Soyen/Ramerberg – Immer wieder hört man von Unfällen bei Kutschfahrten. Erst am Wochenende ereignete sich in Ramerberg ein schwerer Unglücksfall, bei dem eine 49-jährige Kutschfahrerin schwer verletzt wurde (siehe Infokasten). Dieses verhängnisvolle Ereignis beschäftigt auch Robert Hiebl aus Soyen. Der 58-jährige Forstwirt ist von Kindesbeinen an mit Pferden vertraut und fährt seit 40 Jahren Kutsche. Ihm sei noch nie ein Unfall passiert, berichtet er. „Toi, toi, toi“, fügt er an, denn er weiß aus seiner langjährigen Erfahrung nur zu gut: „Gfeit is ma nia auf’m Kutschbock.“
Schwere Kaltblüter
mit viel Gelassenheit
Auf dem Pferdehof Wetterstett stehen seine vier Pferde. Die Stuten Cilli (11 Jahre) und Juli (10) sowie Fanny (18) ihre Tochter Leni (10) entstammen alle der französischen Pferderasse „Percheron“. Die großen Kaltblüter haben eine unglaubliche Ausstrahlung – perfekt für die zahlreichen Umzüge, zu denen Robert Hiebl seine Stuten schon zwei- und vierspännig als Kutschpferde eingesetzt hat: Beim Frühlingsfest in Wasserburg waren sie erst kürzlich die Stars beim Festeinzug, aber auch beim Oktoberfest in München, beim Rosenheimer Herbstfest, in Haag, Marktschwaben und in Poing jubeln ihnen die Leute Jahr für Jahr am Straßenrand zu. Keine leichte Situation für Ross und Lenker. Flatternde Dirndlschürzen, losgelöste Luftballons, die laut zerplatzen, Blasmusik, Jubelrufe, das alles müssen die Pferde ruhig ertragen.
Als erfahrener Kutschfahrer hat Hiebl immer alles im Blick. „Und trotzdem kommen Autofahrer oder in München gern die E-Roller plötzlich und zu dicht herangeschossen“, beschreibt er brenzlige Situationen.
Hiebl hat seine Zugpferde selbst ausgebildet. Von klein an laufen sie als Fohlen bei Festzügen mit. Momentan ist Barbara „das Lehrmädchen“. Das Fohlen von Stute Juli machte auf diese Weise seine ersten Schritte beim Festzug. Als Einjährige werden sie bereits ans Geschirr gewöhnt und mit zwei Jahren zu einer älteren Stute dazu gespannt, von der sie dann weiter lernen können, beschreibt Hiebl das Ausbildungsprozedere. Fanny und ihre Tochter Leni seien momentan das sicherste Gespann auf dem Pferdehof. „Sie sind ein gutes Team und total entspannt“, lobt ihr Besitzer. Den Fasswagen ziehen immer vier Pferde im Gespann, für die schöne Hochzeitskutsche werden lediglich zwei Pferde benötigt, erklärt er weiter. Einen richtigen Kutschenführerschein braucht man nicht unbedingt, macht er außerdem deutlich. Beim Oktoberfest aber wollen die Veranstalter, dass man einen vorweisen kann, „schon aus versicherungstechnischen Gründen“, erklärt Hiebl.
Sogar mal ein Boot
über den Inn gezogen
Man merkt bei seinen Beschreibungen, wie sehr er seine Pferde und die Arbeit mit ihnen liebt. Im Wald geht der Forstwirt mit ihnen Holz rücken und beim Bürgerspiel vor zehn Jahren in Wasserburg hat er mit ihnen nach uralter Tradition ein Boot auf dem Inn gezogen. Für diese Aktion habe er sich selbst erst mal schlau machen müssen, gibt er zu. Dann habe aber alles super funktioniert. Seine Leidenschaft scheint ansteckend zu sein: Tochter Sabine, Schwiegersohn Guido, Sohn Robert und Schwiegertochter Simone sowie die beiden Enkelkinder Julia und Leonhard sind ebenfalls begeisterte Kutschfahrer. „Die jungen Leute haben zum Glück genauso Interesse an der alten Tradition wie ich“, freut sich Hiebl.
Gestern sprach sich die Tierschutzorganisation Peta mit Hinweis auf den Unfall in Ramerberg für das Verbot von Kutschfahrten aus und appellierte in einem Schreiben an Landrat Otto Lederer, ein Verbot von Pferdekutschen im Landkreis Rosenheim einzuführen.