur zusätzliche Arbeit, verbunden mit einem langfristigen finanziellen Aufwand. Aber die Kapelle für die Bürger Neubeuerns zu erhalten, war mir viel wichtiger.

Zudem störte mich schon immer, dass die Türen des kleinen Gotteshauses grundsätzlich geschlossen waren. Ich möchte, dass jeder die Ausstrahlung des Gebetsorts spürt.“

Mit dem Neubeurer Kirchenmaler, Restaurator und Gutachter, Michael Pertl, sowie der Familie und Freunden machte sich Stuffer ans Werk, die Renovierungsarbeiten im Inneren des Gebäudes zu planen und umzusetzen.

Unter anderem richtet Pertl eine 175 Zentimeter große, aus einem Baumstamm geschnitzte Christusstatue ohne Arme her. Sie wurde unter einem Leinentuch in der Garage des ehemaligen Besitzers entdeckt. Im Auftrag der neuen Eigentümer des Privatwohnsitzes Dancos, der Familie zur Hörst, wurde der Korpus als Leihgabe an der westlichen Kapellenwand befestigt.

Stuffer selber steuerte auch ein Gemälde bei. Ein Nazarener, ein heiliger Antonius von Padua mit Kind im Arm, Buch und Lilie, zählte zum Nachlass der Großtante Stuffers mütterlicherseits und hing seit langer Zeit im Keller des Elternhauses. „Der Rahmen des Gemäldes war ramponiert und die Leinwand abgeblättert. Michael Pertl behob die lagerbedingten Schäden. „Jetzt befindet sich das Vermächtnis an einem gebührenden Platz“, sagt Stuffer zufrieden.

Besonders freut es den neuen Gebetshauseigentümer, dass Michael Pertl bereits vor über 40 Jahren nach Vorgaben des Erbauers Walter Danco den Innenraum der Kapelle gestaltet hatte und jetzt erneut Hand anlegte. An das Jahr 1980 erinnert sich Pertl noch genau. „Rechtsanwalt Walter Danco wollte die für ihn prägenden Stationen seiner Entwicklung, die ihn zum Bau der Kapelle bewegten, bildlich dargestellt haben.“ Diese persönlichen Meilensteine waren: sein Leben und die Flucht aus Prag nach Ostberlin, dann die Flucht nach Hamburg, den Umzug nach Bayern und seine kritische Einstellung zu der damaligen Trennung Deutschlands. Sie zeigt sich im Apsis-Fresko der Kapelle. „Die bildliche Abbildung Europas, die mit der farbigen Trennung der politischen Weltanschauungen, abgegrenzt durch den Eisernen Vorhang und mit den Symbolen seiner Lebensstationen dokumentiert, fand sofort seinen Zuspruch“, erinnert sich Pertl. Die Darstellung des gekreuzigten Christus im Zentrum und die Verlängerung der Kreuzachse über den Globus hinaus, veranschauliche die Verbindung zum Himmel. Die offenen Augen von Jesus wiesen darauf hin, dass Gott sich den weltlichen Problemen nicht verschließe, so Pertl.

Den Text über Papst Johannes Paul I., der nur 33 Tage im Amt war und dessen geistliche Anschauung Walter Danco bewunderte, hatte Danco selber vorbereitet (siehe Bild). In ihm lobt Danco die Errungenschaften Johannes Paul I..

Mahnmal gegen
die deutsche Spaltung

Beim Verlassen der im Volksmund bezeichneten Danco-Kapelle sticht ein Bild ins Auge, das der Bauherr nach Fertigstellung der Kapelle anbrachte, handsigniert mit den Worten „1980 habe ich in Neubeuern die Hanns-Paul-Kapelle errichtet. Sie sollte ein Mahnmal gegen die deutsche Spaltung sein. Wie ich damals glaubte, noch für viele Jahrzehnte. Nun wird uns nach zehn Jahren die deutsche Einheit wiedergeschenkt. Wer meine Freude darüber teilt, ist zum Dank Gottes am Mittwoch, 3. Oktober, 1990 um 10.30 sehr herzlich eingeladen. Walter Danco“

Im Zusatz erscheint die Bemerkung: „Glückliches Deutschland. Du bist befreit. Wieder (gekauft?). Kehr dir die Einheit zurück.“ Das Zeugnis Dancos ist nun dank dem neuen Besitzer Stuffer für jeden zugänglich.

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