Oberaudorf – Das Jugendschöffengericht Rosenheim sprach einen 19-jährigen Oberaudorfer, der unter offener Bewährung stand, vom Tatvorwurf des Diebstahls aus Mangel an Beweisen frei.
„Gerade noch einmal gutgegangen“ dürfte das Fazit des Oberaudorfers lauten. Laut Anklage soll er am 4.November in einem Einkaufsmarkt in Oberaudorf gefüllte Paprikaschoten und einen Teigfladen im Gesamtwert von vier Euro gestohlen haben. Mit dieser neuerlichen Anklage stand für den 19-Jährigen eine Menge auf dem Spiel, denn er stand zum Tatzeitpunkt unter offener Bewährung. Im März 2021 war er wegen umfangreichem Handel und Besitz von Betäubungsmitteln zu einer Jugendstrafe von einem Jahr und zwei Monaten und der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt verurteilt worden. Das Strafmaß war zur Bewährung ausgesetzt worden. Grundbedingung: keine neuerlichen Straftaten. Dazu kamen weitere Auflagen.
Bewährungshelfer:
Zusammenarbeit
lief schlecht
Laut Bewährungshelfer lief die Zusammenarbeit mit dem Angeklagten bisher schlecht. Er habe Termine nicht wahrgenommen, die Sozialstunden nur schleppend abgeleistet und sei einmal positiv auf Alkohol getestet worden. Der Dauerarrest sei coronabedingt noch nicht vollzogen worden. „Ich habe den Eindruck, dass sich der Angeklagte nicht bewusst war, was Bewährung heißt“, sagte der Bewährungshelfer vor dem Jugendschöffengericht.
Erst ein Gespräch Anfang des Jahres habe dem 19-Jährigen offensichtlich die Augen geöffnet, denn in den letzten Wochen habe er sich deutlich gebessert und auch eine Arbeitsstelle angenommen. Ein Grund dafür könnte seine Verlobte sein, mit der er ein Kind erwarte und die ihm Halt gebe. Auch die Vertreterin der Jugendgerichtshilfe bescheinigte dem Angeklagten einen „Weg in die richtige Richtung“.
Beide sprachen sich im Falle einer Verurteilung dafür aus, erst nach einer Bewährungszeit von sechs Monaten darüber zu entscheiden, ob die Strafe vollzogen werden muss. Die Anklagevertretung folgte diesem Vorschlag und forderte unter der Einbeziehung des Urteils vom März eine Gesamtjugendstrafe von einem Jahr und sechs Monaten.
Aus ihrer Sicht hatte der Angeklagte die Waren in seine Tasche gepackt und nicht vorgehabt, sie zu bezahlen. Ein Argument dafür waren die Aussagen der beiden Mitarbeiterinnen des Einkaufsmarkts. Kunden hätten sie schon wenige Tage vor der Tat darauf angesprochen, dass der Angeklagte wiederholt Waren in seiner Tasche verstaut und an der Kasse nur die Artikel bezahlt hätte, die er in den Händen gehalten habe. Deshalb habe sie ihn beobachtet. Am Tattag sei dies erneut der Fall gewesen, deshalb habe sie die Kassiererin angewiesen, den Kunden beim Bezahlvorgang zu bitten, die Tasche zu öffnen. „Als er die Tasche geöffnet hat, hat er behauptet, dass er vergessen hat, die Waren auf das Band zu legen“, sagte die Kassiererin. Ihrer langjährigen Erfahrung nach habe er nicht bezahlen wollen.
Vom Telefonat mit der
Verlobten beim
Bezahlen abgelenkt
Doch genau das hatte der Angeklagte behauptet. Er habe einige Waren in die Tasche gelegt und den Reißverschluss verschlossen, damit sie nicht herausfallen. Weitere Artikel habe er auf dem Arm gehabt. Die ganze Zeit über habe er mit seiner Verlobten telefoniert, deshalb sei er abgelenkt gewesen. Hinzu kämen Medikamente wegen einer Erkrankung, die ihn vergesslich machten. Als er darauf aufmerksam gemacht worden sei, „hätte ich das auf jeden Fall bezahlt“, beteuerte der Angeklagte. Seine Verteidigerin Gabriele Sachse forderte deshalb Freispruch. Der Bezahlvorgang sei noch nicht abgeschlossen gewesen, deshalb sei es nicht auszuschließen, dass ihr Mandant sein Versäumnis selbst bemerkt und die Waren dann auch bezahlt hätte.
Das Schöffengericht war der Überzeugung, dass zweifelsfreie Beweise fehlten. „Vergessen oder Absicht“, es gebe für beide Varianten Indizien und auch wenn es relativ wahrscheinlich sei, dass der Angeklagte die Waren entwenden wollte, sei er freizusprechen.