„Wir bleiben auf der Strecke“

von Redaktion

Gemeinderat Eggstätt sieht Fortschreibung des Regionalplans äußerst kritisch

Eggstätt – „Da kommt großes Unbill auf uns zu.“ Bürgermeister Christian Glas (FBE) zeigte offen seinen Unmut über die Bestrebungen, den Regionalplan fortzuschreiben und die Siedlungsentwicklung auf Kommunen mit mehr als 5000 Einwohner zu konzentrieren. „Das kommt von der Dimension der Auswirkungen in etwa der Gemeindegebietsreform von 1972 gleich“, so der Eggstätter Rathauschef in der jüngsten Gemeinderatssitzung.

Kleinere Kommunen
abgehängt?

Die Siedlungsentwicklung ist der Schwerpunkt der aktuell geplanten Fortschreibung des Regionalplans für die Region 18. Diesem Regionalen Planungsverband Südostoberbayern gehören Stadt und Landkreis Rosenheim sowie die Landkreise Altötting, Berchtesgadener Land, Mühldorf und Traunstein an. Infrastrukturelle Maßnahmen sollen in erster Linie in Kommunen mit mehr als 5000 Einwohnern umgesetzt werden. Begründet wird das damit, dass man „einer Zersiedlung des ländlichen Raums zuvorkommen und im Sinne einer naturnahen Flächenverdichtung agieren“ wolle, so Glas weiter. Zudem sei auch mehr Bestandsinfrastruktur in größeren Städten vorhanden.

Damit sind nach der Überzeugung von Glas künftig Entwicklungsmöglichkeiten für kleinere Kommunen aber stark eingeschränkt, „größere Gewerbeansiedlungen, Baugebietsausweisungen, Anbindungen an den ÖPNV und vieles mehr bleiben dann auf der Strecke.“ Der Bürgermeister zitierte aus einem Schreiben seines Amtskollegen Martin Lackner aus Engelsberg (Landkreis Traunstein): „Die Gemeinden unter 5000 Einwohner sollen somit den Flächenverbrauch, Flächenfraß reduzieren, um den Flächenverbrauch der Großstädte aufzufangen.“

Wenn das Gremium einverstanden sei, werde er sich dem Protestschreiben seines Amtskollegen anschließen. Er habe diesbezüglich mit Bernd Fessler, Bürgermeister von Großkarolinenfeld und Vorsitzender des Bayerischen Gemeindetags, Kreisverband Rosenheim, sowie mit Landrat Otto Lederer Kontakt aufgenommen. Letzterer habe nun eine digitale Infoveranstaltung mit allen Beteiligten vorgeschlagen.

„Wollen keine
Schlafstadt werden“

In der Diskussion im Eggstätter Gemeinderat zeigte sich ein breiter Schulterschluss für einen Widerspruch. Gerhard Eder (ÜWG) sagte, dass es Gewerbe brauche: „Wir müssen unsere Vorhaben auch finanzieren können.“ Hier schneller einzuwirken, habe der Landrat „verschlafen.“ Helmut Hundhammer (CSU) meinte: „Unser Ort muss lebendig bleiben. Der darf keine Schlafstadt werden, sondern muss sich auch entwickeln können.“

Bürgermeister Glas sah das ähnlich: „Bei uns sollen sich Junge und Gewerbetreibende ansiedeln.“ Katharina Weinberger (Grüne) hingegen begrüßte als Einzige den Vorstoß des Regionalen Planungsverbandes. Sie sehe die Gefahr einer Zersiedelung der Landschaft, wenn jede Gemeinde ein eigenes Gewerbegebiet betreibe. Glas erwiderte: „Bei uns sind 26 von 46 Gemeinden betroffen, im Landkreis Traunstein sogar mehr als Zweidrittel von 35 Kommunen.“ Er wolle die anderen Gemeinden für diese bedrohliche Entwicklung sensibilisieren. Man müsse schnellstmöglich gegen das Vorhaben Widerspruch einlegen. Stellungnahmen sind wohl nur bis Ende April möglich. Ein Beschluss erfolgte nicht.

„Grundsätzlich nicht schlecht“ – Nachhaltige Bebauung und weniger Verkehr

Bernd Fessler, Bürgermeister von Großkarolinenfeld und Vorsitzender des Bayerischen Gemeindetags, Kreisverband Rosenheim, erklärte auf Nachfrage, dass es in seinen Augen einige kritische Punkte im Regionalplan gebe: „Für kleine Gemeinden ist es schwierig, sich zu entwickeln.“ In einer vormaligen Fassung war noch von Gemeinden mit über 7500 Einwohnern die Rede, diese Zahl wurde nun auf 5000 festgeschrieben. Aber: „Die Inhalte der Regionalplanung sind nicht Ziel, sondern eine Grundsatzformulierung,“ eine Innenverdichtung sei also trotzdem möglich. Der Grundsatz einer ökologischen, nachhaltigen Bebauung und einer Reduzierung der Arbeitswege und des Verkehrs sei „im Grundsatz kein schlechter Gedanke.“ Auf Dauer werden die Grundstückspreise steigen, da dürfe man durchaus die Frage stellen, ob künftig Einzelhäuser oder Doppelhäuser noch leistbar sind. Zudem müssten schon jetzt Vorgaben beispielsweise beim Thema Flächensparen bei jeder gemeindlichen Bauleitplanung berücksichtigt werden. Demnächst soll eine Online-Veranstaltung mit der ganzen Region organisiert werden, sodass „sich kein Landkreis ausgegrenzt fühlt und jeder auf dem gleichen Stand ist“, so Fessler. Denn gleichzeitig zum Regionalplan wird auch der Landesentwicklungsplan (LEP) fortgeschrieben. Fessler hofft jetzt auf eine parallele Fristverlängerung für mögliche Einwände bis Ende April 2022.

Artikel 10 von 11