Oberaudorf – Ein Wildschwein auf 800 bis 900 Metern Höhe. Da ist dann auch die Kreisbäuerin verblüfft. „Es ist unüblich, dass Wildschweine bis zu uns hoch kommen“, sagt Katharina Kern. Aber der Überläufer – so heißen Wildschweine im zweiten Lebensjahr – fühlte sich rund um den Bichlersee offensichtlich sauwohl. „Der hat hier schon massiv umgegraben“, so die Kreisbäuerin.
Die Tiere graben ganze Äcker um
Ende August wurde das Tier zum ersten Mal von einer Wildkamera erfasst. „Seitdem geisterte das Wildschwein durch Wald und Feld, sehr unstet – mal hier mal da“, so Wildmeister Sepp Hoheneder.
Die Wühlschäden nahmen ab Oktober nach seiner Aussage immer beträchtlichere Ausmaße an. Wildschweine graben auf der Suche nach Nahrung – gleich ob Wurzeln, Insektenlarven, Feldfrüchte oder neugeborene Kaninchen – ganze Felder und Wiesen um.
Der am schwersten betroffene Landwirt wandte sich an Jäger Hoheneder. Dieser schlug sich die Nächte um die Ohren und hatte dieser Tage Erfolg: Der junge Keiler lief ihm im Revier Niederaudorf-Ost vors Gewehr.
„Die Front der Sauen rückt immer näher, denn auch im Tirolerischen wurden vor Kurzem einige Wildschweine erlegt“, sagt Hoheneder. Katharina Kern, die selber im Oberaudorfer Gemeindegebiet lebt, hat zwar aus den Reihen der Bäuerinnen und Bauern keine entsprechenden Rückmeldungen von vermehrtem Schwarzwildaufkommen, „aber das weiß der Jäger vielleicht besser.“
Beim Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (AELF) in Rosenheim sorgt Hoheneders Aussage für leichte Verblüffung. Amtsleiter Dr.Georg Kasberger weiß von dem konkreten Fall und im Inntal würden seit mehreren Jahren gelegentlich Schäden durch Wildschweine festgestellt. Aber von einer erheblichen Zunahme sei nichts bekannt.
„Das Vorrücken von Schwarzwild aus Tirol halte ich für unwahrscheinlich, da bislang das Vorkommen im nördlichen Landkreis immer höher als im Inntal war und eher ein Vorrücken von Nord nach Süd beobachtet werden konnte“, fügt Kasberger an. Möglicherweise, so der Leiter des AELF, lägen bei der Unteren Jagdbehörde am Landratsamt nähere Informationen vor, da dort auch die Abschussmeldungen von Schwarzwild – laut Hoheneder 2020 215 Tiere im gesamten Landkreis – registriert werden.
Vor der Unteren Jagdbehörde gibt es die Rückmeldung, dass es heuer einen Wildschweinabschuss im südlichen Landkreis gab. Zuletzt war laut Michael Fischer, Sprecher des Landratsamtes, vor zwei Jahren ein Wildschwein im Süden des Landkreises gesehen worden. „Nach unseren Informationen ist weiterhin der nördliche Landkreis eher betroffen.“
Angst vor der Schweinepest
Laut Katharina Kern treibt die Landwirte eine andere Angst als vermehrte Schweine um: Die ebenso intelligenten wie anpassungsfähigen Wildschweine, absolute Allesfresser, könnten die Afrikanische Schweinepest (ASP) einschleppen. Die grassiert bereits in Osteuropa. „Wenn es dumm läuft, wirft ein in der Blockabfertigung stehender Lkw-Fahrer einen infizierten Wurstrest weg, ein Wildschwein gräbt ihn aus – dann kann es schlimm werden.“
In Mecklenburg-Vorpommern hat das Friedrich-
Loeffler-Institut am 15. November zum ersten Mal die ASP in einem Hausschweinbestand nachgewiesen.