Wie sicher ist Bad Feilnbach?

von Redaktion

Hangrutsch am Brechries zerstört Wanderweg – Ort ist vor HQ 100 geschützt

Bad Feilnbach – Wie sicher ist unser Ort? Diese Frage bewegt die Bad Feilnbacher angesichts der schweren Unwetter in der Region aktuell ganz besonders. Erst im vergangenen Jahr sorgte der Jenbach für Überschwemmungen. Im August 2020 hatten sich etwa 50000 Kubikmeter Geschiebe aus dem Brechries gelöst und waren ins Tal geschwemmt worden. Ein Jahr später ist der Wanderweg im oberen Bereich wieder gesperrt: Aus dem Brechries hat sich erneut Geschiebe gelöst. Auf einer Länge von etwa 50 Metern ist der Weg komplett weggespült.

Sanierung beginnt
in dieser Woche

An den Resten erkennt man Ausspülungen mit einem Ausmaß von etwa einem Meter. In dieser Woche rollen die Bagger an, um das Bachbett von Geröll und Material zu befreien, den Jenbach in sein ursprüngliches Bett zurückzuverlegen und den Wirtschaftsweg wieder aufzubauen.

Doch wie sicher ist Bad Feilnbach? Immerhin weist die Farrenpoint eine der größten Hangbewegungen in den bayerischen Alpen auf. „Ihre Westflanke bewegt sich in Richtung Jenbachtal“, erklärt Andreas Holderer vom Wasserwirtschaftsamt in Rosenheim. Diese Bewegung betrifft einen Bereich von etwa 15 Hektar, der sich über eine Höhe von rund 330 Metern erstreckt – insgesamt sieben Millionen Kubikmeter Geschiebe. Die Stirnseite dieses „bewegten Berges“ – das Brechries – besteht aus Kalken, Kalkmergel und stark verwitterungsanfälligen Tonsteinen.

„Die Folge sind großflächige Hanginstabilitäten und Felsstürze, die enorme Gesteinsmengen in den Jenbach eintragen können“, erläutert der Experte. Insgesamt sind hier etwa sechs bis sieben Millionen Kubikmeter in Bewegung. Seit 1989 wird die Westflanke der Farrenpoint mit Vermessungsinstrumenten in Bohrungen im Berg und auf der Oberfläche sowie seit 1999 mit einer automatischen Messstation überwacht. „Seitdem hat sich der Berg etwa 2,50 Meter in Richtung Tal bewegt, pro Monat sind es also etwa ein bis zwei Zentimeter“, interpretiert Holderer die vom Landesamt für Umwelt ausgewerteten Messergebnisse.

Die Geologen stufen den Abgang von sehr großen Massen aus dem Brechries als unwahrscheinlich ein, rechnen auch nicht mit ruckartigen Bewegungen, sondern eher mit einem langsamen Abbau der Rutschmassen und im Ereignisfall mit einer Hangrutschung von bis zu 50000 Kubikmetern.

Im August 2020 kam es zu diesem Ereignisfall: Im oberen Bereich wurde der Forstweg auf einer Länge von mehreren Hundert Metern komplett zerstört. Weiter unten wurde er teilweise unter- oder ganz weggespült. Am Wasserfall zerstörte die Flut Teile des mit Gitterrosten gesicherten Steigs.

Der Hochwasserschutz am Jenbach funktionierte 2020 und auch in diesem Jahr wieder. „Die Verbauung dieses Wildbachs hat schon vor etwa 120 Jahren begonnen“, berichtet Holderer. Etwa 40 bis 50 Querbauwerke befinden sich an seinem Lauf. In den vergangenen Jahren hat das Wasserwirtschaftsamt die Hochwasserschutzmaßnahmen weiter verbessert. Geschiebesperre und Wildholzrechen, die 2010 für 1,7 Millionen Euro errichtet wurden, halten auf, was ins Tal rollt. Abstürze konsolidieren nicht nur das Flussbett, sondern sollen den „jähen Bach“ auch besänftigen. Vom Brechries bis zum Parkplatz im unteren Jenbachtal gibt es Geschieberückhalteraum für rund 200000 Kubikmeter. Auch bei Hochwasser kann so im Tal nur noch Wasser, nicht aber Geröll ankommen. Bislang hat das funktioniert.

Das vom Brechries abrutschende Geröll ist auch diesmal wieder im oberen Bereich zum Stehen gekommen. Es kann im Gebiet verbleiben, wird im Laufe der Zeit beim Transport durch das Wasser ins Tal zerkleinert und bis zur Geschiebesperre weiterbewegt. Was zu viel ist, wird abtransportiert und zur Stabilisierung anderer Bachquerschnitte – wie beispielsweise an der Kalten – benutzt.

Das Treibholz hat sich an Abstürzen, Wildholzrechen und Geschiebesperren abgelagert und wird regelmäßig abtransportiert. Wichtig für die Festigkeit der Hänge und den Hochwasserschutz in den Bergen ist aber auch der Wald. „Die Wurzeln stabilisieren den Hang, halten Erde und Geröll zurück“, erklärt Holderer.

Das Einzugsgebiet des Jenbachs ist etwa 13 Quadratkilometer groß. Der Wildbach entspringt am Wendelstein, wird aus den Bergen gespeist und überwindet auf dem Weg ins Tal etwa 1100 Höhenmeter. Seine Tücken: „Wildbäche haben eine stark wechselnde Wasserführung, bei Starkregen kann es wahnsinnig schnell zu viel Wasser kommen.“ Dann stürzen etwa 70000 Liter pro Sekunde – das sind etwa 350 Badewannenfüllungen – ins Tal hinab.

„Für ein HQ 100, also ein statistisch gesehen alle 100 Jahre auftretendes Jahrhunderthochwasser, bieten die Hochwasseranlagen für den Ort Bad Feilnbach einen Grundschutz“, versichert der stellvertretende Leiter des Wasserwirtschaftsamtes und schränkt gleichzeitig ein: „Wenn sich über der Region eine stationäre Gewitterzelle ergießen würde, könnte es auch zu einem größeren Ereignis kommen. Dann würden an Campingplatz und Klinik etwa 20 Zentimeter Hochwasser stehen.“

Andreas Holderer macht darauf aufmerksam, dass es nicht mehr nur Flusshochwasser gibt, sondern flächige Sturzfluten aus Bergen, Bächen und Feldern als Folge heftiger Niederschläge in kurzer Zeit auf einer kleinen Fläche zunehmen. „Wir müssen künftig anders denken, eine wassersensible Bauleitplanung machen und hochwassergerecht bauen.“

Wasserfallsteig

Der Wasserfallsteig befindet sich am Oberen Lauf des Jenbachs. Die Schäden des Hochwassers wurden bereits beseitigt. Der Steig ist begehbar, aber nur für Menschen, die festes Schuhwerk tragen, trittsicher sind und keine Höhenangst haben. Bei Hochwasser und starkem Niederschlag sollte der Steig aber auf keinen Fall begangen werden.

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