Neubeuern – Einst bescherten sie den Orten am Inn Wohlstand. Heute, in Zeiten des globalen Schwerverkehrs, sind sie fast vergessen: die Schiffleut. Am gestrigen Sonntag aber erinnerte der historische Marktplatz Neubeuerns eindrucksvoll an Leben und Wirken der Schiffleut anno dazumal. Die Schiffleutbruderschaft Neubeuern, gegründet 1622, würdigte mit einem feierlichen Programm das Erbe ihrer Vorfahren. Und es kamen zahlreiche Ehrengäste, Abordnungen der Bruderschaften aus Nußdorf, Brannenburg und Wasserburg sowie viele Besucher aus den Inntalgemeinden.
Fahnenweihe
unter den Linden
Die Vorstandschaft folgte ihrer Vereins-Standarte und den von Kirchenmaler Michael Pertl restaurierten Fahnentüchern der Rosenkranzbruderschaft und des Georgivereins. Pfarrer Christoph Rudolph zelebrierte unter den Linden am Marktbrunnen Festgottesdienst und Fahnenweihe. „Großer Gott, wir loben dich“ spielte die Blaskapelle Neubeuern dazu auf. Beim gemeinsamen Mittagessen rund um die Brunneninsel wechselten die Musiker zu Unterhaltungsmusik.
Traditionsgemäß gab’s die Mass und Halbe mit dunklem Bier. Vereinschefin Juliane Tiefenmooser bedankte sich bei Amtsvorgänger Michael Konrad für seine zwölfjährige unermüdliche Arbeit. „Die Bruderschaft hat ihm sehr viel zu verdanken“, sagte sie. Dazu gehörten das Sammeln und Restaurieren von Zeitzeugnissen. Der Schirmherr, Bürgermeister Christoph Schneider, riet, es den Schiffsleuten nachzumachen: „Nicht nur das Vertrauen zu Gott prägte die Innschiffler, sondern bei jeder Reise, die gemeinsam und erfolgreich bewältigt wurde, baute man auch gegenseitiges Vertrauen und Wertschätzung in die Personen auf, die mit einem auf Reisen gingen.“Als „Besonderheit in der Rosenheimer Kulturlandschaft“ würdigte Landrat Otto Lederer den 400 Jahre alten Ortsverein. Die Zunft habe zur wirtschaftlichen und kulturellen Blüte beigetragen.
Altbürgermeister Josef Trost moderierte den Festtag und führte seine Gäste zu einer Besichtigungstour entlang der Hausfresken zu Sehenswürdigkeiten, die nur an diesem besonderen Tag sicht- und erlebbar waren. Einen geschätzten Blickfang stellte das sieben Meter lange blaue Boot des letzten Schiffbaumeisters aus Neubeuern, Michael Schmidl, aus dem Jahr 1984 dar. Es hat noch heute TÜV. Dazu gesellte sich eine kleinere Mutze, die im Dachgebälk des Plättenstadls in Altenmarkt ihre Heimstatt fand.
Gleich nebenan wurde an einer Schopperwand vorgeführt, wie früher das „Flicken“ der Innschiffe funktionierte. Getrocknetes Moos wurde mit einem keilförmigen Holz in die Ritzen eingeschlagen und mit einer Leiste vernagelt – so hielten die Läden dem Wasserdruck stand. Unterm Hofwirtsbichl stand eine übermannsgroße Vorrichtung mit einer Schiffsbaumsäge, an welcher sich zeigen ließ, wie zeit- und kräfteraubend der Plankenbau in der Schopperwerkstatt war. Gegenüber drehte die Seilerei Weiß einen Strick, wie er anno dazumal zum Stromaufwärtsziehen der Schiffe verwendet wurde. Die kürzere Version, einen Kälberstrick, fertigten die Kinder zum Mitnehmen mit endlos scheinender Begeisterung. Auch das Plättenschießen mit Preisen beim Gasthaus „Stangenreiter“ zog vor allem Kinder an.
Schmied und
Stangenreiter
Georg Hiemer vermittelte am offenen Feuer einer alten Schmiede das Handwerk, das beim Schiffsbau und dem Hufbeschlag der Rösser zum Einsatz kam. Fünf Rösser mit Stangenreitern aus Samerberg und der Treidelzug aus Nußdorf und Brannenburg mit Rossgeschirr und Lanzen passierten das Markttor, um zu zeigen, wie Mensch, Tier und Handwerk einst zusammenwirken mussten. Auch das Museum bot Besichtigungen und Führungen an.
Am frühen Abend dann rollte wieder der aktuelle Verkehr durch den Ort. Bis dahin verweilten die Besucher am unteren Marktplatz und genossen mit den Schiffsleuten einen erinnerungswürdigen Festausklang.