Der Spieltrieb ist stärker

von Redaktion

Theatergruppe Hirnsberg stellt Corona zum Trotz ein Stück auf die Bühne

Hirnsberg – Theaterleute leben vom Kontakt mit ihrem Publikum, dessen Begeisterung und Applaus. Man kann sich also vorstellen, wie sich die Hirnsberger Theatergruppe Anfang dieses Jahres gefühlt haben mag: 2020 das Ende nach der Generalprobe, 2021 überhaupt kein Theater und jetzt, 2022, die Aussichten immer noch mehr als ungewiss. Sollte man ein Stück einstudieren, nur damit es am Ende wieder nicht aufgeführt werden könnte? Die ganze Arbeit, all das Herzblut, das in so einer Aufführung steckt, erneut umsonst?

Warum es nicht wenigstens probieren?

Als die Theaterleute zusammensaßen, hatten sie allerdings ein gewichtiges Argument im Hintergrund, und das buchstäblich. Die gesamte Kulisse ihres Stückes „Neurosige Zeiten“ war immer noch aufgebaut. Es hatte zwischendurch im Trachtenheim keine Veranstaltung gegeben, die den Abbau nötig gemacht hatte. Warum es also nicht wenigstens einmal probieren, eher spielerisch, also mit verminderter Probenzahl, um zu schauen, wie weit man trotz Pandemie käme? Spielleiter Uwe Drahtschmidt hatte seine Truppe schnell überzeugt: „Stellt euch vor, es ist März, spielen wäre möglich, aber wir können nicht, weil wir uns jetzt nicht aufgerafft haben!“

Schnell stellte sich heraus, dass vieles von dem, was man vor zwei Jahren einstudiert hatte, immer noch parat war. Auch die Tatsache, dass zwei Rollen neu besetzt werden mussten, weil ihre Spieler die Mitmach-Voraussetzung, die Corona-Impfungen, als größeres Hemmnis empfanden als ein Nichtspielen, war zu bewältigen. Trotz aller Vorsicht fingen sich drei der Truppe im Februar noch den Virus ein, unabhängig voneinander und außerhalb der Proben. „Durchaus lästig“, meint Drahtschmidt im Rückblick, „aber nichts was wir nicht bewältigt hätten, denn der Zeitpunkt war weit genug vom Aufführungsstart entfernt, dass wir danach noch vollwertige Proben durchführen konnten, aber spät genug, um schon wieder Spielroutine erarbeitet zu haben.“

So war es möglich, das durchzuführen, was man „Zoom- oder Fernspielen“ nennen könnte. Die erkrankten Schauspieler waren über Telefon und Lautsprecherboxen mit der Bühne verbunden, konnten so ihre Texte sprechen. Gemimt wurden ihre Parts dabei von Schauspielern, die in dieser Szene nicht benötigt wurden. Diese Proben, so erzählt Drahtschmidt, waren nicht selten reinweg zwerchfellerschütternd. Schon das Stück an sich ist eine temporeiche Slapstickkomödie: Angesiedelt ist es in der offenen Wohngruppe einer Psychiatrie, die Bewohner sind eine Stalkerin, die einem Volksmusiksänger nachstellt, ein Zwangsneurotiker, eine Sexsüchtige sowie zwei Männer, von denen der eine ein Künstler in einer manischen Phase ist und der andere einer, der jeden sozialen Kontakt scheut wie der Teufel das Weihwasser.

Wenn sich dann noch die Mutter der Sexsüchtigen zu Besuch ansagt, die ihre Tochter statt in der Psychiatrie weit oben auf der Karriereleiter wähnt, die Wohngruppe deshalb beschließt, sich kurzerhand als normale Wohngemeinschaft auszugeben – dann sind die Voraussetzungen für jede Menge Spaß gegeben. Nun muss man sich vorstellen, dass bei diesen „Fernspielproben“ zum Beispiel eben nicht die Stalkerin mit ihrem Opfer auf der Couch saß, sondern an ihrer Stelle der „Irrenarzt“, seiner Rolle nach ein absolut arroganter Schnösel, der nun aushilfsweise das verliebt schmachtende junge Mädchen gab. Die Originalstimme dazu über Telefon und Lautsprecher beigesteuert von der tatsächlichen Rolleninhaberin.

Dieser unbändige Spaß, den die Truppe bei ihren Proben und mit ihrem Stück hatte, war denn auch in den acht Aufführungen zu spüren. Souveränität und Leichtigkeit des Spiels zeichnet die Hirnsberger Truppe ja schon von jeher aus, war dieses Mal aber vielleicht noch ein klein wenig stärker, denn wie Uwe Drahtschmidt sagt: „Wir wussten über die ganze Probezeit, dass wir nichts zu verlieren haben.“

Ohne Werbung ausverkauft

Und das Hirnsberger Publikum war nach der langen Theaterabstinenz sowieso mehr als ausgehungert nach seiner Theatergruppe: Alle Aufführungen waren im Rahmen der erlaubten Möglichkeiten ausverkauft, ohne dass man dafür hätte Werbung machen müssen.

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