Ein Schatz und ein Nachschlagewerk

von Redaktion

Peter Reisner (88) ist Hüter der Rohrdorfer Holzbibliothek – 41 verschiedene Holzarten

Rohrdorf – Das Rohrdorfer Heimatmuseum beherbergt viele Besonderheiten, ein ganz eigenes Kleinod darunter ist die Holzbibliothek. Und sie kommt derzeit zu Ehren, die weit über Bayern hinausreichen: Sechs Bände davon wurden an das LWL-Naturkundemuseum in Münster ausgeliehen, wo es eine große Sonderausstellung zum Thema „Alleskönner Wald“ gibt. Vorgestellt wird dort auch das Verhältnis des Menschen zum Wald – und da kommen die Holzbibliotheken mit ins Spiel.

Im 18. und 19. Jahrhundert begannen Wissen und Wissenschaft zu blühen. Nicht umsonst nennt man dieses Zeitalter das der Aufklärung. Die Weitergabe des Wissens konnte aber in diesen Zeiten nur über Bücher erfolgen. Es war dies deshalb auch die Zeit, in der die ersten Lexika entstanden, die französische Enzyclopédie, die Enzyclopaedia Britannica und der Brockhaus.

Sammlung wurde vor
40 Jahren erstellt

Auch eine Holzbibliothek ist nichts anderes als ein Lexikon, allerdings ein besonders wertvolles: Denn die einzelnen Bände sind jeweils aus dem Holz des Baumes gemacht, der beschrieben wird, wobei sich die Beschreibung dann im Inneren dieses „Buchs“ eingelegt findet. Es ist ein enormer, meist jahrelanger Aufwand, der zur Erstellung einer Holzbibliothek betrieben werden muss. Dies erklärt auch, warum sich solche „Baum-Lexika“ meist im Besitz des Adels oder der Kirche befanden. Heute gibt es nur noch ganz wenige davon und schon deshalb ist die Rohrdorfer Holzbibliothek eine Besonderheit. Richtig außergewöhnlich ist sie aber, weil es eine „junge“ Bibliothek ist. Erstellt hat sie vor rund vierzig Jahren der heute 88-jährige Gründervater des Achentaler Heimathauses: Peter Reisner. Auch er hat Jahre auf die Erstellung der Bibliothek verwendet, denn, so sagt er, brauche es viel Zeit und Geduld, um von insgesamt 41 heimischen Baumarten verwertbares Holz zu bekommen. Zur Verdeutlichung führt er das Beispiel eines Maulbeerbaums an, der in der Gemeinde Sachsenkam steht. Als der Baum ausgeastet wurde, sei er vor Jahren zufällig daran vorbeigekommen. So fiel ihm dieses seltene Holz sozusagen in die Hände. Auf die Bibliothek-Idee kam Peter Reisner, als er einen Artikel über den Benediktinerpater Candidus Huber gelesen hatte, der im frühen 19. Jahrhundert eine solche Holzbibliothek erstellt hatte. Sie ist heute in Ebersberg zu sehen, im dortigen Museum Wald und Umwelt. Und von diesem Artikel inspiriert, wollte Reisner einfach ausprobieren, ob sich heute noch so etwas schaffen ließe. Denn das Erstellen eines solchen Buches brauche viel Können und Erfahrung, sagt er. Ohne seinen Berufshintergrund – er hatte Wagner gelernt – hätte es keine Chance auf Erfolg gegeben, ist er überzeugt.

Selbst mit all seinem Holzwissen brauchte es viele Versuche, Experimente und vor allem Zeit. Das Holz müsse sehr lange getrocknet werden, damit es später rissfrei bleibe. Darüber hinaus müsse es lange getränkt werden, damit es nicht von Ungeziefer befallen werde. Vor allem die Suche nach den Hölzern würde laut Reisner viel Zeit beanspruchen. Der Rohholzblock müsse eine gewisse Größe haben, um daraus Buchdeckel aus einem Stück fertigen zu können. Der 88-Jährige habe sich in den Kopf gesetzt, die einzelnen Bände gleich groß anzufertigen – denn dadurch bekomme man gleich ein Gefühl für die Schwere der einzelnen Holzarten.

Bücher verbergen
besondere Inhalte

Überhaupt sei es dieses „Handgefühl“, welches die Besonderheit einer Holzbibliothek ausmache, sagt Reisner. Aus diesem Grund sei sie auch heute noch allen schriftlichen und bildlichen Darstellungen überlegen: Weil sich im Innern der Bände nicht nur beschreibende Texte finden, sondern auch Anfassbares: Original-Blätter oder -Nadeln, Samen, Blüten, Früchte und Hirnholzabschnitte. Und bei der Rohrdorfer Bibliothek gibt’s den Inhalt nicht – wie bei anderen noch existierenden Holzbibliotheken – hinter Glas und nur zum Anschauen: In Rohrdorf darf man die Bände selbst in die Hand nehmen. Nur hier erfülle die Bibliothek noch ihren eigentlichen Zweck: Dort können die Holzarten mit allen Sinnen erfasst werden. Vom Apfelbaum über Essigbaum und Sommerlinde bis hin zur Zirbelkiefer. Interessierte, die sich Reisners Lebenswerk mit eigenen Augen ansehen möchten, haben ab 3. Juli dazu Gelegenheit. Denn bislang ist man guter Dinge, dass das Museum im Achentaler Heimathaus wieder geöffnet werden kann.

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