Obing – „O du Fröhliche“: Dieses Lied erklang im August bei Familie Burkert aus Frabertsham (Obing). Sie holte das Weihnachtsfest im Sommer nach – samt Christbaum in festlicher Pracht. Schuld ist – mal wieder – Corona.
Steigende Inzidenzwerte, strenge Kontaktbeschränkungen, ein Virus, das immer näherkam und die Menschen immer weiter voneinander entfernte – das Weihnachtsfest 2020 stand unter keinem guten Stern. Noch dazu, wenn Familienbesuch aus dem Ausland erwartet wurde. So wie bei Familie Burkert.
Versprechen, dass die
Festtagsdeko bleibt
Tochter Julia lebt mit ihrem Mann und den beiden Söhnen in der englischen Hauptstadt. Wegen der kleinen Kinder feierte die Familie in den vergangenen Jahren immer in London.
2020 war die Bescherung endlich in der Heimat Obing geplant. Die inzwischen sieben- und fünfjährigen Buben sollten erstmals eine deutsche Weihnacht mit Heiligabend erleben, den es so in England nicht gibt.
Dementsprechend liefen die Vorbereitungen im Hause Burkert auf Hochtouren. Das Haus war festlich geschmückt, der Menüplan für die gemeinsamen Festessen wurde zusammengestellt und der Kühlschrank prall gefüllt. Dann der plötzliche Reisestopp für Großbritannien und die große Ernüchterung: Die Aussicht auf ein gemeinsames Fest war damit dahin. Der geplante Flug am 22. Dezember wurde gecancelt.
Mit Lebkuchen
und Stollen
„Weihnachten bedeutet uns sehr viel. Wir feiern immer gemeinsam mit den beiden Töchtern und unserer englischen Familie“, erzählt Elke Burkert. Dementsprechend seien beim Telefonat mit Julia einige Tränen geflossen. Nicht zuletzt auch deshalb, weil es ihrer Tochter endlich einmal gelungen sei, so lange über Weihnachten frei zu bekommen, dass sie mit ihrer Familie hätte anreisen können.
Natürlich habe man Kontakt über Telefon, Whatsapp und Skype, aber das ersetze kein Treffen, berichtet die Mutter. Da ihre Tochter so traurig gewesen sei, habe sie ihr versprochen, Weihnachten einfach ein bisschen zu verschieben – ohne jedoch zu ahnen, dass die geschmückte Tanne, die gesamte Weihnachtsdekoration und die eingepackten Geschenke nebst Lebkuchen und Stollen nicht nur wenige Wochen, sondern acht Monate im Wohnzimmer ausharren müssen. Die bis vor Kurzem speziell für Großbritannien geltenden Quarantänevorschriften von jeweils zwei Wochen bei der Ein- und Ausreise ohne Möglichkeit auf Freitestung machten das Reisen für Julia, die als leitende Ärztin in der Notaufnahme am Chelsea Hospital in Westminster arbeitet, praktisch unmöglich. So verschob sich das Wiedersehen Woche um Woche.
„Zu Ostern und auch an Pfingsten habe ich vorsichtig angeklopft, ob ich von meinem Versprechen, die Weihnachtsdeko beizubehalten, entbunden werden könnte. Doch die Anfrage wurde jedes Mal mit der Begründung, dass es doch jetzt nicht mehr lange dauern könne, vehement abgelehnt“, erinnert sich Elke Burkert lachend. Und so habe sie ihren Christbaum eindringlich gebeten, durchzuhalten.
Mit Erfolg, denn – scheinbar im Bewusstsein seiner Bedeutung – hatte er bis zur Bescherung am 24. August keine einzige Nadel verloren. Auch die weihnachtliche Tischdekoration hat sich beachtlich gehalten. Eine besinnliche Stimmung sei beim Weihnachtsfest mitten im Sommer dann doch nicht so recht aufgekommen, erzählt Elke Burkert. Vielmehr überwog nach ihren Angaben die ausgelassene Wiedersehensfreude.
Auf das Anzünden der Lichter am Weihnachtsbaum habe die wieder vereinte Familie aus Sicherheitsgründen verzichtet und statt der Weihnachtsgans habe sie gegrillt.
Aber das gemeinsame Singen von „O du Fröhliche“, „Ihr Kinderlein kommet‘“ und „O Tannenbaum“ sei als fester Bestandteil des Heiligen Abends auch beim sommerlichen Fest geblieben. Auch wenn die Buben es als sehr lustig empfunden hätten, im August Weihnachtslieder zu singen, erzählt Tochter Julia.
Sie war froh, ihre Familie in Deutschland gesund wiederzusehen. „Als Arzt- und Musikerfamilie mitten in London haben wir die Corona-Zeit quasi als paralleles Universum erlebt.
Einerseits totaler Stillstand des Berufs meines Mannes als Musiker, Homeschooling und die gespenstische Stille in der normalerweise so aufgeweckten Großstadt, und andererseits die totale Überlastung des Gesundheitssystems und des Krankenhauses, in dem ich als Notärztin arbeite und die Machtlosigkeit gegenüber des Virus erleben musste.“
Von außen habe es vor allem am Anfang der Pandemie so gewirkt, als ob Deutschland die Dinge gut im Griff habe, dass die Maßnahmen bemessen und intelligent kalkuliert gewesen seien. Im weiteren Verlauf habe es wohl, wie auch in anderen Ländern, Schwierigkeiten gegeben, die Maßnahmen weiterzuführen, schildert Julia Burkert ihre Sicht auf die vergangenen Monate.
Statt einer Gans
gab es Gegrilltes
Nun bleibe die Hoffnung, dass die Gesellschaft lerne, mit dem Virus umzugehen und öffentliches Leben wieder stattfinden könne. Und natürlich hoffe sie heuer auf ein reguläres Weihnachtsfest. „Dann können wir gleich zweimal in einem Jahr Weihnachten feiern.“