Amerang – „Ihh!“ Das ist der typische Aufschrei bei vielen, die eine Fledermaus in der Dunkelheit entdecken. Diese Reaktion kann Marie-Theres Schurrer nicht verstehen. Sie hat die Fledermaus lieben gelernt. Die Wildtierhilfe Amerang, deren Vorsitzende sie ist, hat sogar für die Rettung verletzter Tiere ein kleines Lazarett aufgebaut. Denn die Fledermaus ist in Gefahr.
Scheue Flugkünstler
in der Dämmerung
„Sie haben ein weiches, wuscheliges, goldbraunes Fell und samtig bespannte Flügel. Ihre glänzenden Knopfaugen blitzen aufmerksam. Manche sind so groß wie ein Kinderdaumen. Andere etwas größer, etwa wie ein zarter kleiner Vogel“, schwärmt Schurrer. In der Hand des Menschen sitzen sie still und ängstlich, unsicher und abwartend, weiß sie. „Denn Fledermäuse sind scheue Flugkünstler, sie sind nur nachts aktiv.“ Nur in den Stunden der Abend- und Morgendämmerung sei ein Blick auf sie zu erhaschen, wenn sie am halbdunklen Himmel kreisen würden, berichtet sie. Glücklich schätzen sollte sich jeder Gartenbesitzer, der die seltener gewordenen Insektenjäger noch bei sich am Haus habe und sie in ihrem schwerelosen, schnellen Flug beobachten könne, findet Schurrer.
Fledermäuse sind nach ihren Angaben eine Kostbarkeit geworden. Denn auch sie würden unter der zunehmenden Verbauung mit hermetisch abgeriegelten Gebäuden, dem Fällen alter, hohler Bäume, und dem Rückgang der Insekten leiden. Der Quartier- und Nahrungsmangel führe unter anderem dazu, dass die Bestände abnehmen und viele Tiere erkranken würden. Unter anderem an einer Lungenentzündung oder an Parasiten, die sich einnisten, weil ein Quartier mangels Alternativen zu lange genutzt werde und verschmutze, erklärt Schurrer.
Auch die hohe Zahl an freilaufenden Hauskatzen in Siedlungen werde vielen Fledermäusen zum Verhängnis. „Katzenbisse oder auch nur kleinste Kratzer führen durch übertragene Bakterien sehr schnell und fast immer zu tödlicher Blutvergiftung bei Wildtieren. Auch gibt es immer wieder Kollisionen mit Fahrzeugen, denn einige Arten fliegen sehr niedrig“, so die Vorsitzende der Wildtierhilfe Amerang.
Es werden daher immer wieder verunglückte oder durch Krankheit geschwächte Tiere gefunden, berichtet sie. „Eine Fledermaus, die tagsüber sichtbar sitzend oder hängend gefunden wird, braucht immer Hilfe. Wäre sie gesund, hätte sie sich in ihr sicheres Versteck zurückgezogen.“ Die Behandlung und Versorgung der sensiblen, zerbrechlichen Tiere sei anspruchsvoll und benötige Raum, da die Tiere auch in der Genesung die Möglichkeit zum Fliegen brauchen würden. Fledermausstationen sind daher dünn gesät.
Auf Anregung von Dr. Andreas Zahn, dem Leiter der Koordinationsstelle für Fledermausschutz Südbayern, baut nun die Wildtierhilfe Amerang e.V. seit dem vergangenen Jahr eine Fledermaus-Nothilfestation in Amerang auf. Verletzte, entkräftete, verirrte oder tagsüber gefundene Fledermäuse können dorthin gebracht werden. Sie werden behandelt und gepflegt. „Fledermäuse benötigen eine sehr spezielle Behandlung. Der fachliche Austausch erfolgt deutschlandweit und sogar grenzüberschreitend bis in die Schweiz und die USA“ erklärt die Vorsitzende.
Batworld unterstützt
per Videokonferenz
Sie hat in ihrem Haus in Amerang unter anderem „Mimi“, eine Zwergfledermaus, aufgepäppelt. Sie hatte einen dreifach gebrochenen Flügel. Per Videokonferenz mit Experten des amerikanischen Vereins „Batworld“ wurde Schurrer über die Behandlungsschritte informiert. Mit Erfolg: Mimi – „ein wirklich berührendes Wesen“ – kann schon wieder das Fliegen trainieren. Im Frühjahr soll sie wieder in die Freiheit entlassen werden. Damit das klappt, hat Schurrer mit einem Moskitonetz einen Raum daheim in eine Innenvoliere verwandelt. Innerhalb dieses gespannten Kubus kann „Mimi“ wieder Flugversuche unternehmen, ohne sich zu verletzen.
Die Mühe werde durch die Tiere belohnt. „Wir sind begeistert von dem Charme und den Persönlichkeiten der Fledermäuse. Sie werden sehr unterschätzt. Es gibt stille und schüchterne, aufgeweckte und neugierige, coole und entspannte unter ihnen. Jede ist ein Wesen für sich – aber alle sind umgänglich, werden rasch zahm, und machen täglich Freude“ erzählt Schurrer. „Fledermäuse sind sehr sozial und leben wie Geschwister untereinander – man zankt sich, liebt sich aber doch. Sie brauchen einander sehr und sollten daher nie alleine gehalten werden. Wir bilden nach Möglichkeit Patientengruppen.“