Riedering – Ein Sprinter voll mit Medikamenten, Decken, Handtüchern, Wasserflaschen, Müsliriegeln, Mützen und Handschuhen: So machten sich Torsten Büchner aus Riedering und Daniel Grill aus Stephanskirchen vor vier Wochen auf an die ungarisch-ukrainische Grenze. Zurück an den Simssee brachten sie nicht nur zu Herzen gehende Geschichten, sondern auch vier Mitglieder einer ukrainischen Großfamilie, die schnell in Petzgersdorf eine Unterkunft fanden.
Geflüchteten unter die Arme zu greifen, das war der erste Gedanke, der Torsten Büchner und Daniel Grill in den Sinn kam, schon in den ersten Tagen nach dem Angriff auf die Ukraine.
Doch es blieb nicht bei der Idee. 300 Kilo Übergewicht hatte der Sprinter beim Losfahren, erinnert sich Daniel Grill. Über Facebook hatten sie einen Aufruf gestartet und binnen weniger Stunden war der Sprinter voll bepackt.
Familie
eingeladen
In einem Dorf nahe der ungarisch-ukrainischen Grenze, wo der Malteser-Hilfsdienst Geflüchtete in einer Turnhalle betreut, luden sie ihre Güter ab. Und nahmen auf der Rückfahrt Olexandra, ihren Mann Andrew sowie dessen weitaus jüngere Geschwister Valentina (13) und Michael (11) aus Odessa mit.
Während der Fahrt organisierten die beiden Freunde weiter. Daheim in Riedering hatte sich schon der Helferkreis Simssee bereit gemacht, und auch die Gemeinde hatte ihre Unterstützung zugesichert. Die Vier aus Odessa sind nun in einer Ferienwohnung in Petzgersdorf untergekommen. „Weit nach Mitternacht waren sie hier“, sie hatten nur einen Koffer für alle bei sich und die Kinder noch einen kleinen Rucksack, erinnert sich Gastgeberin Cordula Hausstätter. Olexandra und ihre kleine Familie sind dankbar, wollen aber nichts berichten.
Weitaus erzählfreudiger ist Sasha (31) aus Rivne bei Lwiw (Lemberg). Auf Englisch berichtet sie von der Flucht über Slowenien an den Schliersee zusammen mit ihrem vierjährigen Sohn und ihrer Mutter. Ihre Mutter habe dort vor Corona gearbeitet, musste dann aber wieder zurück.
Dass sie nun am Schliersee für eine Woche unterkommen durften und gleich im Anschluss in Riedering eine Unterkunft gefunden haben, rühre sie. Sie seien dankbar, so großzügig aufgenommen worden zu sein.
Daniel Grill winkt bescheiden ab: „Die Geflüchteten haben doch nichts“, betont aber auch, dass die Hilfe allein von Privaten und den Gemeinden komme. „Von der Regierung oder vom Bund gab es bisher nichts.“ Der Helferkreis Simssee hat auf der Riederinger Homepage eine eigene Seite bekommen.
Dort ist detailliert aufgelistet, was gebraucht wird, seien es Sach- oder Geldspenden, seien es Fahrgemeinschaften, Begleitung bei Arztbesuchen, Behördengängen und Einkäufen oder Unterkünfte.
Auf der Bühne der Mehrzweckhalle sammeln die freiwilligen Helfer Spenden und verteilen sie. Der Rückenwind, den sie aus der Verwaltung erfahren, tue gut, betonen die Helfer mehrfach.
In Zusammenarbeit mit der Nachbargemeinde Stephanskirchen gibt es seit zwei Wochen Sprachunterricht und auch bei der Verteilung der Güter aus der Sammelstelle arbeiten die beiden Gemeinden zusammen.
Für Bürgermeister Christoph Vodermaier und stellvertretenden Geschäftsleiter Johannes Lang ist es eine Selbstverständlichkeit mit anzupacken. Vodermaier sagt: „In dieser Situation muss jeder im Rahmen seiner Möglichkeiten mithelfen, für menschenwürdige Verhältnisse für die von Schicksal und Leid so hart getroffenen Menschen zu sorgen.“ Er sei auch schon spontan als „Fahrdienst“ für eine geflüchtete Familie eingesprungen. Der wird immer gebraucht, bestätigt Daniel Grill.
Viersprachiges
Willkommensfest
Inzwischen sind 25 Geflüchtete in Riedering angemeldet, vermeldet Martin Ruhstorfer von der Verwaltung. Bei einem Willkommensfest, für das Cordula und Rupert Hausstätter ihre alte Schmiede geöffnet haben, waren es jedenfalls schon ein paar Geflüchtete mehr, die sich erst zaghaft, dann immer freudiger untereinander vorstellten. Schnell wurden die Tische zusammengeschoben und schon bald erfüllte ein Sprachmix aus ukrainisch, bayerisch, deutsch und englisch den Raum. Am dringendsten brauche man Unterkünfte, so Torsten Büchner.