Rohrdorf – Außergewöhnlich harmonisch klangen die Aussagen der Firma Renolit sowie aus Gewerkschaftskreisen, zur anstehenden Schließung des Werks im Rohrdorfer Ortsteil Thansau (wir berichteten). Nun melden sich aber einige Mitarbeiter zu Wort, die ein anderes Bild zeichnen.
„Etwa 60 Prozent der Kollegen sind noch nicht so lange dabei wie wir. Für die, fast durchgehend junge Leute, mag das sogar nach einem richtig guten Deal ausschauen: Jetzt noch mal bis zur Schließung ordentlich rackern, aber dann eine schöne Abfindung. Und als junger Mensch findet man in der Branche sicher bald einen neuen Job“, sagt Georg Schmid, „Aber wenn man, wie wir, zu den 40 Prozent der langjährigen Mitarbeiter gehört, vielleicht schon etwas älter ist, dann schaut das Bild gleich ganz anders aus. Renolit stellt sich jetzt überall als toller und fairer Arbeitgeber dar, hat 2021 wieder einen Rekordumsatz gemacht. Aber bei der Abfindung für uns, die wir der Firma immer die Treue gehalten haben, wird jetzt getrickst ohne Ende. Das wollen wir so nicht stehen lassen!“
Georg Schmid, Max Maier und Hans Müller (alle Namen geändert) sind langjährige Mitarbeiter. Maier und Müller seit mehr als zehn Jahren, Schmid seit über 30. Alle drei haben darum gebeten, anonym bleiben zu dürfen. „Wir würden alles, was wir hier sagen normalerweise sofort unterschreiben!“, betonen sie. Derzeit laufen aber einige Verfahren am Arbeitsgericht Rosenheim, in denen mehrere Mitarbeiter gegen das Unternehmen klagen. Mindestens einer von ihnen gehört dazu.
Sozialplan
vereinbart
Bereits im Sommer des vergangenen Jahres war von Gewerkschaft, Gesamtbetriebsrat und Firmenvorstand ein Sozialplan ausgearbeitet worden. Er habe selten einen so zugänglichen Vorstand eines Großunternehmens erlebt, berichtete Tobias Meinhardt vom DGB, der die Verhandlungen zum Sozialplan im vergangenen Jahr begleitete, gegenüber den OVB-Heimatzeitungen.
„Wie gesagt, für den Großteil der Kollegen, die noch nicht so lange dabei sind, mag das Ganze ja wie ein tolles Paket ausschauen“, so Georg Schmid. „Aber wir Langjährigen sind die Gelackmeierten. Es fängt damit an, dass das vom Gesamtbetriebsrat mit der Firmenzentrale verhandelt wurde. Leute, die in Worms sitzen, am andere Ende Deutschlands, haben da für uns gesprochen und in unserem Namen diese Bedingungen ausgehandelt. Auf dem Papier mag auch alles schön aussehen, aber der Teufel steckt im Detail.“
„Es ging dann damit weiter, wie wir Einsicht in diesen Sozialplan nehmen konnten“, so Schmid weiter. „Nur unter Aufsicht von drei Kollegen hatte jeder 30 Minuten, um 20 Seiten durchzuarbeiten. Wie soll das denn gehen, dass man sich da gescheit einliest, vielleicht mal kurz einen Paragrafen googelt, wenn der nächste schon vor der Türe steht?“ Ihre Anwälte hätten auch nur im Werk selbst Einsicht in das Dokument, Kopien seien nicht erlaubt. „Ein Anwalt hat doch Schweigepflicht, was soll denn diese Schikane?“
„Ja, wenn wir uns dann arbeitslos melden und Arbeitslosengeld beziehen, dann können wir den durch die Deckelung der Abfindung entgangenen Betrag wieder reinholen“, schaltet sich Max Maier ein. „Aber ich will doch nicht dem Staat auf der Tasche liegen! Ich will weiter arbeiten! Aber auch das könnte schwieriger werden“, gibt er zu bedenken. Hier setzt Hans Müller an: „Es hieß ja auch, es habe Angebote gegeben, dass wir an anderen Standorten anfangen könnten. Das waren aber unserer Ansicht nach reine Alibi-Angebote, die erst gemacht wurden, als wir schon unsere Klagen eingereicht hatten. So kriege ich dann vielleicht beim Arbeitsamt gesagt: ‚So, Herr Müller, Sie hätten doch gleich in Waldkraiburg oder München weitermachen können‘ – und zack kriege ich eine Bezugssperre verpasst.“
Im vergangenen Jahr hätten alle im Betrieb noch mal zugelangt, um der Firma die Erfüllung ausstehender Aufträge möglich zu machen. „Da hieß es dann: ‚Dafür kriegt ihr eine Prämie‘. Die wird aber halt am Ende von der Abfindung abgezogen. Auch da wird wieder am einen Ende abgeknapst, um am anderen großzügig zu tun.“
Pessimistisch
für die Zukunft
Jeder, der keinen Krankheitstag anmeldete, habe sich außerdem über einen vierstelligen Betrag freuen können. „Da hat sich dann mindestens ein Kollege frisch nach der OP mit noch nicht verheilter Wunde ins Werk geschleppt, um ja noch das Geld abzugreifen.“ Alle drei blicken nun eher pessimistisch in die Zukunft. Ja, die Abfindung sei eine ordentliche Summe, aber was, wenn sich danach kein neuer Arbeitsplatz findet? „Ich habe zwei Kinder zu Hause und eine pflegebedürftige Mutter. Da reicht die Abfindung nicht bis ultimo“, sagt Hans Müller.